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Keine Einigung zu EU-Spitzenposten – Von der Leyen muss warten

Lesezeit 4 Minuten
Ursula von der Leyen (l.) strebt eine zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin an.

Ursula von der Leyen (l.) strebt eine zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin an.

Der EU-Sondergipfel ist ohne Einigung über die Spitzenjobs zu Ende gegangen. Es ging auch um eine zweite Amtszeit für Ursula von der Leyen.

Der Poker um die Neubesetzung von EU-Spitzenposten nach der Europawahl geht in die Verlängerung: Die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder konnten sich in der Nacht zum Dienstag bei einem Gipfeltreffen in Brüssel nicht abschließend auf alle Details des geplanten Personalpakets verständigen. Dieses sieht nach einer Grundsatzvereinbarung der drei großen Parteienfamilien vor, dass die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen weitere fünf Jahre Präsidentin der mächtigen und für EU-Gesetzgebungsvorschläge zuständigen EU-Kommission bleibt.

Die liberale estnische Regierungschefin Kaja Kallas würde demnach neue EU-Chefdiplomatin werden. Zum Präsidenten des Gremiums der Staats- und Regierungschefs soll der frühere portugiesische Regierungschef António Costa gewählt werden. Als Ratspräsident wäre der Sozialdemokrat dann dafür zuständig, die EU-Gipfel vorzubereiten und die Arbeitssitzungen zu leiten.

EU: Nächstes Treffen schon kommende Woche

Ende nächster Woche kommen die Staats- und Regierungschefs zu einem weiteren Gipfel zusammen, bei dem es eigentlich vor allem um wichtige Zukunftsthemen gehen soll. Bei ihm muss nun erneut über die Spitzenposten beraten werden. Von Diplomaten hieß es, es gehe letztlich nur noch um Details. Die sechs Staats- und Regierungschefs, die für die drei großen Parteienfamilien verhandelten, seien sich bei den Namen von der Leyen, Costa und Kallas einig.

Für die EVP verhandeln der polnische Ministerpräsident Donald Tusk und der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis, für die Sozialdemokraten Bundeskanzler Olaf Scholz und der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez. Die Liberalen setzen auf Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und den scheidenden niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte als Verhandlungsführer.

Der noch amtierende EU-Ratspräsident Charles Michel sagte in der Nacht, das Auseinandergehen ohne endgültige Einigung sei für ihn keine Überraschung gewesen. Das Treffen sei geplant worden, um die Gelegenheit zu einem ausführlichen Meinungsaustausch zu haben.

Streit um Dauer einer Postenbesetzung

Ein Grund für Streit am Montagabend war nach Angaben von Diplomaten, dass die Parteienfamilie mit den Parteien CDU und CSU erreichen wollte, dass die Besetzung des Amtes des EU-Ratspräsidenten nicht sofort für fünf Jahre geregelt wird. Dies würde bedeuten, dass sie theoretisch nach zweieinhalb Jahren Anspruch auf das Amt erheben könnte. Die Sozialdemokraten lehnten dies nach Angaben aus Verhandlungskreisen ab.

Der Ratschef wird anders als Kommissionspräsidentin und Außenbeauftragte eigentlich nur für 2,5 Jahre gewählt. Zuletzt war es allerdings so gewesen, dass der Posten bei den Personalverhandlungen wie die anderen Posten für fünf Jahre einer Parteienfamilie versprochen wurde.

Mitte-Rechts-Bündnis beansprucht Top-Job

Die bürgerlich-konservative EVP war bei der Europawahl Anfang Juni vor den Sozialdemokraten und den Liberalen die mit Abstand stärkste politische Kraft geworden. Daher hat sie die stärkste Position in den Verhandlungen und beansprucht die Präsidentschaft der EU-Kommission für sich.

Diese gilt als die mit Abstand wichtigste Position, die nach der Europawahl neu zu besetzen ist. Der Amtsinhaber ist Chef von rund 32 000 Mitarbeitern, die unter anderem Vorschläge für neue EU-Gesetze machen und die Wahrung der Europäischen Verträge überwachen. Zudem sitzt er bei fast allen großen internationalen Gipfeltreffen wie G7 oder G20 als EU-Repräsentantin mit am Tisch.

Einfache Mehrheit reicht nicht

Notwendig für die Entscheidung im Gremium der Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten ist eine sogenannte verstärkte qualifizierte Mehrheit. Das heißt, es mussten mindestens 20 der 27 EU-Staaten zustimmen und diese müssen zudem mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU repräsentieren.

Derzeit gehören im Europäischen Rat ein Dutzend Staats- und Regierungschefs den Mitgliedsparteien des Mitte-Rechts Bündnisses EVP an. Danach folgen die Gruppe der Liberalen, zu den insbesondere Frankreichs Präsident Macron zählt, und die der sozialdemokratischen Staats- und Regierungschefs mit Politikern wie Bundeskanzler Scholz. Damit von der Leyen eine zweite Amtszeit antreten kann, müssen nach den Staats- und Regierungschefs auch die Abgeordneten des Europäischen Parlaments grünes Licht geben.

Orban sieht Wahlergebnis ignoriert

Kritik an den Verhandlungen zwischen den drei großen Parteienfamilien kam in der Nacht zu Dienstag vom ungarischen Regierungschefs Viktor Orban, der 2021 mit seiner Partei nach einem Streit um die Rechtsstaatlichkeit in seinem Land aus der EVP ausgetreten war und seitdem keiner Parteienfamilie mehr angehört. Der Ungar schrieb nach dem Gipfeltreffen, bei der Europawahl seien rechte Parteien stärker geworden, Linke und Liberale hätten an Boden verloren - dennoch habe sich die EVP nun mit den Sozialisten und Liberalen zusammengetan.

„Heute haben sie einen Deal geschlossen und die Spitzenjobs der EU unter sich aufgeteilt. Sie scheren sich nicht um die Realität“, schrieb Orban . „Der Wille des europäischen Volkes wurde heute in Brüssel ignoriert.“

Ob Orban sich offen gegen von der Leyen stellte, sagte er allerdings nicht. Der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenkovic betonte am frühen Dienstagmorgen: „Bei der Kommissionspräsidentin habe ich keine Stimme gesehen, die ihre Position infrage gestellt hätte.“ Von der Leyen verließ das EU-Ratsgebäude, ohne sich öffentlich zu äußern. (dpa)