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Hamas-Chef SinwarIst sein Tod wirklich der Anfang vom Ende?

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Ein Massenmörder mit Keffije, dem Symbol-Tuch palästinensischer Nationalisten: Jahja Sinwar bei einem öffentlichen Auftritt im Dezember 2022.

Ein Massenmörder mit Keffije, dem Symbol-Tuch palästinensischer Nationalisten: Jahja Sinwar bei einem öffentlichen Auftritt im Dezember 2022.

Welche Folgen hat der Tod von Hamas-Chef Jahja Sinwar? Israels Ministerpräsident Netanjahu verkündet den Anfang vom Ende des Gaza-Krieges. Aber bedeutet das Frieden? Und was bewirkt Sinwars Tod für Netanjahu selbst?

Der Tod eines Menschen ist nie ein Grund zum Feiern. Auch nicht der Tod von Jahja Sinwar, der den größten Massenmord an Juden seit dem Holocaust ausführen ließ, der damit zugleich den Gaza-Krieg entfesselte und so bewusst extremes Leid über die Bevölkerung des Gazastreifens brachte und der schon zuvor für den Tod vieler Menschen auf beiden Seiten verantwortlich war.

Ja, der „Schlächter von Chan Junis“ – so hieß er wegen seiner Brutalität gegen angebliche Verräter – wurde nun selbst getötet. Nicht durch einen gezielten israelischen Angriff wie sein Kumpan Hassan Nasrallah im Libanon, sondern zufällig bei einer Razzia. Sinwar zog das Kämpfen bis zum Tod jeder weniger gewaltsamen Lösung vor. Nicht einmal für die Idee, die israelischen Geiseln freizulassen und freies Geleit in ein – beispielsweise algerisches – Exil zu erhalten, war der Hamas-Chef zu gewinnen.

Netanjahu erlebt einen Wiederaufstieg

Bringt sein Tod den Frieden näher? Er sei der Anfang vom Ende des Gaza-Krieges, tönt der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Der Mann also, dessen Fahrlässigkeit das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 begünstigt hat, der eigentlich keine politische Zukunft haben dürfte – und nun den Wiederaufstieg in Umfragen erlebt. Sinwars Tod wird das weiter befördern. Dabei hatte Netanjahu Sinwar und seine Hamas bis 2023 weitgehend gewähren lassen, um die legitime Palästinenserführung zu destabilisieren: das Gegenteil von Friedenspolitik.

Sinwars Tod mag nun im besten der vielen denkbaren Fälle andere Hamas-Führer demotivieren. Eine zentrale Führung dürfte die Organisation nicht mehr haben. Es könnte leichter werden, Terrornester zu beseitigen. Aber jeder tote oder gefangene Hamas-Mann ist Vater, Sohn, Bruder oder Onkel anderer Gaza-Bewohner. Stellen im öffentlichen Dienst, soziale Hilfen – alles hat die Hamas zugeteilt. Sie hat nicht nur die Häuser, sondern eine ganze Gesellschaft unterminiert. Selbst im besten aller Fälle wird Israel die Hamas-Reste auf Jahre hinaus militärisch niederhalten müssen, denn wo wäre die robuste multinationale Truppe, die das tun könnte? Ein Kleinkrieg dürfte die Folge sein, und das Fatale ist: So ein Kleinkrieg sichert das politische Überleben von Leuten wie Netanjahu. Von Leuten, die an einem friedlichen Ausgleich so wenig interessiert sind wie Extremisten auf der anderen Seite.