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Frage des TagesSind die Pläne der Grünen zu radikal?

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ADAC-Vizepräsident Gerhard Hillebrand ist gegen die Pläne der Grünen.

  1. Der Verbrauch fossiler Brennstoffe im Verkehr und beim Heizen soll nach dem Willen der Grünen über einen hohen Preis auf den CO2-Ausstoß deutlich teurer werden.
  2. Im Gegenzug sollen die Bürger mit einem „Energiegeld“ entlastet werden.
  3. Was ist noch geplant?

Berlin – Schneller, radikaler und teurer als die Pläne der Regierung sind die Vorschläge der Grünen für eine neue nationale Klimaschutz-Politik, die im Leitantrag des Parteivorstands vorgesehen sind. Sie werden der Bundesdelegiertenkonferenz vorgelegt, die sich Mitte November in Bielefeld trifft. Sollten sie angenommen werden, gelten sie als offizielle Parteilinie.

Die Kernpunkte

Der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2) im Bereich Verkehr und Wärme soll umgehend mit einem Preis von 40 Euro pro Tonne belegt werden, der bis 2021 auf 60 Euro und danach weiter ansteigen soll. Der Einbau von Ölheizungen soll sofort verboten werden, Autos mit Verbrennungsmotoren sollen langsam von den Straßen verschwinden und dann ab 2030 nicht mehr zugelassen werden.

Standpunkt

Der ADAC führte soziale Gesichtspunkte gegen die Grünen-Pläne an. Besserverdienende und Städter, die nicht aufs Auto angewiesen seien, könnten die von den Grünen vorgeschlagenen Maßnahmen wohl verkraften – Menschen auf dem Land und Berufspendler drohten durch die steigenden Mobilitätskosten „überfordert zu werden“, sagte ADAC-Vizepräsident Gerhard Hillebrand (Foto).

Die Vorschläge seien „radikal realistisch“ und sollten einen „neuen Anlauf in der Klimapolitik“ einleiten, heißt es in dem Leitantrag. Titel: „Handeln – und zwar jetzt! Maßnahmen für ein klimaneutrales Land.“ Der CO2-Preis dürfte dazu führen, dass fossile Brennstoffe wie Benzin und Heizöl für den Verbraucher teurer werden. Um die Bürger zu entlasten, wollen die Grünen mit den Einnahmen die Stromsteuer auf das „europarechtlich zulässige Minimum“ absenken. Zudem planen sie „als sozialen Ausgleich“ ein Energiegeld, das zunächst bei 100 Euro pro Bürger liegen soll.

Das Klimapaket der großen Koalition sieht vor, dass der Ausstoß von CO2 im Verkehrs- und Wärmebereich ab 2021 zunächst nur mit zehn Euro pro Tonne bepreist werden soll. Der Preis soll dann schrittweise bis 2025 auf 35 Euro ansteigen.

Gebäude

Auch bei der Gebäudewärme fordern die Grünen eine rasche Wende: Ölheizungen sollten ab sofort und fossile Gasheizungen ab 2025 nicht mehr eingebaut werden dürfen, heißt es in dem Leitantrag. Der Plan der großen Koalition hingegen sieht vor, den Einbau von Ölheizungen erst ab 2026 zu verbieten.

Verkehr

In der Verkehrspolitik sprechen sich die Grünen dafür aus, ab 2025 „keine neuen Bundesstraßen mehr in Angriff zu nehmen, da Deutschland mit Straßen ausreichend erschlossen ist“. Stattdessen solle die vergleichsweise klimafreundliche Bahn ausgebaut werden.

Landwirtschaft

Für die Landwirtschaft setzen die Grünen das Ziel, weniger Fleisch zu produzieren. Die Partei wolle sich dabei auch „für mehr Selbstverständlichkeit von vegetarischer und veganer Ernährung“ einsetzen, heißt es in dem Leitantrag.

Arbeitswelt

In einem weiteren Leitantrag zur „sozial-ökologischen Marktwirtschaft“ spricht sich der Parteivorstand für eine Neuorganisation der Arbeitswelt aus. Beschäftigte sollen souveräner über ihre Arbeitszeit bestimmen können, dafür solle eine „Wahlarbeitszeit zwischen 30 und 40 Wochenstunden“ eingeführt werden. Den Mindestlohn wollen die Grünen von derzeit 9,19 Euro auf zwölf Euro anheben.

Reaktionen

Die Pläne der Grünen sind nach Ansicht von SPD und Linken zu stark auf die klassischen Wähler der Ökopartei zugeschnitten: auf Städter und Akademiker mit gutem Einkommen. „Die große Mehrheit der Grünen will die Lenkungsfunktion zu klimaneutralem Handeln mit einem höheren Preis erreichen. Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, der Staat muss erst bestimmte Rahmenbedingungen auch und vor allem für Geringverdiener schaffen, damit die Gesellschaft umsteuern kann.

Ich spitze das mal zu: Die Grünen handeln neoliberal“, sagte SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich dem Berliner „Tagesspiegel“. „Womöglich hat das damit zu tun, dass ihre Wählerinnen und Wähler im Durchschnitt über ein hohes Einkommen verfügen.“ Auch Linke-Parteichef Bernd Riexinger warf den Grünen vor, sie betrieben Klientelpolitik für Besserverdiener.

Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) reagierte mit Skepsis. „Entscheidend ist für mich, dass keine unzumutbaren Belastungen entstehen, weder für die Bürger noch für die Wirtschaft“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. (afp/dpa)