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Ja zu Finnland, nein zu Schweden?Was Erdogan mit seiner Strategie bewirken will

Lesezeit 4 Minuten
Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei.

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei.

Erdogan will die Skandinavier in der Frage des Nato-Beitritts offenbar spalten – der Druck auf Stockholm wächst. Was der türkische Präsident damit bewirken will, klärt unsere Analyse zum Thema.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist ein Meister darin, seine Gegner auseinanderzudividieren. Das demonstriert er nicht nur in der türkischen Innenpolitik, wo er vor den Wahlen im Mai die Opposition spaltet. Auch in der Außenpolitik kann Erdogan damit punkten: Indem er jetzt andeutet, dass er den Beitritt Finnlands zur Nato akzeptieren und Schweden ablehnen könnte, treibt er die Nachbarländer auseinander und isoliert Schweden.

Erdogans Prinzip: „Teile und herrsche“

In seinen zwei Jahrzehnten an der Macht hat Erdogan das Prinzip „Teile und herrsche“ schon oft zu seinem Vorteil genutzt. Mal paktierte der heute 68-Jährige mit den Islamisten des Predigers Fethullah Gülen, um die politische Macht der Militärs zu brechen, mal arbeitete er mit der Kurdenpartei HDP zusammen, um sich eine Mehrheit ohne Nationalisten zu sichern. Seit einigen Jahren ist er mit ebenjenen Nationalisten verbündet und strebt ein Verbot der HDP an.

Nun steht Erdogan laut den Umfragen bei den Mai-Wahlen vor einer großen Herausforderung: Die Wirtschaft läuft schlecht, die Inflation ist hoch, viele Türken wenden sich von ihm ab. Doch gewonnen hat das Bündnis aus sechs Oppositionsparteien, das gegen Erdogan antreten will, noch lange nicht.

Der Präsident unternimmt alles, um die Oppositionsparteien gegeneinander auszuspielen. So wirft er dem Oppositionsbündnis vor, mit der HDP gemeinsame Sache machen zu wollen. Seine Gegner fürchten den Vorwurf einer Zusammenarbeit mit den politischen Vertretern der Kurden so sehr, dass sie die HDP auf Distanz halten. Damit verhindert Erdogan eine sonst sichere Niederlage: Mit der HDP im Boot wäre ein Sieg der Opposition im Mai garantiert.

Erdogan nutzt den Riss zwischen Finnland und Schweden aus

Auf internationaler Bühne geht Erdogan ähnlich vor. Voriges Jahr konfrontierte er die Regierungen der Nato-Beitrittskandidaten Finnland und Schweden mit der Forderung, sie sollten türkische Dissidenten ausliefern und ihre Gesetze ändern, um anti-türkische Proteste in ihren Ländern unterbinden zu können. Von Anfang an richteten sich Erdogans Bedingungen vor allem an Schweden, das eine wesentlich größere kurdische Minderheit hat als Finnland.

Monatelange Dreier-Gespräche zwischen Türkei, Finnland und Schweden brachten kein Ergebnis, weil einige der türkischen Forderungen in einem europäischen Rechtsstaat nicht zu erfüllen sind. So verlangt Erdogan von Schweden die Auslieferung von mehr als 100 türkischen Dissidenten – doch die Gerichte verhindern das, weil die Betroffenen nach westlichem Verständnis keine „Terroristen“ sind.

Jetzt rückt Finnland von der gemeinsamen Bewerbung mit Schweden ab, denkt laut darüber nach, der Nato alleine beizutreten, und kritisiert das Nachbarland, weil es anti-türkische Protestaktionen toleriere. Der finnische Außenminister Pekka Haavisto, der den Alleingang seines Landes angedeutet hatte, korrigierte seine Worte zwar noch, aber es war zu spät: Die Differenzen zwischen Helsinki und Stockholm ließen sich nicht mehr wegdiskutieren.

Erdogan tut sein Bestes, um diesen Riss für sich zu nutzen. Möglicherweise werde er dem finnischen Nato-Antrag zustimmen und damit Schweden „schockieren“, sagte er am Sonntagabend. Erdogan weiß, dass Finnland es wegen seiner 1300 Kilometer langen Grenze mit Russland besonders eilig hat, unter den Schutzschirm der westlichen Militärallianz zu kommen. Wenn es dem türkischen Präsidenten gelingt, das finnisch-schwedische Tandem bei der Nato-Bewerbung aufzubrechen, wächst der Druck auf Stockholm, alle türkischen Forderungen zu erfüllen.

Am Montag wandte sich Finnland allerdings erneut an die Türkei. An der finnischen Linie, der Nato gemeinsam mit Schweden beitreten zu wollen, ändere sich durch die Aussagen nichts, versuchte Präsident Sauli Niinistö in der Zeitung „Helsingin Sanomat“ die Wogen zu glätten. Auch Außenminister Haavisto machte gestern nochmals klar, dass Finnland gleichzeitig mit Schweden in die Nato wolle. Er hoffe darauf, dass beide Länder noch vor dem Nato-Gipfel im Juli in Vilnius Mitglieder würden.

Dessen ungeachtet kann Erdogan schon jetzt die Differenzen der Skandinavier im türkischen Wahlkampf nutzen, um sich als mächtiger Staatsmann zu präsentieren, der über das politische Schicksal westeuropäischer Länder entscheidet: Er kann Finnland zappeln lassen und Schweden bestrafen – oder auch nicht. Im Kreis der Nato-Länder macht er sich damit nicht beliebt, aber das muss ihn nicht stören, denn konkrete Sanktionen hat er nicht zu befürchten. Der Keil, den er zwischen Finnland und Schweden getrieben hat, dürfte ihm nicht schaden – kann ihm aber viel nützen.