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Tausende AustritteDie evangelische Kirche im Rheinland schrumpft

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Düsseldorf: Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, bei einem Gottesdienst zu seiner Amtseinführung 2021.

Düsseldorf: Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, bei einem Gottesdienst zu seiner Amtseinführung 2021.

Die rheinische evangelische Kirche hat 2022 einen starken Anstieg der Austrittszahlen verzeichnet. Der Präses der rheinischen Protestanten äußert sich zu den „erschreckenden “Zahlen.

Die evangelischen Kirchen in Nordrhein-Westfalen verlieren weiterhin stark an Mitgliedern. Im vergangenen Jahr waren es bei der Landeskirche im Rheinland (Ekir) etwa 45300 Menschen, wie diese am Dienstag in Düsseldorf mitteilte. Im Jahr 2021 hatten die Kirche im Rheinland 33191 Menschen verlassen, 2020 waren es 22283, und 2019 gab es insgesamt 29373 Austritte. Ende 2022 zählte sie nun 2,26 Millionen Mitglieder. 2021 waren noch 2,33 Millionen evangelische Christen in dieser Kirche organisiert.

Die Evangelische Kirche von Westfalen (EKvW) hatte Ende des Jahres noch knapp über 2 Millionen Mitglieder. Das ist ein Minus von 2,7 Prozent, wie die Kirchenleitung in Bielefeld mitteilte. In Westfalen traten im Jahr 2022 rund 32000 evangelische Christen aus der Kirche aus.

Präses der rheinischen Protestanten sieht einen Kontaktverlust

Die Angaben beruhen auf Hochrechnungen nach Auswertung eines großen Teils der Meldungen aus den Gemeinden. Belastbare Zahlen soll es frühestens im Spätsommer geben.

Die Evangelische Kirche (EKD) in Deutschland hatte am Dienstag ihre bundesweite Mitgliederstatistik für 2022 vorgelegt. Ekir und EKvW sind zwei der 20 Gliedkirchen der EKD. Das Gebiet der rheinischen Kirche erstreckt sich über Teile der Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen. Die Evangelische Kirche zu Westfalen deckt den westfälischen Landesteil ab. Lippe hat eine eigene Kirche.

Der Präses der rheinischen Protestanten, Thorsten Latzel, erklärte, die hohe Zahl von Kirchenaustritten sei Folge eines Kontaktverlustes. „Es gehen Menschen, die sich bei uns nicht mehr beheimatet fühlen.“ Die „erschreckenden Zahlen“ nehme die Evangelische Kirche im Rheinland sehr ernst. „Wir werden die Strukturen unserer Kirche so verändern, dass wir uns den Menschen stärker zuwenden können“, kündigte der Präses an. Kirche müsse zunehmend konsequent von den Menschen her gedacht werden „und nicht von unseren Angeboten“.

Latzel sagte zur Bedeutung des Missbrauchsskandals für die Entscheidung zu einem Kirchenaustritt, sexualisierte Gewalt und der Umgang damit hätten viele Menschen verletzt, enttäuscht und ihr Vertrauen in die Institution Kirche schwer erschüttert. Die Ekir setze alles daran, Missbrauchserfahrungen aufzuarbeiten und weitestmöglich zu verhindern.

Zahl der Taufen steigt indessen

Für 2022 vermeldete die evangelische Landeskirche im Rheinland außerdem 18100 Taufen. Das war eine deutliche Zunahme nach 12299 im Jahr 2021 und 8771 im Corona-Jahr 2020. Außerdem wurden im vergangenen Jahr 2700 Menschen in die protestantische Gemeinschaft aufgenommen. Die Zahl der Sterbefälle wurde mit 44900 angegeben.

Auch in Westfalen gab es bei 15700 ein deutliches Plus bei den Taufen (36 Prozent). 1760 Menschen traten neu ein. Laut EKvW ist der demografische Wandel einer der Faktoren für den Rückgang bei den Mitgliederzahlen, denn mit 37000 starben 2022 erneut mehr als im Jahr zuvor.

Bundesweit sank die Zahl der evangelischen Kirchenmitglieder laut EKD um 2,9 Prozent auf 19,15 Millionen Menschen. 2021 betrug der Rückgang demnach noch 2,6 Prozent. Insgesamt verließen im vergangenen Jahr 380000 Menschen die Kirche, auch dies eine deutliche Steigerung. Die Sterbefälle lagen mit 365000 zudem weiter auf einem hohen Niveau. Bei der Zahl der Taufen gab es 2022 hingegen einen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr um 37 Prozent. Sie erreichten mit 165000 wieder ein ähnliches Niveau wie vor der Corona-Pandemie.

„Die jüngste Entwicklung der Mitgliedschaftszahlen ist bedrückend nicht zuletzt für alle, die sich haupt- und ehrenamtlich in der evangelischen Kirche engagieren“, so die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus. Um den Austritten entgegen zu wirken, solle künftig deutlicher gemacht werden, welchen Wert die Kirchenmitgliedschaft für die Gemeinschaft und das Zusammenleben in der Stadt und auf dem Land habe. Etwa wäre das gesellschaftliche Klima ohne Seelsorge und Diakonie ein anderes. (dpa)