In NRW lebt die bundesweit größte jüdische Community - aber in der Politik sind Juden kaum repräsentiert. Eine neue Gruppierung innerhalb der NRW-CDU will das ändern. Die Rundschau konnte mit Beteiligten sprechen.
Jüdisches Forum in der NRW-CDUGründung in turbulenten Zeiten
Berlin hat bereits eines, Baden-Württemberg ebenso und nun auch Nordrhein-Westfalen: In der vergangenen Woche kamen in Düsseldorf Christdemokraten und Menschen, die sich dem Judentum verbunden fühlen, zusammen und gründeten das Jüdische Forum in der CDU NRW. Die Initiative dafür kam aus kommunaler Ebene, Unterstützung fand sie bei Nathanael Liminiski, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen und Chef der Staatskanzlei, der Bundestagsabgeordneten Serap Güler, die auch Mitglied im CDU-Bundesvorstand ist, und vom Generalsekretär der NRW-CDU, Paul Ziemiak. Moderatorin Claudia Hessel ist Botschafterin des Forums. „Es gab schon 2019 erste Überlegungen zu einem solchen Forum“, berichtet Roman Friedrich, Geschäftsführer der neu gegründeten Forums und für die CDU Bezirksvertreter in Köln-Chorweiler.
Die CDU NRW habe traditionell die bedeutenden gesellschaftlichen Beiträge jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürgern anerkannt und wertgeschätzt, sagt Serap Güler: „Gerade in heutigen turbulenten Zeiten sieht sich unsere Partei in der besonderen Pflicht, der bundesweit größten jüdischen Community, die in Nordrhein-Westfalen beheimatet ist, den instituierenden Rahmen zu verschaffen.“
Die Tatsache, dass das Judentum wenig Stimme in der deutschen Politik hat, erklärt Dr. Roman Salutov, Vorsitzender des Forums, mit antisemitischen Erfahrungen, die viele von ihnen gemacht hätten – teils in der früheren Sowjetunion, aus der er als Kind jüdischer Kontingentflüchtlinge stammt, teil auch in Deutschland: „So hat man gelernt: Je ruhiger du dich verhältst, desto sicherer bist du.“ Das sei nachvollziehbar, manifestiere aber problematische Strukturen: „Das Ziel ist nicht, dass die Zahl von Polizeiwagen vor jüdischen Kitas und Schulen aufgestockt wird, sondern dass sie nicht mehr notwendig sind.“
„Wir möchten, dass Menschen, die durch ihren familiären Hintergrund oder durch andere Konstellationen einen Bezug zum jüdischen Leben haben, nicht nur formell die Anerkennung ihrer Kultur und Kompetenzen erfahren. Das Forum soll ihr Sprachrohr sein, mit dem sie teilhaben und über ihre Anliegen selbst sprechen können“, erklärt Mitbegründer Roman Friedrich. Er selbst ist Russlanddeutscher und gehört der russisch-orthodoxen Kirche an, fühlt sich jedoch auch dem Judentum verbunden. Seine jüdische Urgroßmutter, berichtet er, sei von den Nazis ermordet worden. Sein Großvater, damals noch ein Kind, sei entkommen, habe eine neue Identität angenommen und erst im hohen Alter seiner eigenen Frau von seiner wahren Abstammung erzählt: „Solche Geschichten von multiplen Identitäten gibt es in fast jeder zweiten Familie in Russland – und damit auch in der Community der Geflüchteten aus ehemaligen Sowjetstaaten.“ Viele seien zwar nicht Teil von Synagogengemeinden, hätten aber jüdische Wurzeln.
Nicht nur in ihrem Interesse sei es, den Blick auf einen wieder aufkeimenden Antisemitismus im Alltag zu richten: „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit betrifft meist mehrere Gruppen“, warnt Friedrich, der hauptberuflich als Streetworker tätig ist. Mit interreligiösen Dialogveranstaltungen und Workshops wollen die Mitglieder des jüdischen Forums in der CDU NRW den Austausch mit Andersdenkenden suchen, um Radikalisierungen auf kooperativem Weg etwas entgegenzusetzen, Gemeinsamkeiten in den Blick zu rücken und auf friedlichem Wege die Demokratie zu stärken.