Donald Trump sorgt mit einer bizarren Erinnerungslücke für Wirbel. Putin gibt sich derweil unbeeindruckt – der Krieg soll weitergehen.
„Auch er verliert den Verstand“Trump macht wahnwitzige Kehrtwende – und Putin bleibt eisern auf Kurs
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Donald Trump während seiner Pressekonferenz anlässlich des Besuchs des britischen Premierministers Keir Starmer am Donnerstag in Washington.
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Der britische Premierminister Keir Starmer guckte durchaus etwas verdutzt: Bei seinem Besuch bei Donald Trump in Washington hat der US-Präsident für eine absurde Szene gesorgt – und wollte sich plötzlich nicht mehr daran erinnern können, dass er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj noch in der vergangenen Woche als „Diktator ohne Wahlen“ beschimpft hatte.
„Habe ich das gesagt? Ich kann nicht glauben, dass ich das gesagt habe. Nächste Frage“, antwortete Trump auf eine entsprechende Nachfrage, ob er immer noch glaube, dass Selenskyj ein „Diktator“ sei. Doch Trump hatte genau das nicht nur gesagt, sondern sogar geschrieben – für die Weltöffentlichkeit sicht- und nachweisbar.
Weltweite Kritik an Donald Trumps „Diktator“-Aussage
Am 19. Februar hatte der US-Präsident im Zuge der Diskussion über Verhandlungen mit Russland über einen Frieden in der von den Russen angegriffenen Ukraine seinem Online-Sprachrohr Truth Social geschrieben: „Als Diktator ohne Wahlen sollte Selenskyj besser schnell handeln, sonst wird er kein Land mehr haben.“ Die Aussage sorgte weltweit für Entsetzen – und scharfe Kritik.
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Selenskyj ist der legitime Regierungschef der Ukraine. Wie auch in Großbritannien während des Zweiten Weltkriegs sieht die ukrainische Verfassung keine Neuwahlen vor, solange das Kriegsrecht gilt.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte es dementsprechend als „schlicht falsch und gefährlich“ bezeichnet, Selenskyj die demokratische Legitimation abzusprechen. Auch der britische Premierminister Keir Starmer, den Trump am Donnerstag empfing, hatte zuletzt mehrfach bekräftigt, Selenskyj sei das demokratisch gewählte Staatsoberhaupt der Ukraine.
Selenskyj sei „der beste Präsident der Ukraine“
Doch Trumps wahnwitzige Wendung endete nicht bei seiner plötzlichen Erinnerungslücke – jetzt, wo die Ukraine bereit ist, ein Rahmenabkommen über den Abbau von Seltenen Erden und Rohstoffen mit den USA zu unterzeichnen, schlägt der US-Präsident ganz neue Töne an.
„Wir wollen mit Selenskyj zusammenarbeiten und das werden wir tun, er ist der beste Präsident der Ukraine“, sagte Trump am Donnerstag über den Ukrainer, der am Freitag in Washington zur Unterzeichnung des Abkommens erwartet wird – und der zuvor mehrfach gegenüber Trumps überzogenen Forderungen, die nicht nur in den USA von Politik-Experten als „Schutzgelderpressung“ kritisiert wurden, hart geblieben war.
So hatte der US-Präsident noch in der vergangenen Woche erklärt, er wolle 500 Milliarden US-Dollar von der Ukraine „zurückhaben“ – und damit deutlich mehr als den Wert der bisher gezahlten US-Hilfsleistungen. Selenskyj lehnte ab – es wurde neu verhandelt. Zu Wochenbeginn verschwand die Forderung über eine halbe Billion Dollar dann schließlich aus den Vertragswerken – und auch Trump sprach auf seiner Plattform „Truth Social“ plötzlich nur noch von einem zweistelligen Milliardenbetrag.
Am Donnerstag schwenkte der US-Präsident nun also ganz auf Lob für Selenskyj um – nachdem erst Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dann Starmer den europäischen Standpunkt und die ungebrochene Unterstützung für Selenskyj und die Ukraine deutlich gemacht hatten.
Die Ukraine sei „sehr mutig“, hieß es nun von Trump, die Selbstverteidigung des Landes sei „würdig“ und die amerikanische Ausrüstung „gut eingesetzt“ worden, befand der US-Präsident, der gleichzeitig jedoch erneut betonte, dass er Vertrauen in Absprachen mit Wladimir Putin habe. Moskau sendete derweil ganz andere Signale.
Wladimir Putin will Russland weiter vergrößern – auf Kosten der Ukraine
So erklärte der Kremlchef am Donnerstag etwa, dass Russland seine Operationen im Donbass und „Noworossija“, wie man in Moskau die eroberten Gebiete in der Ukraine nennt, weiter verstärken werde. Auch Kremlsprecher Dmitri Peskow versicherte erneut, dass die besetzten Gebiete in der Ukraine ein „integraler“ Teil Russlands seien. Moskau kontrolliert die Gebiete, die es beansprucht, jedoch nicht vollständig. Die Großstädte Kherson und Saporischschja befinden sich etwa weiterhin unter ukrainischer Kontrolle.
„Putin und andere russische Beamte haben routinemäßig angedeutet, dass sie die Eroberung von Gebieten jenseits der Verwaltungsgrenzen dieser vier illegal annektierten Oblaste anstreben“, warnten dementsprechend auch die Analysten des amerikanischen Instituts für Kriegsstudien am Freitag.
„Erneute offizielle russische Erklärungen, dass die erfundene Region ‚Noworossija‘ Teil Russlands sei, zeigen, dass Putin an seinen maximalistischen territorialen Ambitionen festhält und nicht bereit ist, territoriale Zugeständnisse zu machen“, hieß es weiter von dem US-Thinktank, der seit Kriegsbeginn täglich Lageberichte zum Krieg veröffentlicht.
Trumps Kehrtwende hinsichtlich Selenskyj dürfte in Russland dementsprechend nicht unbedingt positiv aufgenommen werden – zuletzt hatte Moskau sich bemüht, weiter einen Keil zwischen die USA und Europa zu treiben. Für Trump gab es viele warme Worte, für Europa viele Drohungen. Nun scheint vorerst wieder völlig offen zu sein, ob und wie es zu einer Verhandlungslösung kommen kann.
US-Präsident Donald Trump als „pathologischer Lügner“
Die Erinnerungslücke des US-Präsidenten könnte aber nicht nur Auswirkungen auf die weiteren Gespräche mit Moskau haben, sie sorgt auch in den USA für Stirnrunzeln. „Wenn Biden Selenskyj einen Diktator genannt und dann eine Woche später gefragt hätte: ‚Habe ich das gesagt?‘, würden alle schreien, wie senil Biden ist“, schrieb etwa der Politiker Joe Walsh, der in der Vergangenheit selbst Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden wollte.
„Aber bei Trump macht das niemand, weil Trump ein so krasser pathologischer Lügner ist. Also übersehen wir, dass auch er den Verstand verliert“, fügte Walsh an und erinnerte mit seiner Wortmeldung auf X an die vor allem aus dem Trump-Lager immer wieder vorgebrachte scharfe Kritik an der mutmaßlich beeinträchtigten kognitiven Leistungsfähigkeit des ehemaligen US-Präsidenten Joe Biden, der im Wahlkampf erst spät auch wegen dieser Bedenken den Weg für Kamala Harris als Kandidatin der Demokraten freigemacht hatte.