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Ein Land wird „Ramschladen“Wie Touristen in der Türkei den Lira-Kursverfall ausnutzen

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Rapider Währungsverfall: Händler verkaufen zwar mehr als in der Pandemie, trotzdem verdienen sie zum Teil weniger.

Istanbul – Wie im Schlaraffenland fühlen sich ausländische Touristen derzeit im Großen Basar von Istanbul. „Ein Seidenschal kostet hier keine drei Dollar, in New York müsste ich 150 Dollar dafür bezahlen“, sagt ein Besucher aus den USA. „Da habe ich gleich 15 Stück gekauft.“ Bei seiner Ankunft am Istanbuler Flughafen vor ein paar Tagen tauschte der Mann, ein Schildermacher aus New York, 500 Dollar in Lira ein und erhielt einen dicken Stapel Banknoten. Doch die Preise in Hotels, Restaurants und Geschäften sind so niedrig, dass er sein Geld kaum los wird. Nicht einmal die Hälfte seines Budgets hat er ausgegeben. „Ich habe immer noch 300 Dollar übrig“, sagt er. „Ich find’s herrlich hier.“

Lira hat seit Jahresbeginn Hälfte ihres Werts eingebüßt

Seit Jahresbeginn hat die Lira gegenüber Euro und Dollar rund die Hälfte ihres Wertes eingebüßt. Das liegt vor allem an der Politik von Präsident Recep Tayyip Erdogan, der die Währung immer weiter absacken lässt, um vor den nächsten Wahlen in anderthalb Jahren mit niedrigen Lohn- und Produktionskosten einen Export-Boom auszulösen. Erdogan verspricht den Türken neuen Wohlstand, doch bisher ist davon nichts zu sehen. Die Inflation liegt offiziell bei 21 Prozent, wird von unabhängigen Experten aber auf fast 60 Prozent geschätzt.

Türkische Normalverbraucher müssen wegen der explodierenden Preise jede Lira zweimal umdrehen: Importware wird ohnehin in Dollar oder Euro berechnet, doch auch die Preise für im Inland hergestellte Waren wie Lebensmittel sind von der Entwicklung der Devisenkurse abhängig, weil Düngemittel oder Treibstoff eingeführt werden müssen. In manchen türkischen Städten bilden sich Schlangen vor Läden, die subventioniertes Brot für Bedürftige anbieten.

Kursverfall: Preise in der der Türkei noch nie so niedrig

Für Touristen wie den Amerikaner im Basar sieht die Sache anders aus. Sie profitieren davon, dass die Händler die Preise gar nicht so schnell anheben können, wie die Lira abstürzt: Die Türkei war noch nie so billig wie heute. Händler im Basar verkaufen zwar mehr als in der Pandemie, mehr Gewinn machen sie aber nicht, im Gegenteil. „Früher konnte ich mal ins Ausland fahren, nach Italien oder Spanien“, erzählt ein Stoffhändler. „Damit ist Schluss.“

Für Türkei-Urlauber dagegen werden die Ferien mit jedem neuen Schock für die Lira billiger. Schon im Juni errechnete der Bundesverband deutscher Banken eine besonders hohe Kaufkraft des Euro in der Türkei. Damals konnten Bundesbürger in der Türkei mit einem Euro Waren kaufen, die in Deutschland 1,65 Euro kosten würden. Damit war die Türkei das mit Abstand billigste der erfassten Reiseländer. Inzwischen ist das Land noch günstiger geworden: Im Juni war ein Euro etwa zehn Lira wert – heute liegt der Kurs bei mehr als 17 Lira für einen Euro.

Ausländer Besucher verkaufen türkische Schnäppchen wieder

Viele ausländische Besucher kommen nicht, um Ferien zu machen, sondern um Geld zu verdienen. Am Istanbuler Flughafen stapelt sich das Übergepäck: Manche Passagiere kommen morgens am Bosporus an und fliegen abends mit 70 bis 80 Kilo Gepäck wieder nach Hause, wie die Zeitung „Yeni Safak“ meldet. Die Gebühren für das Übergepäck nehmen sie in Kauf, denn in ihrer Heimat machen sie mit dem Verkauf von Textilien, Schuhen und anderen Waren aus der Türkei gute Gewinne.

Auf dem Landweg überrennen Schnäppchenjäger aus Bulgarien die Stadt Edirne im Nordwesten der Türkei, um sich in Supermärkten und auf Wochenmärkten mit Lebensmitteln und Kleidung einzudecken. Die bulgarische Leva ist an den Euro gekoppelt und wird deshalb gegenüber der türkischen Lira immer stärker, und so strömen täglich tausende Bulgaren mit Bussen und Privatwagen nach Edirne. „Hier ist alles billig und auch noch von guter Qualität“, sagte ein bulgarischer Gast türkischen Medien. Bulgarien mag das ärmste Land in der EU sein – im Vergleich zu den Türken sind die Bulgaren derzeit reich.

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Die Opposition greift das Thema auf. Erdogan habe aus der Türkei einen „Ramschladen“ gemacht, schimpft der frühere Wirtschaftsminister Ali Babacan, Vorsitzender der DEVA-Partei. „Unser Geld ist nichts mehr wert.“ Im regionalen Vergleich könne es die Lira höchstens noch mit dem syrischen Pfund aufnehmen – der Währung eines mit Sanktionen belegten Landes, in dem seit zehn Jahren Krieg herrscht.