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Corona-PandemieWie das RKI gegen die zweite Welle vorgehen will

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wieler mit mundschutz

Lothar Wieler, Chef des Robert-Koch-Instituts

Berlin – Die Wucht der zweiten Welle hat die Experten überrascht. Der Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, sieht die Lage als „sehr ernst“ an. An der bisherigen Strategie von „Eindämmen, Schützen und Mildern“ will er aber festhalten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist eine gute Rechnerin. Die gelernte Physikerin hat schon vor Wochen tägliche Infektionszahlen von 20.000 bis Weihnachten vorhergesagt, sollte es nicht zu schärferen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie kommen. Die verheerende Prognose könnte eintreffen. 11.287 registrierte Neufälle hat das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin am Donnerstag gemeldet. Und der Präsident der Bundesbehörde, Lothar Wieler, nennt die Lage „sehr ernst“.

Tatsächlich ist das Infektionsgeschehen der jüngsten Zeit in Deutschland – wie auch in vielen anderen Ländern – außer Kontrolle geraten. Weder die Konzentration au f regionale Ausbrüche noch die Dauer-Mahnungen der Gesundheitsbehörden und -politiker haben ausgereicht, die erwartete zweite Welle in Grenzen zu halten. Schreibt man die RKI-Ergebnisse mit der Formel des Instituts fort, so könnte die Zahl der Neufälle in weniger als vier Wochen die Zahl von 20.000 erreichen, die Merkel für Weihnachten befürchtet hat. Dann drohe, so Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery im Gespräch mit unserer Redaktion, ein zweiter Lockdown, „weil sich das Virus anders nicht mehr bremsen lässt“.

RKI-Chef Wieler zeigt sich besorgt

In einer einfachen Simulationsrechnung nach der RKI-Formel steigt die tägliche Infektionszahl in 20 Tagen auf 15.919 und in 30 Tagen auf 23.572, selbst wenn man als Bezugszahl nicht die aktuellen Meldungen, sondern einen gleitenden Sieben-Tage-Durchschnitt bei den Neuinfektionen unterstellt. Damit wäre eine solche Rechnung sogar noch vorsichtig. Allerdings wären in ihr nicht die Maßnahmen enthalten, die die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin am 14.Oktober beschlossen haben.

Doch wie stark die Einführung von Sperrstunden sowie Beschränkungen von öffentlichen Menschenansammlungen und privaten Feiern wirken, lässt sich seriös noch nicht abschätzen. Experten wie der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach schätzen, dass die Kontaktaufnahmen um ein Drittel sinken müssten, bevor die Zahl der Infektionen wieder fallen würde.

RKI-Chef Wieler ist deshalb zu Recht besorgt, dass die zweite Welle noch eine längere Zeit anhält. Zwar seien die Infizierten im Schnitt jünger als beim Ausbruch der Pandemie im März. Deshalb würden auch vergleichsweise weniger Patienten schwer erkranken oder auf die Intensivstationen der Kliniken kommen. Der Puffer an Behandlungskapazität sei derzeit auch noch ausreichend. So sind 28 Prozent der knapp 30.000 Intensivbetten derzeit frei. Innerhalb von vier Wochen könnten 10.000 weitere Betten hinzukommen.Aber es gibt auch Anlass zur Besorgnis.

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Die Zahl der Intensivbehandlungen nimmt stetig zu, zuletzt lag sie aktuell bei 943, wovon die Hälfte der Patienten künstlich beamtet werden mussten. Hält die Dynamik an, lässt sich der Zeitpunkt leicht ausrechnen, ab dem die Krankenhäuser wegen fehlender Kapazität unter Druck kommen. Auch das Personal für die Intensivstationen lässt sich nicht schnell und beliebig vermehren.

RKI will an Strategie gegen Virus festhalten

Einen Strategiewechsel weg von scharfen Maßnahmen und hin zum besseren Schutz der verletzlichen Gruppen lehnt RKI-Chef Wieler ab. Die Abriegelung der Pflegeheime, Krankenhäuser und Alteneinrichtungen hat zu großen Härten geführt. Zugleich lässt sich auch der Kontakt zwischen Jung und Alt nicht völlig eindämmen. Gleichzeitig steigt wieder der Anteil der Älteren bei den Infizierten. Anfang September – nach dem Ende des Sommers – waren nur sechs Prozent der angesteckten Personen älter als 60 Jahre. Die über 80-Jährigen waren fast gar nicht me hr vertreten. Jetzt ist fast jeder fünfte Infizierte älter als 60, und rund fünf Prozent haben die 80 überschritten. Die günstige demographische Lage des Sommers verschwindet bereits im Herbst.

Eine weitere psychologische Marke dürfte die Zahl der Covid-Toten sein. Sie liegt derzeit bei knapp über 9900. Wenn die 10.000 in nächster Zeit überschritten werden, dürfte auch klar sein, dass es sich bei Covid-19 um eine bisweilen tödliche Krankheit handelt. Bislang ist dank der im März beherzt ergriffenen Maßnahmen kaum eine Übersterblichkeit festzustellen. Die Todeszahlen in Deutschland bewegen sich – anders als in den meisten Nachbarländern – im üblichen Rahmen. Aber auch hier ist zuletzt eine Abweichung festzustellen. Seit Anfang Oktober sterben in Deutschland mehr Menschen als im Schnitt der letzten fünf Jahre.RKI-Chef Wieler hat auch nachdrücklich klargemacht, dass die höhere Zahl der Tests nicht den starken Anstieg der Infektionszahl erklären kann.

Die Dynamik hat andere Ursachen. Vor allem Treffen in privaten Haushalten, bei Familienfeiern und in geschlossenen Veranstaltungen haben zu den hohen Infektionen beigetragen. Die jetzt Ausbreitung in mehreren Wellen steht darüber hinaus auch im Lehrbuch der Infektionskrankheiten. Nur die Dynamik können Politik und Gesundheitsbehörden beeinflussen. Wieler empfiehlt deshalb die strikte Beachtung der Abstands- und Hygieneregeln, den Verzicht auf private Feiern und unnötige Reisen sowie die Reduzierung von Kontakten. „Eindämmung, Schutz und Milderung“ sind die Schlagworte des Mediziners. Es kommt nun verstärkt darauf an, diese Empfehlungen auch umzusetzen und zu kontrollieren.