AboAbonnieren

Das Wort zum SonntagWas es heißt, seine Endlichkeit zu begreifen

Lesezeit 2 Minuten
Abenddämmerung

Abendstimmung bei Sonnenuntergang 

  1. Heute spricht Jürgen Martin, Pfarrvikar im Seelsorgebereich Dellbrück/Holweide, das Wort zum Sonntag

Mors certa, hora incerta!“ - „Der Tod ist gewiss, nur seine Stunde ist ungewiss!“ Daran werden alle wieder erinnert, die in diesen Tagen und Wochen die Gräber ihrer Verstorbenen aufsuchen. Unser Leben ist endlich, nur wann dieses Ende kommt, wissen wir nicht.

Auf diese Einsicht hin kann man in Panik verfallen nach dem Motto „lasst uns fressen und saufen, denn morgen sind wir tot!“ Man könnte aber auch mit stoischer Gelassenheit reagieren, wie es ein römischer Grabstein aus der Antike nahelegt: „Es gab mich nicht. Es gab mich. Es gibt mich nicht mehr. Was soll's?“

Doch vielleicht gibt es zwischen panischer Genusssucht und cooler Todesverachtung noch einen dritten Weg mit seiner Endlichkeit umzugehen. „Unsere Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz.“ (Psalm 90,12) oder in der Übersetzung Martin Luthers: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden!“

Die Weisheit und Klugheit des Lebens besteht dann darin, sich in der begrenzten Zeit, Räume frei zu halten, Zeit zu lassen und Zeit zu nehmen, für das, was wirklich an der Zeit, wichtig und wesentlich ist: für Gemeinschaft und Liebe, Güte und Gerechtigkeit. Das letzte Hemd hat bekanntlich keine Taschen. Am Ende nehmen wir nichts mit, was wir in Händen halten oder auf Konten verwahren, aber vielleicht alles, was wir in Herz und Seele tragen, und wenn das gut ist, kann es uns hier und jetzt schon mit Freude und Frieden erfüllen.

Wer weder der hedonistischen Panik noch einer trostlosen Gleichgültigkeit Raum gibt, der stellt sogar den Tod noch in den Dienst des Lebens und darf hoffen, dass noch etwas anderes ganz gewiss ist. Der Apostel Paulus schreibt davon (Röm 8,38-39): „Ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben … können uns scheiden von der Liebe Gottes!“