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Die Kirche der englischen KönigeVor der Krönung von Charles III. Großputz in Westminster Abbey

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Restauratorin Krista Blessley arbeitet in der Westminster Abbey an der Restaurierung eines Krönungsstuhls im Vorfeld der Krönung von König Charles III., die am 6. Mai stattfinden soll. +++ dpa-Bildfunk +++

Restauratorin Krista Blessley bei der Restaurierung des Krönungsstuhls.

Am 6. Mai wird Charles III. gekrönt – wie einst seine Mutter Elizabeth II. und so viel Monarchen vor ihr in Westminster Abbey. Die Vorbereitungen laufen. Unsere Korrespondentin durfte hinter die Kulissen blicken.

Auf den ersten Blick ist an diesem Morgen alles wie immer in Westminster Abbey im Herzen Londons und auch darum herum. Während manche sie auf ihrem Weg zur Arbeit kaum eines Blicks würdigen, machen andere Selfies oder schauen an der grauen, reich geschmückten Fassade empor. Auch in der Kirche herrscht wie üblich viel Betrieb. Hunderte Touristen schieben sich durch die teils engen Gänge, vorbei an den Gräbern von Königen und Königinnen wie Henry III. oder Elizabeth I.

Geschäftiges Treiben

Wer genau hinschaut, bemerkt jedoch, dass doch nicht alles so ist wie sonst. Eine junge Frau saugt mit einem tragbaren Sauger Staub von den Verzierungen einer erhöhten Galerie. Restauratoren bringen auf eisernen Zaunspitzen Blattgold an. „Vielleicht gehen sie heute auch mit ein bisschen Goldstaub auf ihrer Kleidung nach Hause“, scherzt Stephen Hutt, ein Mesner, der rund 20 Besucher durch die heiligen Hallen der Abtei führt. Zwei Wochen vor der Krönung laufen die Vorbereitungen für die Zeremonie auf Hochtouren.

Nach einem schnellen Ritt durch die britische Geschichte führt Hutt die Gruppe zu einem Artefakt, welches dieser Tage besonders viel Aufmerksamkeit auf sich zieht: dem Krönungsstuhl. Jenem Möbelstück also, auf welchem König Charles III. am 6. Mai sitzen wird. Er sei um das Jahr 1300 von König Edward I. in Auftrag gegeben worden – als Überbau zum „Stone of Scone“, dem Krönungsstein, erklärt der 45-Jährige. Der Monarch hatte ihn zuvor von den Schotten gestohlen, um danach symbolisch darauf Platz nehmen zu können – als Ausdruck der Macht über die von jeher nach Unabhängigkeit strebende Nation im Norden der Insel.

Es dauerte 700 Jahre, bis die Schotten den Stein wieder bekamen. Premierminister John Major entschied 1996, ihn zurückzugeben. „Für den Zeitraum der Krönung soll er jedoch wieder nach London gebracht werden. Es sei denn, die Schotten überlegen es sich noch einmal anders“, scherzt Hutt und blickt dabei auf den Thron, der zunächst eigentlich wenig königlich wirkt. Von der einstigen Zierde ist wenig übrig. Über die Jahrhunderte haben zahlreiche Pilger und Chorknaben ihre Namen in den Stuhl hineingeritzt. Früher sei er jedoch reich mit Tier- und Pflanzenmotiven bemalt gewesen, erklärt der Mesner.

Geschichtsträchtiger Ort

Besser erhalten ist jener Ort in der Kathedrale, an dem der hölzerne Thron im Mai schließlich stehen soll. Hutt stoppt die Gruppe vor einem goldenen Hochaltar, umgeben von einem Mosaikboden aus Marmor, Stein und Glas, der 1268 fertiggestellt wurde. Er deutet auf einen runden Stein im Zentrum. „Wilhelm der Eroberer“ habe 1066 die Stelle ausgewählt, um zum König von England gekrönt zu werden, weil sein Vorgänger „Edward der Bekenner“ kurz zuvor dort begraben worden sei, erklärt er.

Die letzte „Coronation“, jene von Elizabeth II., fand dort vor fast 70 Jahren statt. Millionen Menschen weltweit konnten diese am 2. Juni 1953 live im Fernsehen mitverfolgen. Ihr ältester Sohn beobachtete die Zeremonie als Vierjähriger von einer Tribüne aus, die rechts neben dem Hochaltar für die Royals aufgebaut worden war, erzählt der Abtei-Führer. So konnte er sehen, wie der damals 27-jährigen Elizabeth vom Erzbischof von Canterbury die mit Juwelen besetzte „Imperial State Crown“ aufgesetzt wurde, als sie auf dem hölzernen Thron saß.

Auch wenn die Rituale gleich bleiben, bei der Krönung von Charles III. werde vieles anders laufen als bei seiner Mutter, betont Hutt. Während aktuell von etwa 3000 Gästen die Rede ist, nahmen damals rund 8000 Menschen an der Zeremonie teil. Weil die Kirche jedoch für deutlich weniger Besucher ausgelegt ist, mussten eigens dafür hohe Tribünen gebaut werden. „Die Gäste haben zwei Stunden gebraucht, um in die Kathedrale zu gelangen und noch einmal zwei Stunden, um sie wieder zu verlassen“, erzählt er.

Auch wenn diesmal alles etwas weniger formell zugeht, sitzen müssen die Abläufe am 6. Mai natürlich trotzdem. Damit Charles und Camilla für ihre Krönung üben können, wurden Nachbildungen jener Insignien, die während der Zeremonie zum Einsatz kommen, wie Zepter und Schwerter, aus einer Vitrine in einer Galerie der Abtei entfernt und für Proben genutzt. „Die Gegenstände werden für Proben im Buckingham-Palast genutzt“, verrät ein Mitarbeiter neugierigen Gästen.

Wie viele Menschen, die in der Kathedrale einer Tätigkeit nachgehen, darf auch Stephen Hutt am Tag der Krönung von König Charles III. vor Ort mithelfen. Es herrsche eine gewisse Aufregung angesichts der bevorstehenden Krönung, bestätigt Hutt. „Schließlich hat so gut wie niemand eine solche Zeremonie jemals miterlebt. Das Ereignis ist damit gewissermaßen unbekanntes Terrain.“ Beeindrucken wird Westminster Abbey als Kulisse jedoch in jedem Fall.