AboAbonnieren

Kölner VerwaltungsgerichtProzess-Ausgang kann weitreichende Folgen für AfD haben

Lesezeit 4 Minuten
Kappe AfD

Symbolbild

Köln – Darf der Verfassungsschutz die gesamte AfD und ihre Jugendorganisation Junge Alternative (JA) als „Verdachtsfall oder gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ einstufen? Darüber verhandelt ab Dienstag das Kölner Verwaltungsgericht in der Kölnmesse. Insgesamt liegen dort vier Klagen der AfD und der JA gegen die Bundesrepublik Deutschland in Form des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vor.

Der Ausgang der Verhandlung könnte weitreichende Folgen für die Zukunft der Partei haben. Dementsprechend wird ein großes öffentliches Interesse an dem Verfahren erwartet. Daher findet die Verhandlung vor der 13. Kammer des Verwaltungsgerichts im Kristallsaal der Kölnmesse statt, um den Infektionsschutz während der Corona-Pandemie zu gewährleisten. Der Saal ist 1350 Quadratmeter groß – vor der Pandemie fanden hier regelmäßig Kongresse und Festbälle statt.

Einstufung als Verdachtsfall ist dem BfV derzeit untersagt

Nicht nur der Schauplatz der Verhandlung ist ungewöhnlich. Dem heutigen Verfahren geht eine Vorgeschichte bis ins Jahr 2019 voraus. Da hatte der Verfassungsschutz den als rechtsextrem geltenden „Flügel“ der AfD um den Thüringer Landeschef Björn Höcke und den damaligen Brandenburger Fraktionsvorsitzenden Andreas Kalbitz zum sogenannten Verdachtsfall erklärt und als Beobachtungsobjekt eingeordnet. Die Gruppierung mit ihren etwa 7000 Mitgliedern wurde damals als eine gesichert extremistische Bestrebung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung eingestuft. Mittlerweile gilt der „Flügel“ als aufgelöst, gegen die Einstufung als Verdachtsfall und die Nennung der Mitgliederzahl klagen die AfD und JA am heutigen Dienstag aber trotzdem.

Einstufung als Prüffall, Verdachtsfall und Beobachtungsfall

Als Prüffall werden Organisationen und Gruppen eingeordnet, bei denen erste Anzeichen für eine extremistische Tendenz vorliegen. Der Verfassungsschutz hat in diesem Fall noch keine besonderen Möglichkeiten zur Beobachtung. Es dürfen nur öffentliche Aussagen beziehungsweise öffentlich zugängliche Quellen ausgewertet werden.

Der Verdachtsfall greift dann, wenn die bereits vermuteten extremistischen Bestrebungen sich verdichtet haben. Ab jetzt kann der Verfassungsschutz „nachrichtendienstliche Mittel“ anwenden, um die Gruppe zu beobachten. Darunter fallen Observationen, der Einsatz sogenannter „V-Leute“ sowie der Einblick in die Finanzen. Für all diese Maßnahmen ist ein richterlicher Beschluss notwendig.

Als Beobachtungsfall gilt eine Gruppierung dann, wenn sich der bisherige extremistische und verfassungsfeindliche Verdacht im Laufe der Beobachtung erhärtet hat. Der Verfassungsschutz kann sämtliche geheimdienstliche Mittel anwenden - bei leichterer Genehmigung durch die Richter. (ebu)

Gegen die Einordnung der Bundespartei und ihrer Jugendorganisation als Verdachtsfall richten sich die zwei anderen Klagen. Damit einher geht ein Eilverfahren, in dessen Verlauf dem Verfassungsschutz vorerst verboten wurde, AfD und JA als Verdachtsfälle zu werten. Im März 2021 war öffentlich geworden, dass das BfV die Bundespartei bereits als Verdachtsfall handhabt und entsprechend beobachtet (siehe Kasten). Dies wurde allerdings kurz darauf vom Kölner Verwaltungsgericht untersagt, weil das BfV versichert hatte, über diesen Schritt Stillschweigen zu bewahren. Weil die Information trotzdem durchgesickert war, sah das Gericht einen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien.

Eigentlich sollte deutlich vor der Bundestagswahl im September 2021 über die Klagen der AfD entschieden werden, um die Wahlentscheidung der Bürger nicht zu beeinflussen. Doch der Vorgang verzögerte sich. Akten wurden zu spät eingereicht; seitens des BfV fehlte außerdem noch eine Stellungnahme zu einem Schriftsatz der AfD.

Ausgang der Verhandlung gilt als völlig offen

Seit 2019 gilt die Bundespartei beim BfV bereits als sogenannter Prüffall. Die Landesverbände der AfD in Brandenburg, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt werden in ihren Bundesländern bereits als Verdachtsfälle beobachtet. Dass die Bundespartei in Folge der Verhandlung als Verdachtsfall eingestuft werden könnte, hält der Politologe Wolfgang Schröder im Interview mit der Presseagentur AFP für unsicher. Denn weil die Partei bislang nur als Prüffall gilt, darf das BfV nur öffentliche zugängliche Quellen über die AfD auswerten. „Allein auf Basis öffentlicher Verlautbarungen ist eine solche Einstufung juristisch möglicherweise nicht zweifelsfrei wasserdicht zu begründen.“ Sollte der Fall jedoch eintreten, wäre das eine neue Dimension, sagt Schröder. „Bislang wurde noch keine ganze Partei als Ganzes als Verdachtsfall eingestuft.“

AfD-Chef Tino Chrupalla rechnet im Verfahren mit einem Erfolg. Bei kritischen Tönen des Gerichts werde man diese zum Anlass nehmen, sich genau mit diesen Aspekten zu befassen und sie gegebenenfalls abzustellen, sagte Chrupalla der Deutschen Presse-Agentur. „Ich gehe aber davon aus, dass uns das Gericht Recht geben wird.“

Die Verhandlung im Kristallsaal der Kölnmesse ist auf zwei Tage angelegt. Nach Auskunft der AFP könnte eine Entscheidung bereits am Mittwoch verkündet werden.