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Interview mit Chef der Steuerzahler„Deutschland leidet daran, dass Geld nicht ausgegeben werden kann“

Lesezeit 3 Minuten
Appelliert an die Ampel-Koalition: Arbeitgeberpräsident Reiner Holznagel.

Appelliert an die Ampel-Koalition: Arbeitgeberpräsident Reiner Holznagel.

Der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, fordert mehr Sparanstrengungen beim Haushalt 2024.

Der Bund der Steuerzahler warnt seit Jahren vor ausufernden Staatsausgaben. Präsident Reiner Holznagel (47) erklärt im Interview mit Rena Lehmann, warum das Einhalten der Schuldenbremse nur der Anfang sein kann. Alle Ressorts müssten den Gürtel enger schnallen.

Herr Holznagel, das unbegrenzte Schuldenmachen hat mit dem Bundeshaushalt 2024 ein vorläufiges Ende gefunden. Da müssten Sie doch jubeln?

Ich freue mich, dass zumindest der Bundeskanzler und der Bundesfinanzminister gewillt sind, ab dem nächsten Jahr wieder die Verfassung einzuhalten. Dass die grundgesetzliche Schuldenbremse wieder gelten muss, war lange klar. Ich wundere mich, dass es so lange gedauert hat, bis die einzelnen Ressorts auf diese Notwendigkeit reagiert und sich auf Sparmaßnahmen eingelassen haben.

Schlägt Deutschland damit nach den Jahren der Rekordschulden den Weg der Konsolidierung ein?

Ich warne davor, die hohen Tilgungsverpflichtungen aus dem Blick zu verlieren, die mit den hohen Schulden, die Deutschland ja weiterhin hat, bald einhergehen werden. Ab 2028 muss der Bund die Corona-Schulden nach und nach zurückzahlen – angefangen mit 12 Milliarden Euro pro Jahr. Aktuell sinkt der Spielraum schon wegen der enorm steigenden Zinsen. Hier schlagen jedes Jahr 40 Milliarden Euro zu Buche. Alle Koalitionäre müssen sich anstrengen, die nächsten Haushalte nachhaltig aufzustellen – die Schuldenbremse muss unbedingt Bestand haben! Der Haushalt 2024 kann nur der Anfang sein.

Ist Sparen angesichts aktueller von Warnungen, Deutschland werde wirtschaftlich wieder zum kranken Mann Europas, denn wirklich der richtige Kurs?

Wir haben inzwischen Sondervermögen für Investitionen in Höhe eines zweiten Bundeshaushalts. Es kann in Klimaschutz, Wirtschaft und Bundeswehr investiert werden. Deutschland leidet nicht daran, dass zu wenig Geld bereitsteht, sondern daran, dass das Geld nicht ausgegeben werden kann und somit nicht dort ankommt, wo es wirken soll. Das Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro ist bisher kaum angetastet. Es ist falsch zu glauben, dass wir mit noch mehr Schulden mehr Investitionen realisieren können.

Die Grünen kritisieren vor allem, dass für die Kindergrundsicherung in den nächsten Jahren nur zwei Milliarden Euro vorgesehen sind.

Ich finde diese Diskussion symptomatisch. Wir reden nur über Milliarden, aber nicht über Konzepte. Und vor allem auch nicht darüber, wie die Kindergrundsicherung gegenfinanziert werden soll. Die Familienministerin will sich Milliarden dafür reservieren, unterlegt ihre Forderungen aber nicht mit einem konkreten Konzept.

Wie müsste denn ein Bundeshaushalt aussehen, den sie aus Steuerzahlersicht begrüßen würden?

Der Rasenmäher muss rausgeholt werden, vor allem bei Subventionen, Förderprojekten und Bund-Länder-Programmen. Alle Ministerien müssen einen Sparbeitrag erbringen. Die Bundesregierung muss klare Prioritäten wie bei der Digitalisierung setzen und offen sagen, was nicht mehr geht wie bisher. Die Ampel hat für einen Rekord von 30000 Mitarbeitern in den Ministerien gesorgt – da wurden sehr hoch dotierte Stellen schnell und großzügig besetzt. Auch die Verwaltungsausgaben wachsen überproportional. Hier fällt mir die Standort-Teilung in Bonn und Berlin ein, die endlich beendet werden müsste. Und wir haben einen Höchststand an Subventionen, die nicht auf ihre Wirksamkeit überprüft werden – da brauchen wir eine Kehrtwende!