Bei einer Demonstration in Belgrad löste eine mysteriöse Druckwelle Panik aus, viele vermuten den Einsatz einer Schallkanone.
Einsatz in Belgrad300.000 Menschen von Druckwelle aufgeschreckt – Staatschef spricht von Lüge

Belgrad: Polizisten in Einsatzkleidung laufen während einer großen Anti-Korruptions-Kundgebung von Universitätsstudenten in Belgrad, Serbien, eine Straße entlang.
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Haben Serbiens Machthaber mit dem Einsatz einer sogenannten „Schallkanone“ am vergangenen Wochenende für das frühzeitige Ende der Großdemonstration gegen die Korruption in Belgrad gesorgt? Die merkwürdige Druckwelle, die für Panik und Verletzte sorgte, erregt in dem Balkanstaat noch immer die Gemüter.
Die rund 300.000 Demonstrationsteilnehmer auf und in den Straßen um den Belgrader Slavija-Platz wollten mit 15 Schweigeminuten ihrer 15 Landsleute gedenken, die im November beim Einsturz des Vordaches im neu renovierten Bahnhof von Novi Sad ums Leben kamen. Doch schon nach elf Minuten kam auf der König-Milan-Straße plötzlich panische Bewegung in die bis dahin still verharrende Menge.
Schall in Belgrad: „Geräusch wie von einer Rakete“
Von einem unangenehmen, sich rasch nähernden und bedrohlichen Geräusch „wie von einem aufsteigenden Flugzeug“ oder einer „abgeschossenen Rakete“ berichteten hernach Augenzeugen, die im Gedränge oder durch die Druckwelle zu Fall kamen: Aufnahmen zeigen, wie sich unter der Druckwelle die Bäume biegen – und sich auf der zuvor voll besetzten Straße plötzlich eine freie Gasse bildet.
Militär- und Schallexperten vermuten, dass von einem Balkon oder Dach und aus mindestens 700 Meter Entfernung eine sogenannte „Schallkanone“ gegen die Demonstranten eingesetzt wurde. Serbiens Sicherheitsdienste dementieren den in dem Balkanstaat verbotenen Einsatz von Schallwaffen.

Ein Demonstrant zündet eine Fackel während einer Großkundgebung gegen den populistischen Präsidenten Vucic und seine Regierung in der Innenstadt von Belgrad.
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Von einer „Lüge“ spricht gar der durch die monatelange Protestwelle zunehmend unter Druck geratene Staatschef Aleksandar Vucic und kündigt nicht näher spezifizierte Verleumdungsklagen an: „Nur weil sie keinen Plan oder kein Programm haben, denken sie sich nun Schall- oder Überschallkanonen aus. Doch Serbien wird siegen. Es lebe Serbien!“
Aber nicht nur die Videoaufnahmen sprechen eine andere Sprache. Über 3000 Menschen, die sich nach der mysteriösen Attacke wegen Schwindelgefühlen, Kopfschmerzen oder Hörstörungen ärztlich behandeln ließen, haben sich mittlerweile bei Bürgerrechtsgruppen gemeldet. In weniger als 24 Stunden haben über 570.000 Menschen eine Petition an die UN und den Europarat unterschrieben, die eine internationale Ermittlung zu dem Verdacht des mutmaßlichen Einsatzes von Schallkanonen zur Unterbrechung des Totengedenkens fordert.
Wissenschaftler: „Attacke auf das eigene Volk“
Wissenschaftler der Elektrotechnischen Fakultät in Belgrad haben bereits eine eigene Untersuchung angekündigt. Von einer „Attacke auf das eigene Volk“ und „junge, völlig friedliche Demonstranten“, spricht der Elektrotechnik-Professor Drazen Draskovic: „Es ist traurig, dass so etwas in einem europäischen Land passiert.“

Demonstranten marschieren am Pro-Vucic-Lager vorbei.
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Was immer die Demonstranten auf der König-Milan-Straße zu Fall brachte und was immer die mysteriöse Attacke bewirken sollte: Zum Verstummen hat diese die für Belgrad zunehmend lästigen Proteste nicht gebracht. Im Gegenteil: Die Entrüstung über die Störung des Totengedenkens scheint sich erneut wie ein Bumerang gegen Serbiens Führung selbst zu kehren.
Nicht nur vor der Belgrader Notfallklinik, deren Leitung trotz gegenteiliger Zeugenaussagen dementiert, am Samstagabend über Ohren- und Kopfschmerzen klagende Patienten behandelt zu haben, zogen zu Wochenbeginn empörte Demonstranten auf.
Bereits am Montag wurde die Abendstille in vielen Belgrader Wohnblöcken durch Trillerpfeifen, Topfschläge, Buhrufe und Vuvuzela-Klänge verstört: „Lärm gegen die Diktatur“ nennt sich der neue Abendprotest, mit dem sich unzufriedene Serben gegen die korrupten Machenschaften und Manipulationen einer in ihren Augen völlig diskreditierten Staatsführung wehren.