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Debatte in der EUWie viel Schutz braucht der Wolf wirklich?

Lesezeit 4 Minuten
Ein Wolf steht auf einem Felsen.

Ein Wolf (Symbolbild)

Immer mehr Wölfe leben in den EU-Mitgliedsländern, und immer häufiger kommt es zu Problemen. Nun gibt es einen neuen Vorstoß.

Es braucht nicht viel Fantasie, um das Thema Wolf als eine Herzensangelegenheit von Ursula von der Leyen auszumachen. Im Sommer vergangenen Jahres wurde ihr 30 Jahre altes Pony „Dolly“ im heimischen Burgdorf in der Region Hannover von einem Wolf gerissen. „Fürchterlich mitgenommen“ reagierte die Familie der EU-Kommissionspräsidentin damals.

Appell des EU-Parlamants

Doch nicht nur die Brüsseler Behördenchefin treibt der Lupus um. Angesichts der wachsenden Wolfspopulation in vielen Mitgliedstaaten appellierte das Europa-Parlament bereits zwei Mal an die Kommission, die aktuelle Regelung zu überarbeiten. Großraubtiere wie Wölfe, Braunbären oder Luchse stehen seit 1992 EU-weit unter strengem Schutz im Rahmen der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, die „alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung“ dieser Tiere in freier Wildbahn verbietet. Nun wurde der Druck von Seiten vieler EU-Abgeordnete wie auch Bauern und Betroffenen so groß, dass die Kommission einlenkte – zumindest ein bisschen.

„Die Konzentration von Wolfsrudeln in einigen europäischen Regionen ist eine reale Gefahr geworden für Viehherden und potenziell auch für Menschen“, sagte von der Leyen Anfang der Woche und kündigte an, bis zum 22. September über eine zentrale Meldestelle systematisch Daten aus ganz Europa zusammenzutragen. „Je mehr Daten wir von lokaler und regionaler Ebene über Bestände und Ereignisse mit Wölfen bekommen, desto genauer das Bild, desto einfacher die Überprüfung des Schutzstatus“, so die Deutsche. Nach der Auswertung wolle die Behörde entscheiden, ob sie einen Vorschlag zur Herabsetzung des Schutzstatus unterbreitet. Das soll spätestens Ende des Jahres der Fall sein.

Gleichwohl rief von der Leyen lokale und nationale Behörden „nachdrücklich“ dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, „wo immer es erforderlich ist“. Die heute geltenden EU-Regeln sähen solche Befugnisse ausdrücklich vor. „Deutschland gehört zu den Ländern, das in keinster Weise die Möglichkeiten ausschöpft, insbesondere was Problemwölfe betrifft“, monierte der CDU-Europaabgeordnete und Vorsitzende des Agrarausschusses im EU-Parlament, Norbert Lins, gegenüber dieser Zeitung und kritisierte die Bundesumweltministerin Steffi Lemke, die „das Thema hintertreibt, so gut es geht“. Erst kurz vor der Ansage aus Brüssel habe die Grüne in der Tageszeitung „Die Welt“ angekündigt, Abschüsse schneller und unbürokratischer zu ermöglichen – insbesondere, wenn Wölfe Schafe gerissen hätten.

Könnte die EU am Ende tatsächlich am Schutzstatus rütteln?

Der Deutsche Bauernverband (DBV) will am heutigen Mittwoch in Brüssel „für den Erhalt der Weidetierhaltung und ein aktives Wolfsmanagement“ demonstrieren, während sich die Ministerpräsidenten der Bundesländer ebenfalls in der belgischen Hauptstadt treffen.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil befürwortet bereits seit längerem ein regionales Bestandsmanagement, das heißt, dass Tiere in bestimmten Gegenden bei problematischem Verhalten aus einem Rudel heraus abgeschossen oder umgesiedelt werden dürfen. „Es gibt deutschlandweit ganz bestimmt weiter Bedarf nach einem Schutz des Wolfes, aber es gibt Regionen, die haben schon jetzt eine problematische Überpopulation“, sagte der SPD-Politiker am gestrigen Dienstag vor dem Start der zweitägigen Ministerpräsidentenkonferenz, wo das Thema auf der Agenda stehen wird. Es gehe um die Frage: „Wie kommen wir dazu, dass wir den Artenschutz wahren, aber auf der anderen Seite in überlasteten Regionen intervenieren können?“Agrarpolitiker erleichtertIn Deutschland sind insbesondere Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen betroffen. Die Agrarpolitiker der europäischen CDU/ CSU-Gruppe zeigten sich erleichtert über die Ankündigung aus der Kommission. Die Behörde mache „einen klaren Schritt in Richtung der europäischen Landwirtschaft“, sagte Norbert Lins.

Allein in Deutschland sei die Zahl der Wölfe in den letzten 20 Jahren auf über 1500 Tiere gestiegen, weshalb die Gefahr „klar benannt werden“ müsse. Es gelte dafür zu sorgen, „die Sicherheit im ländlichen Raum in Zukunft wieder zu garantieren“, so der Christdemokrat. Fast jeder dritte Wolf lebt in Niedersachsen. „Besser spät als nie“, begrüßte der EU-Abgeordnete Jens Gieseke (CDU) denn auch die Pläne der Kommission, die „endlich“ Druck auf die Mitgliedstaaten ausübe. „Den schwarzen Peter kann man jetzt nicht mehr nach Brüssel schieben“, so der Niedersachse. Die Umweltminister in Bund und Land müssten nun „ihre Verweigerungshaltung aufgeben und praktikable Lösungen anbieten“. Der CSU-Europaparlamentarier Markus Ferber bezeichnete die Beibehaltung des Schutzstatus des Wolfs als „absolut realitätsfern“. Für die betroffenen Betriebe sei klar, dass weder Herdenschutzhunde noch kilometerweise Schutzzäune das Allheilmittel darstellten. „Ein Problemwolf muss notfalls auch geschossen werden dürfen“, so Ferber. Der EU-Abgeordnete Peter Liese (CDU) pflichtete ihm bei: „Der Wolf darf nicht über dem Menschen und auch nicht über den Interessen der Weidetierhaltern stehen.“