Die illegalen Einreisen nach Deutschland nehmen zu. Einige Länder fordern vom Bund, mit einem schärferen Regime für eine „Migrationsbremse“ zu sorgen.
DebatteBrauchen wir wieder mehr Grenzkontrollen?
Die Zahl der sogenannten illegalen Grenzübertritte ist nach Angaben der Bundespolizei zuletzt deutlich gestiegen: Die Beamten registrierten in den ersten drei Monaten dieses Jahres 19627 Menschen, die Deutschland illegalerweise betreten haben. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 12965. Das macht ein Plus von 51,4 Prozent im Jahresvergleich, wobei das Dunkelfeld erheblich sein dürfte. Es wird nicht permanent kontrolliert, wer einreist.
Der Anstieg ist so oder so wenig verwunderlich: In den vergangenen Monaten erreichen immer mehr Flüchtlinge Deutschland. Viele von ihnen dürften keinen gültigen Aufenthaltstitel wie etwa ein Visum vorweisen können. Die Grenzpolizei wertet das als illegalen Grenzübertritt, der an sich strafbar ist, es sei denn, es wird ein Asylantrag gestellt. Asyl schützt in diesem Fall vor Strafe.
Grenzkontrollen: Illegale Grenzübertritte im deutsch-polnischen Grenzgebiet steigen an
Auffällig ist, an welchen Grenzen die Polizei Migranten aufgreift. Anders als in vielen Vorjahren ist der Hotspot mittlerweile nicht mehr (nur) die deutsch-österreichische Grenze. An Bayerns Grenze zum südlichen Nachbarn registrierte die Polizei im ersten Quartal 3674 illegale Übertritte – zehn Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Seit 2015, dem Jahr der Flüchtlingskrise, finden an dieser EU-Binnengrenze Kontrollen statt. Der Weg vieler Flüchtlinge führte seinerzeit über Österreich nach Deutschland.
Im April dieses Jahres wurde bekannt, dass die Bundesregierung die Maßnahme erneut um sechs Monate verlängern will. Entsprechend hoch ist weiter die Wahrscheinlichkeit für illegal Einreisende, an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffen zu werden. Das führe zu Verschiebungen bei den Fluchtrouten, heißt es aus deutschen Sicherheitskreisen. Die offizielle Aufgriffstatistik der Bundespolizei liefert dazu Hinweise: Deutlich höher ist die Zahl der registrierten illegalen Grenzübertritte mittlerweile im deutsch-polnischen Grenzgebiet, obwohl hier wohlgemerkt keine festen Grenzkontrollen stattfinden. Etwas mehr als 4000 Fälle notierte die Polizei für das erste Quartal. Das entspricht einer Verdopplung.
Sachsens Innenminister Stübgen (CDU) fordert intensivere Grenzschutzmaßnahmen
Die Innenminister der an Polen angrenzenden Bundesländer Brandenburg und Sachsen forderten daher bereits in einem Brief an die Bundesregierung, stationäre Grenzkontrollen an der polnischen, aber auch an der tschechischen Grenze wieder einzuführen. Vorbild ist die deutsch-österreichische Grenze. Michael Stübgen, Innenminister in Brandenburg, teilte dazu mit: „Wenn wir die Freizügigkeit im Schengen-Raum erhalten wollen, müssen wir einen Kontrollverlust an der Bundesgrenze verhindern. Wir erwarten daher, dass der Bund umgehend stationäre Binnengrenzkontrollen einführt und seine Grenzschutzmaßnahmen intensiviert.“
Das Schengen-Abkommen sichert offene Grenzen innerhalb Europas zu. Deutsche können ohne Grenzkontrollen in jedes Nachbarland reisen. Andersherum können Polen, Dänen oder Niederländer auch weitgehend ohne Kontrolle nach Deutschland einreisen. An den Grenzen finden allein Stichproben statt. Dieses Prinzip wollen Brandenburg und Sachsen nun aussetzen, solange weiterhin viele Flüchtlinge Deutschland erreichen. Die Stimmung der Bevölkerung drohe zunehmend zu kippen, begründete CDU-Politiker Stübgen seine weitreichende Forderung.
Nicht nur über die polnische Grenze kommen viele Menschen, sondern auch über die Schweiz. Die Zahlen der Bundespolizei zeigen: Die registrierten illegalen Grenzübertritte haben sich in den ersten drei Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von knapp 787 auf 3063 mehr als verdreifacht; der deutlichste Anstieg entlang aller deutschen Außengrenzen. Die Bundesregierung scheint mittlerweile nicht mehr abgeneigt, die Kontrollen auszuweiten. Im Abschlussprotokoll des Bund-Länder-Gipfels von Mitte Mai heißt es: „Lageabhängig wird der Bund das im Verhältnis zu Österreich bestehende Grenzsicherungskonzept auch an anderen Binnengrenzen Deutschlands nach Konsultation mit den betreffenden Ländern der Bundesrepublik Deutschland etablieren.“ Welche Grenzen das sein könnten, bleibt offen.
Anders als in den Bundesländern entlang der Ost- und Südgrenze fallen die Anstiege der illegalen Übertritte an der Westgrenze mit 20 bis 25 Prozent geradezu moderat aus. An der deutsch-französischen Grenze waren es in den ersten drei Monaten 1552 Fälle (plus 21,3 Prozent), an der deutsch-niederländischen Grenze 772 (plus 25,5 Prozent). Rückläufig sind die Zahlen allein an der deutsch-dänischen Grenze. Von Januar bis einschließlich April wurden hier 143 Fälle registriert, nach 154 im Vorjahr. Dänemark führt seit 2016 stationäre Kontrollen durch. Der nördliche Nachbar begründet dies auch mit illegaler Migration – in diesem Fall aus Deutschland.
Polizeigewerkschaft: Ausweitung hätte keinen Effekt
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist dagegen, die festen Grenzkontrollen nach dem Vorbild der deutsch-österreichischen Grenze auszudehnen. Andreas Roßkopf, Vorsitzender des Bereichs Bundespolizei und Zoll bei der GdP, sagte unserer Redaktion: „Das hätte keinen wirklichen Effekt.“ Es gehe am Ende um mehrere Tausend Kilometer Schengen-Binnengrenzen, die kontrolliert werden müssten. Die Bundespolizei sei technisch und personell nicht in der Lage, feste Kontrollen an Grenzen zu deutschen Nachbarländern durchzuführen. Statt diese auszuweiten, forderte Roßkopf eine bessere Ausstattung für die Bundespolizei. „Was hilft, sind moderne Grenzkontrollen: Leistungsstarke Fahrzeuge mit entsprechender Technik. Drohnen für eine Überwachung der Grenzen aus der Luft. Und eine bessere Zusammenarbeit mit den Grenzpolizeien aus den Nachbarländern.“ So lasse sich illegale Migration eindämmen. „Stoppen werden wir sie nicht.“ (df)