Keine Zusammenarbeit mit der AfD? Offiziell halten CDU und SPD daran fest. Doch auf kommunaler Ebene bröckelt die vermeintliche Brandmauer.
Wenn die Brandmauer bröckeltWie halten es die CDU und SPD mit der AfD?
Die Sonne glitzert auf der Spree, als der Bundeskanzler am vergangenen Wochenende gut gelaunt zum ARD-Sommerinterview erscheint, um Bilanz zu ziehen. Doch die schönen Bilder können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Olaf Scholz (SPD) unter Druck steht. Zwei kommunale Wahlsiege der AfD in der Provinz werfen schließlich auch kein gutes Licht auf den Regierungschef.
Der Kanzler erklärt, den aktuellen Höhenflug der AfD mit Sachpolitik, die alle Bürger abholt, stoppen zu wollen. Das klingt zwar nach Scholz, aber noch nicht nach einem Masterplan. In der Hauptstadt ist womöglich noch nicht zu spüren, was sich in der Fläche mehr und mehr abzeichnet. Dort müssen die Akteure des demokratischen Parteienspektrums allmählich die Wirksamkeit ihrer Rezepte gegen die AfD hinterfragen. CDU-Chef Merz kündigte kurz vor seinem Amtsantritt im Januar 2022 an, mit ihm werde es eine Brandmauer zur AfD geben.
Symbolische Brandmauer bröckelt
Andere Parteien übernahmen den Begriff, der symbolisch für den bisherigen parlamentarischen Umgang mit der AfD steht: Mit der in Teilen rechtsextremen Partei darf nicht kooperiert werden. Zuletzt war dieses Vorgehen bei einer Sitzung der Bezirksversammlung in Hamburg-Eimsbüttel zu beobachten.
Die SPD-Fraktion hatte dort einen Antrag gestellt, um der Star-Köchin Cornelia Poletto per Sondergenehmigung zu erlauben, ein Event auf der Hamburger Moorweide zu veranstalten. Grüne und Linke lehnten den Antrag ab. Die Stimmen zweier AfD-Mitglieder hätten ausschlaggebend sein können, damit der Antrag durchkommt. Deshalb ließ die SPD-Fraktion diesen absichtlich scheitern. Doch anderswo kann man der viel beschworenen Brandmauer beim Zerbröseln zusehen.
Hannes Loth, neuer AfD-Bürgermeister von Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt, sagt, eine Zusammenarbeit gebe es im Ort schon länger: „Die anderen Parteien tauschen sich seit Jahren mit uns aus und wir mit denen. Wir sind permanent in Gesprächen.“ In der Vergangenheit war es vor allem die Union, die mit der AfD auf kommunaler Ebene gemeinsame Sache machte.
CDU und SPD kooperierten bereits auf Kommunalebene
Ende 2022 votierten CDU-Kreistagsmitglieder in Bautzen mehrheitlich für einen Antrag der AfD-Fraktion, wonach ausreisepflichtige Asylbewerber keine Sprachkurse oder andere Integrationsleistungen erhalten sollten.
Anderes Beispiel vom April 2021, wieder Sachsen, diesmal Plauen. Dort entzog die CDU mithilfe der AfD und der Neonazi-Kleinstpartei „III. Weg“ Fördermittel für ein Projekt zur Stärkung der Demokratie. Aber auch die SPD musste sich schon vorwerfen lassen, mit der AfD zu kooperieren.
In Hildburghausen, einer Kleinstadt in Südthüringen, setzten Sozialdemokraten gemeinsam mit Akteuren der Rechtsaußen-Partei eine Abwahl des linken Bürgermeisters durch. Zur Einordnung: Die Thüringer AfD wird vom Verfassungsschutz wegen der „Bestrebung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung“ beobachtet, Landeschef Björn Höcke darf per Gerichtsbeschluss als Faschist bezeichnet werden.
Benjamin Höhne, Politikwissenschaftler an der Uni Münster, hält ein Umdenken der Parteien für wahrscheinlich, weil die „Brandmauer durch die Wahlerfolge aus den vergangenen Wochen durchlöchert“ wurde. Dennoch sieht er Gefahren. Die AfD werde eine Zusammenarbeit mit anderen Parteien für sich nutzen, um zu behaupten, dass man mit ihr konstruktiv Politik machen könne, sagt er und plädiert: „Um den Rechtspopulismus klein zu halten, sollte die Brandmauer bestehen bleiben, auch wenn das Schutzsystem ambivalent ist.“
„Jegliche Zusammenarbeit trägt zur Normalisierungsstrategie der AfD bei“
Höhne, der seit Jahren zur AfD forscht, erklärt: Die Medien dürften nicht „über jedes Stöckchen“ springen, um großzügig über die Rechtsaußen-Parteien zu berichten. Er verweist auf den CDU-Spitzenkandidaten bei der Landratswahl in Sonneberg. Dieser habe beklagt, dass seine Wahlkampfthemen in der Presse kaum Beachtung gefunden hätten. Alles habe sich um den Kandidaten der AfD gedreht.
Bei Vorfällen wie in Hamburg hält Höhne das kalkulierte Platzen von Anträgen für gerechtfertigt, sofern die Stimmen der AfD für den Wahlausgang relevant sind. Sollten deren Stimmen „on top“ kommen, also nicht entscheidend sein, sähe das anders aus.
Gerade in der Kommunalpolitik, wenn es etwa um den Bau eines Spielplatzes geht, könnten die anderen Parteien darüber hinwegsehen. Derartige Vorhaben kategorisch zu verhindern, wäre laut Höhne „politisch unklug“. Grundsätzlich betont der Forscher aber: „Jegliche Zusammenarbeit trägt zur Normalisierungsstrategie der AfD bei.“