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Frage des TagesSoll Deutschland Kinder von IS-Anhängern aufnehmen?

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Kinder auf der Flucht in Syrien. (Archivbild)

  1. Wegen des kaum zu kalkulierbaren Sicherheitsrisikos verwehren Deutschland und andere Länder früheren IS-Kämpfern die Einreise.
  2. Doch was wird aus den Kindern von deutschen Dschihadisten?
  3. Vier von ihnen durften am Montag nach Deutschland zurückkehren.

Istanbul – Der Umgang mit deutschen Dschihadisten in Syrien und dem Irak bereitet der Bundesregierung seit Monaten Kopfzerbrechen. Wie andere europäische Staaten lehnt Deutschland die Rücknahme früherer Kämpfer der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) ab, da sie ein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko darstellen.

Auch deutsche Frauen, die sich der Extremistengruppe angeschlossen haben, und ihre Kinder will Deutschland nur in Einzelfällen aufnehmen. Nun wurde vier deutschen Kindern - drei Waisen und einem schwer kranken Halbwaisen - die Ausreise aus Syrien nach Deutschland erlaubt, wie das Auswärtige Amt in Berlin am Montag bestätigte.

Wie viele Deutsche sind im Konfliktgebiet?

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Kinder in einem Flüchtlingslager an der türkisch-irakischen Grenze. (Archivbild)

Seit 2013 reisten rund 1050 Deutsche ins Kriegsgebiet. Ein Drittel kehrte später in die Bundesrepublik zurück, rund 200 IS-Anhänger kamen ums Leben. Nach Angaben der Bundesregierung vom Jahresbeginn befindet sich noch eine „mittlere zweistellige Zahl“ deutscher IS-Kämpfer in den syrischen Kurdengebieten in Haft. In irakischen Gefängnissen werden zudem mehrere deutsche Staatsbürger konsularisch betreut. Es wurde erwogen, deren ebenfalls in Haft befindliche Kinder zu Verwandten nach Deutschland zu holen.

Wie ist die Rechtslage?

Zwar hat jeder deutsche Staatsbürger ein Recht auf Rückkehr in die Heimat. Doch muss die Staatsbürgerschaft nachgewiesen werden können. Da es in den syrischen Kurdengebieten kein Konsulat gibt, ist dies schwierig. Grundsätzlich droht erwachsenen IS-Anhängern bei einer Rückkehr nach Deutschland ein Verfahren. Denn die Mitgliedschaft in der IS-Miliz sowie die Ausreise zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sind strafbar. Im Einzelfall ist ein Nachweis aber oft schwierig.

Wie ist die Haltung der Bundesregierung?

Die Bundesregierung lehnt die pauschale Rücknahme deutscher IS-Anhänger und ihrer Kinder ab. Auch argumentierte sie stets damit, dass eine Kooperation mit der kurdischen Selbstverwaltung im Nordosten Syriens zur Rücknahme deutscher Staatsbürger nicht möglich sei, da sie kein anerkannter Staat ist. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat gefordert, frühere IS-Anhänger vor einem internationalen Strafgerichtshof den Prozess zu machen. Grüne und Linke verlangten dagegen, sie vor deutsche Gerichte zu stellen.

Was wollen die Angehörigen?

Die Familien der ausgereisten IS-Anhänger fordern, dass deren Kinder aus Syrien und dem Irak zurückgeholt werden. Die Großeltern zweier Waisenkinder reichten daher Klage ein. Bei dem Prozess sagte die Bundesregierung Ende Mai zu, „besonders schutzwürdige Kinder“ aus den Flüchtlingslagern in Syrien zu holen. Ein jesidischer Verband stellte dagegen Strafanzeige gegen die Bundesregierung, weil sie verhindere, dass deutsche IS-Kämpfer für ihre Verbrechen in Deutschland zur Rechenschaft gezogen werden.

Wer konnte bisher zurückkehren?

Anfang April erlaubte die Bundesregierung erstmals die Rückkehr einer „hohen einstelligen Zahl“ von Kindern von IS-Anhängern sowie der Mutter von drei dieser Kinder. Die 31-Jährige wurde bei der Einreise in Stuttgart festgenommen. Details, woher die Frau und die Kinder kamen, nannte die Bundesregierung zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen nicht.

Am Montag nahmen Mitarbeiter des deutschen Generalkonsulats in Erbil an der syrisch-irakischen Grenze die vier deutschen Kinder von IS-Kämpfern in Empfang. Nach Angaben der kurdischen Behörden handelte es sich um drei Mädchen und einen Jungen, alle unter zehn Jahre alt. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts gab an, die Kinder hätten sich bislang in Nordsyrien in Gewahrsam befunden und sollten nun an Angehörige übergeben werden. Von Erbil aus „reisen Kinder und Angehörige nach unserer Kenntnis nach Deutschland aus“, erklärte die Sprecherin.

Nach Informationen des Magazins „Der Spiegel“ handelt es sich um die Kinder von zwei getöteten IS-Anhängerinnen aus Baden-Württemberg und Hessen. Laut „Bild“-Zeitung durfte außerdem die neun Monate alt Tochter einer Berlinerin ausreisen. Das Baby leidet den Berichten zufolge an gefährlichen Wassereinlagerungen im Kopf, die Mutter bleibt demnach im Gefangenenlager.

Der Rückführung der drei Waisenkinder war laut „Spiegel“ und „Bild“ eine Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts vorausgegangen. Es hatte die Bundesregierung im Juli in einem Eilverfahren aufgefordert, die drei Kinder nach Deutschland zurückzuholen. (afp)