EssenMassive Proteste gegen AfD-Parteitag – Politiker unter Polizeischutz aus Bäckerei geführt

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Tausende Menschen demonstrieren gegen den AfD-Parteitag in Essen.

Tausende Menschen demonstrieren gegen den AfD-Parteitag in Essen.

Mit Sitzblockaden haben Aktivisten versucht, den AfD-Parteitag in Essen zu verhindern. Die Polizei griff teils rigoros durch. Zehntausende beteiligen sich an friedlichen Protesten.

Mit einer Mischung aus buntem Protest und aggressivem Widerstand haben Demonstranten in Essen gegen den Beginn des AfD-Bundesparteitags protestiert. Aktivisten versuchten am Samstag mit Straßenblockaden, die Delegierten an der Anreise zu hindern. Immer wieder kam es zu Rangeleien mit der Polizei, die setzte teilweise Schlagstöcke und Pfefferspray ein.

Einige Delegierte wurden unter massivem Polizeischutz zu Fuß durch die aufgebrachte Menge in die Grugahalle gebracht, in der die AfD-Delegierten zusammenkamen. Der Parteitag begann nur leicht verspätet.

Nach Angaben der Polizei sollen bei Störkationen von Gegnern mehrere Polizeibeamte leicht verletzt worden sein. Es handele sich um eine noch nicht genau bekannte Zahl von Polizistinnen und Polizisten im einstelligen Bereich, sagte eine Polizeisprecherin am Mittag. Die Kräfte seien an mehreren Orten in der Stadt bei verschiedenen Störaktionen verletzt worden. Auch Aktivistinnen und Aktivisten sollen verletzt worden sein.

Zehntausende Menschen bei Demonstrationen in Essen erwartet

Ab dem späten Vormittag dominierte dann der friedliche Protest: Zehntausende - darunter viele Familien - beteiligten sich an einer großen Demonstration durch die Stadt. Die Einsatzkräfte hatten sich auf bis zu 100.000 Teilnehmer an den zahlreichen Aktionen gegen den AfD-Parteitag während des Wochenendes eingestellt. Wie viele tatsächlich gekommen sind, dazu gab es am Samstag noch keine genauen Angaben.

Demonstranten und Polizeibeamte auf der Rüttenscheider Straße.

Demonstranten und Polizeibeamte auf der Rüttenscheider Straße.

Man gehe von rund 20.000 Teilnehmenden aus, hieß es am Samstag aus dem Innenministerium. Hinzu kämen weitere Protestveranstaltungen mit tausenden Menschen. Das Aktionsbündnis Gemeinsam Laut hatte zu der Großdemonstration aufgerufen. Vom Essener Hauptbahnhof setzte sich am Morgen ein Protestzug in Gang, der sich am frühen Mittag vorbei an der Grugahalle - dem AfD-Tagungsort - zu einem Messeparkplatz bewegte, wo ab Mittag eine Großveranstaltung mit bis zu 45.000 erwarteten Teilnehmerinnen und Teilnehmern stattfinden sollte.

AfD-Parteitag in Essen: Aktivisten blockieren Straßen und Kreuzungen

Ein Polizeisprecher sagte, genaue Zahlen oder Angaben zum Verlauf des Demonstrationszugs könne man nicht machen. Es gebe mehr als 30 Gegenveranstaltungen zur AfD am Samstag, da seien keine „trennscharfen, validen Zahlen“ zu den einzelnen Protestaktionen möglich. Die Großdemo sei ohne besondere Vorkommnisse störungsfrei verlaufen. Ein Sprecher von Gemeinsam Laut sagte: „Wir sind richtig, richtig, richtig viele - und wir sind sehr, sehr, sehr laut.“ Gemeinsam Laut ist ein Bündnis aus mehreren Gruppen wie Aufstehen gegen Rassismus oder Essen stellt sich quer.

Unweit der Grugahalle löst die Polizei eine Sitzblockade auf.

Unweit der Grugahalle löst die Polizei eine Sitzblockade auf.

Schon am frühen Samstagmorgen hatte die Initiative Widersetzen dazu aufgerufen, den AfD-Delegierten mit Sitzblockaden den Weg zum Parteitag zu versperren. Mehrere Stunden besetzten die Aktivisten Straßen und Kreuzungen.

Die Polizei versuchte mit mehreren tausend Beamten, die wichtigsten Zufahrten zur Grugahalle freizuhalten. Einige Blockierer wurden von der Polizei weggetragen. An einer Kreuzung habe eine Personengruppe versucht, eine Polizeiabsperrung zu überwinden, teilten die Einsatzkräfte mit. Kräfte einer Hundertschaft hätten dies mit Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken unterbunden. Mehrere Rettungswagen seien angefordert worden, sagte ein Polizeisprecher. Mehrere Vertreter der Aktivisten kritisierten die Polizei für ein zu hartes Vorgehen.

Polizei führt AfD-Politiker aus Bäckerei

In einer Einkaufsstraße in der Nähe der Grugahalle postierten sich Demonstranten vor einer Bäckerei, in der sich AfD-Politiker aufhielten. Kräfte einer Einsatzhundertschaft hätten die Politiker herausgeführt, sagte ein Polizeisprecher.

Delegierte der AfD werden unter Polizeischutz in die Grugahalle gebracht.

Delegierte wurden unter Polizeischutz in die Grugahalle gebracht.

Der Parteitag begann schließlich mit rund einer halben Stunde Verspätung. Die Initiative Widersetzen wertete das als einen Erfolg ihrer Blockaden. AfD-Vorsitzende Alice Weidel übte heftige Kritik an den Protesten. „Das, was sich da draußen abspielt, hat mit Demokratie nichts zu tun“, sagte sie zum Beginn des Parteitags.

Aus Sorge vor einer Störung des Parteitags sicherte die Polizei die Grugahalle zu allen Seiten mit massiven Kräften ab. An den zentralen Zugängen waren Wasserwerfer postiert. Linksextremisten hatten zuvor mit gewaltsamen Aktionen gegen die AfD-Veranstaltung gedroht.

Zehntausende ziehen bei bunter Demo durch Essen

Am späten Vormittag begannen dann die Proteste des gemäßigten Lagers. Der zentrale Demonstrationszug durch die Stadt erstreckte sich auf mehreren Kilometern Länge. Viel Teilnehmer hatten bunte Plakate gebastelt, demonstrierten gegen Intoleranz und Rechtsextremismus.

Eine Gruppe von Demonstranten steht der Polizei gegenüber.

Eine Gruppe von Demonstranten steht der Polizei gegenüber.

Bei einer zentralen Versammlung am Nachmittag wollen unter anderem Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU), Evonik-Vorstandschef Christian Kullmann und die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Anna-Nicole Heinrich, sprechen. Ab dem späten Nachmittag ist ein Musikprogramm geplant. 

Die AfD veranstaltet in der Essener Grugahalle am Samstag und Sonntag ihren Bundesparteitag - und anderem mit Neuwahlen des Vorstands. Die Stadt Essen hatte monatelang nach Möglichkeiten gesucht, den AfD-Parteitag noch zu verhindern - war damit aber letztlich vor Gericht gescheitert. (dpa)

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