Hudson Luis aus Köln engagiert sich im neu gegründeten Bürgerrat für Ernährung. Im Gespräch mit der Rundschau verrät er, was er von dem Gremium erwartet.
Neues GremiumSo erlebt ein Kölner die Arbeit im Bürgerrat „Ernährung im Wandel“
Sein Interesse an den Themen Umwelt, Lebensmittel und Ernährung ist während der Corona-Pandemie so richtig erwacht, sagt Hudson Luis. „Ich bin in dieser Zeit viel Wandern gegangen, habe die Patenschaft für eine Kuh übernommen und habe auch meinen Jagdschein gemacht“, berichtet der 32-jährige Kölner.
Dann erreichte ihn im Juni 2023 die Anfrage, ob er Interesse habe, Teil des neuen Bürgerrats zu werden. Dieses vom Parlament beschlossene Gremium, das aus zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern besteht, soll mithilfe von Experten Vorschläge und Empfehlungen für die Gesetzgeber erarbeiten und so mehr Teilhabe der Menschen an der Politik ermöglichen. Thema: „Ernährung im Wandel.“ Luis sagte zu und wurde in der zweiten Auswahlrunde aus insgesamt rund 2000 möglichen Kandidaten per Losverfahren in den Bürgerrat gewählt.
160 Mitglieder hat dieser nun insgesamt, Ende September trat er das erste Mal offiziell in Berlin zusammen. Bis Februar 2024 wird der Bürgerrat nun in insgesamt neun Sitzungen, die sowohl digital als auch in Präsenz in Berlin stattfinden, zusammenkommen und ihre Ideen für eine klima- und tierfreundliche und nachhaltige Ernährung diskutieren.
Die so erarbeiteten Handlungsempfehlungen werden Ende Februar an den Bundestag übergeben und sollen dann in die parlamentarischen Beratungen einfließen. Ob die Empfehlungen dann aber auch tatsächlich umgesetzt werden, entscheiden die Abgeordneten.
Hauptberuflich arbeitet Ratsmitglied Hudson Luis im Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen. Im Leitungsstab des Büros von Ministerin Silke Gorißen ist er dort für die Abstimmung zwischen den Ressorts und organisatorische Aufgaben zuständig.
Experten unterstützen Ratsmitglieder
An seiner neuen Arbeit im Bürgerrat gefalle es ihm besonders, mit vielen verschiedenen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen zusammenzuarbeiten: „Ich finde es schade, wenn man immer nur unter Akademikern quatscht, das vernebelt ein bisschen den Blick“, sagt Luis. „Es ist auch gut, dass wir generationenübergreifend nach Lösungen suchen.“
Im Bürgerrat sitzen Menschen mit unterschiedlichster geografischer Herkunft, Geschlecht, Alter und Bildungsstand. Auch Vegetarier und Veganer sind vertreten. Ein Algorithmus hat in der zweiten Auswahlrunde möglichst ausgewogene Zusammensetzungen der 2000 Kandidaten ermittelt, damit alle Bevölkerungsgruppen im Rat repräsentiert werden.
Nach dem Kennenlernen in der ersten Sitzung im September wurde es dann ernst für die Mitglieder: Zunächst galt es, sich innerhalb des breit gefächerten Themas Ernährung auf einige inhaltliche Schwerpunkte zu einigen. „Mir war zum Beispiel das Thema Wertschätzung der Landwirtschaft sehr wichtig“, sagt Luis. „Wie kommen die Landwirte über die Runden, und wie wird unser Essen eigentlich produziert?“
Bürgerrat arbeitet in kleinen Gruppen
Damit konnte er sich aber nicht ganz durchsetzen: Die Mitglieder des Bürgerrats haben festgelegt, dass es vorrangig um Tierwohl, Bezahlbarkeit von Lebensmitteln und Labelling, also verschiedene Kennzeichnungen von Lebensmitteln gehen soll. Hierbei soll unter anderem besprochen werden, wie für den Konsumenten klarer erkennbar wird, unter welchen Umständen ein Tier vor seiner Schlachtung gelebt oder welchen CO2-Fußabdruck ein Produkt hat.
Zu jedem einzelnen Thema halten Experten dann Fachvorträge für die Mitglieder des Bürgerrats. Diese wiederum finden sich dann in Kleingruppen zu acht bis neun Menschen zusammen, um mit dem Input der Spezialisten im Hinterkopf über die einzelnen Punkte zu beraten und sich auszutauschen. „So langsam werden wir auch warm miteinander“, berichtet Luis. Die Ergebnisse der Beratungen werden aufgezeichnet und zusammengefasst.
Nach jeder Sitzung werden die Kleingruppen dann neu gemischt, damit nicht immer dieselben Leute zusammenarbeiten und auch mal andere Meinungen und Sichtweisen aufeinandertreffen. Auch wenn er die Arbeit im Bürgerrat spannend findet, betrachtet Hudson Luis sie doch mit einem realistischen Blick: „160 Leute werden nicht das Rad neu erfinden“, sagt Luis. „Und es gibt gerade auch andere wichtige Themen in der Welt, das muss man einfach hinnehmen.“
Wichtig sei, mit anderen im Diskurs zu bleiben und sich auch mal überzeugen zu lassen. „Es nützt mir nichts, wenn mir andere Leute sagen, was für ein toller Typ ich bin und was ich für eine tolle Meinung habe“, sagt Luis. „Vielmehr würde mich doch interessieren, warum die anderen so denken, wie sie denken. Vielleicht sagen wir auch am Ende des Tages: Ok, wir kommen heute nicht mehr zusammen. Das fände ich auch vollkommen in Ordnung.“
Er wünsche sich jedoch, dass die Vorschläge, die der Bürgerrat erarbeitet, am Ende ganz konkret sind und nicht nur an der Oberfläche eines Problems kratzen. „Dass wir für Tierwohl und gegen Verschwendung von Lebensmitteln sind, wissen wir alle. Aber wie genau kommen wir da zu einer Lösung?“ Dafür will er sich im Bürgerrat besonders einsetzen.
Ein Problem gibt es allerdings noch: Die nächste Präsenzsitzung in Berlin wird am Wochenende des 11.11. stattfinden. Und für Hudson Luis als Rheinländer und Karnevalist mit Leib und Seele ist es „eigentlich eine Katastrophe“, zur Sessionseröffnung nicht in Köln sein zu können. Trotzdem nimmt der 32-Jährige es mit Humor: „Ich gehe einfach verkleidet da hin. Dann wissen zumindest alle, wo ich herkomme.“