Kommentar zu rechtem Terror„Es ist Zeit für einen Rechtsextremismus-Koordinator“
Menschen demonstrieren in Berlin gegen rechten Terror.
Copyright: picture alliance/dpa
- Nach dem Anschlag in Hanau steuert Deutschland auf eine Situation wie im „Deutschen Herbst“ 1977 zu, findet unser Autor.
- Die Herausforderungen heute seien jedoch ungleich größer.
- Deshalb sollte der Staat seiner Meinung nach sofort und entschieden gegen rechten Terror vorgehen und einen Rechtsextremismus-Koordinator einsetzen.
Die Bundesregierung sieht in der Verbreitung des Rechtsextremismus die größte Herausforderung für die Republik. Steuern wir also auf eine Situation wie im „Deutschen Herbst“ 1977 zu, als der linksextremistische RAF-Terrorismus über Wochen Politik und Gesellschaft in Atem hielt? Auch damals fühlten sich Terroristen und Extremisten getragen von einem linken Konsens. Damals galt der gewaltsame Umsturz in linken Kreisen als eine von mehreren akzeptierten Möglichkeiten.
Die Herausforderungen heute sind jedoch ungleich größer. Damals empörte sich die Öffentlichkeit über „klammheimliche“ Freude eines Einzelnen über die Ermordung des Generalbundesanwaltes. Heute ist Tausenden Rassisten jeglicher Anstand abhandengekommen, wenn sie im Angesicht der Toten von Hanau keinerlei Trauer verspüren, sondern ihre Hetze in den Kommentarspalten der Internetmedien sogar noch verstärken.
Die Humanität der Gesellschaft ist gefordert
Wenn eine für Opfer eingerichtete Hotline der Regierung beinahe lahmgelegt wird durch Anrufe von jenen, die mit dem Täter sympathisieren, dann geht das weit über Staat und Politik hinaus. Dann ist die Humanität der Gesellschaft heraufgefordert.
Gegen die seit Monaten unternommenen Schritte der Politik ist nichts einzuwenden. Wie sie mit einem neuen Gesetz wirksamer gegen Hass und Hetze vorgeht, beschreibt einen richtigen Weg. Aber bis die neuen Vorgaben im Gesetzblatt stehen, werden noch Monate vergehen. Und dann wird es weitere Monate dauern, bis die Behörden die neuen Möglichkeiten im Kampf gegen die Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas zu nutzen gelernt haben.
Der Staat muss jetzt schnell durchgreifen
Doch das Gift entfaltet jetzt seine Wirkung. Und deshalb muss jetzt entschieden die Entgiftung angegangen werden. Dass es bald schon bessere Durchgriffsrechte für die Behörden geben wird, darf nicht bedeuten, auch erst dann den administrativen Rahmen zu verbessern. Jetzt müssen die Länder darangehen, mit mehr Richtern, Staatsanwälten und Polizisten die Hetzer aus dem Netz zu ziehen und ihnen mit angemessenen Strafen nahebringen, was dieser Staat von ihrem Tun hält. Das hätte auch abschreckende Wirkungen über die direkt Betroffenen hinaus.
Das könnte Sie auch interessieren:
Die Strafverfolgung ist jedoch nur ein Aspekt. Viele weitere gehören dazu, die ebenfalls nicht auf die lange Bank geschoben werden dürfen. Deshalb brauchen wir jetzt viele runde Tische, an denen die Fachleute von Bund, Ländern und Institutionen auf unterschiedlichsten Gebieten zusammenkommen, um auf vielen Feldern schnellstmöglich nachschärfen zu können. Einer muss dabei den Überblick behalten und zugleich Antreiber sein. Deshalb ist es Zeit für einen Rechtsextremismus-Koordinator mit Arbeitsstab im Kanzleramt.