AboAbonnieren

Friedensplan oder Propaganda?Chinas Positionspapier zur Lösung des Ukraine-Krieges

Lesezeit 4 Minuten
24.02.2023, USA, New York: Dai Bing, stellvertretender Botschafter von China bei den Vereinten Nationen, spricht während einer Sitzung des Sicherheitsrates im Hauptquartier der Vereinten Nationen.

24.02.2023, USA, New York: Dai Bing, stellvertretender Botschafter von China bei den Vereinten Nationen, spricht während einer Sitzung des Sicherheitsrates im Hauptquartier der Vereinten Nationen.

Mit Spannung wurden Chinas Vorschläge für ein Ende des Krieges in der Ukraine erwartet. Jetzt liegt ein Positionspapier vor. Doch was treibt Peking wirklich um?

Zum Jahrestag des russischen Angriffs hat China am Freitag ein Positionspapier zur Beendigung des Krieges gegen die Ukraine vorgelegt. Peking fordert darin beide Seiten zu Verhandlungen auf, stellt sich selbst als neutral dar und verurteilt die Invasion nicht. Ein Überblick über die wesentlichen Inhalte des Zwölf-Punkte-Plans des Außenministeriums:

Souveränität wahren

„Die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder muss wirksam gewahrt werden“, heißt es in Punkt eins des Dokuments. Dass sich Russland dafür aus der Ukraine zurückziehen müsste oder was mit russischen besetzten Gebieten geschehen soll, wird nicht thematisiert.

Verhandlungen aufnehmen

Peking fordert Moskau und Kiew auf, wieder Friedensgespräche zu führen. „Dialog und Verhandlungen sind die einzig praktikable Lösung“, heißt es in dem Papier. Von der internationalen Gemeinschaft verlangt China, „den Konfliktparteien dabei zu helfen, so schnell wie möglich die Tür zu einer politischen Lösung zu öffnen, und Bedingungen und Plattformen für die Wiederaufnahme von Verhandlungen zu schaffen“. Alle Staaten sollten Russland und die Ukraine dabei unterstützen, „letztendlich einen umfassenden Waffenstillstand zu erreichen“.

Keine Atomwaffen

China warnt davor, Atomwaffen einzusetzen oder damit zu drohen. „Die Verbreitung von Atomwaffen muss verhindert und eine nukleare Krise vermieden werden“, heißt es. Zudem lehnt Peking „die Erforschung, Entwicklung und den Einsatz chemischer und biologischer Waffen durch jedes Land unter allen Umständen ab“ und ruft die Kriegsgegner auf, „das humanitäre Völkerrecht strikt einzuhalten und Angriffe auf Zivilisten oder zivile Einrichtungen zu vermeiden“.

Abkehr vom „Kalten Krieg“

Peking appelliert an alle beteiligten Parteien, „die Mentalität des Kalten Krieges aufzugeben“. Indirekt kritisiert die chinesische Führung die Nato, wenn sie erklärt, dass „die Sicherheit einer Region nicht durch die Stärkung oder Erweiterung von Militärblöcken erreicht werden sollte“ und dass „die legitimen Sicherheitsinteressen aller Länder ernst genommen werden müssen“. China verurteilt die USA und ihre Verbündeten immer wieder wegen der Waffenlieferungen an die Ukraine und wirft ihnen vor, damit zu den Stellvertreterkonflikten aus der Zeit des Kalten Krieges zurückzukehren. Das Papier missbilligt auch die Sanktionen des Westens gegen Russland. Diese würden „das Problem nicht lösen, sondern nur neue Probleme schaffen“.

Wirtschaftliche Folgen begrenzen

In mehreren Punkten befasst sich das Dokument damit, wie die Weltwirtschaft vor den weitreichenden Auswirkungen des Krieges geschützt werden kann. Chinas Regierung fordert alle Beteiligten auf, die Schwarzmeer-Getreide-Initiative aufrechtzuerhalten, um den Transport lebenswichtiger Güter zu ermöglichen. Zudem mahnt sie, „die Industrie- und Versorgungsketten stabil zu halten“ und „sich dagegen zu wehren, die Weltwirtschaft als Waffe für politische Zwecke zu nutzen“.

Internationale Reaktionen

Kiew reagierte ablehnend auf das Papier aus Peking. „Wenn es tatsächlich neutral ist, dann sollte China mit beiden Seiten sprechen“, sagte ein Vertreter der ukrainischen Botschaft in China und kritisierte, dass Peking bislang vor allem mit Moskau Gespräche führe. „Jeder ,Friedensplan‘, der nur einen ,Waffenstillstand‘ und infolge dessen eine neue Trennlinie und die Besetzung von Gebieten vorsieht, handelt nicht von Frieden“, schrieb der Berater im ukrainischen Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, auf Twitter. Es handele sich vielmehr um ein „Einfrieren des Krieges“, um „nächste Etappen des Völkermords“ – und daher einer Niederlage. Der Leiter des Auswärtigen Ausschusses im Parlament, Olexander Mereschko, nannte das Dokument eine „Propaganda-Aktion“.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete Chinas Initiative als „nicht sehr glaubwürdig“, da Peking die russische Invasion nicht verurteilt habe. Das Papier könne bei Punkt eins aufhören, sagte der nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan: Weder die Ukraine noch die Nato oder die USA hätten Russland angegriffen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderte China auf, auch mit der Ukraine über seine Absichten zu sprechen. Es sei zwar kein Friedensplan, dennoch gebe es in dem Papier interessante Beobachtungen.

Die Bundesregierung begrüßte es grundsätzlich, dass China als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats „eigene Ideen vorgestellt hat“, wie Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner betonte. Allerdings fehle etwa ein russischer Truppenrückzug. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte, jeder konstruktive Vorschlag, „der uns dem Weg zum gerechten Frieden näher bringt, ist hochwillkommen“. Ob aber „China eine solche konstruktive Rolle spielen will, ist fraglich“. (afp/dpa)