Kommt in den Parteizentralen an, was die Deutschen besorgt? 81 Prozent sagen: Nein. Für das Wahljahr 2024 bedeutet das nichts Gutes.
KommentarWarum 2024 zum Stresstest wird
Sind wir zufrieden? Wovor haben wir Angst? Was wünschen wir uns? Zum Jahreswechsel wird die deutsche Seele offengelegt. Die Wirtschaftslage, die Haushaltskrise und die Zahl der Zuwanderer werden nach einer Forsa-Erhebung aktuell als größte Probleme angesehen. Erst auf Platz 5 und mit weitem Abstand die Kriege und Konflikte in der Welt, noch dahinter Klima-und Umweltschutz. Was die Deutschen am meisten besorgt, spielt mit Blick auf 2024 eine wichtige Rolle.
Deutschland steht vor einem Wahljahr, das zum Stresstest wird. Die Europawahl im Juni könnte für die Parteien der Ampel-Regierung zum Desaster werden; bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September droht die weitere Zersplitterung stabiler politischer Mehrheiten. Und gleichzeitig wird die AfD in den ostdeutschen Bundesländern auftrumpfen, die Umfragewerte liegen dort bei über 30 Prozent. Ein Zulauf zu einer rechtsradikalen Bewegung, wie er nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus in Deutschland noch nie zu beobachten gewesen sei, so das Forsa-Institut. Ist das überhaupt noch aufzuhalten?
Vermutlich nur, wenn sich eine Lücke schließt – die Lücke zwischen dem, was in der Bevölkerung als Problem wahrgenommen wird und dem, was in den Parteizentralen davon ankommt. Erschreckende 81 Prozent der Deutschen (99 Prozent der AfD-Anhänger) glauben am Ende des Jahres 2023, dass die meisten Politiker nicht wissen, was die Deutschen im Alltag bewegt. Das ist eine Entfremdung, die Frust, Politikverdrossenheit und Protestwahlverhalten erklärt. Nur noch 21 Prozent haben Vertrauen in die Bundesregierung. 2020 während der Corona-Pandemie waren es 63 Prozent. Da hat die Bundesregierung auch nicht alles richtig gemacht, aber sie wirkte zumindest nicht wie aus einer anderen Sphäre.
Von dem Ampel-Chaos konnten die Unionsparteien bisher zwar profitieren, und Parteichef Friedrich Merz kann mit breiter Brust in das Wahljahr starten, doch ein Ziel hat auch er nicht erreicht: das Anschwellen der AfD-Anhängerschaft zu verhindern. Dies wird wohl auch nur mit einem Schulterschluss aller Parteien möglich sein. Die Probleme wahrzunehmen und aufzugreifen, die den Alltag der Deutschen prägen, das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler zurückzugewinnen, das muss ein gemeinsames Ziel sein. Als echte Alternative zur „Alternative“.