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Aktuelle Lage im IranAngst vor Demos zum Todestag Aminis – Regime plant harte Strafen

Lesezeit 4 Minuten
Irans Regierung hat es bis heute nicht geschafft, die Kopftuchpflicht in der Bevölkerung durchzusetzen. Viele Frauen tragen das Koptuch nicht den Forschriften entsprechend oder gar nicht.

Irans Regierung hat es bis heute nicht geschafft, die Kopftuchpflicht in der Bevölkerung durchzusetzen. Viele Frauen tragen das Koptuch nicht den Forschriften entsprechend oder gar nicht.

Am Todestag der iranischen Kurdin Mahsa Amini könnten neue Demonstrationen das Land und die Regierung erschüttern.

Amjad Amini lässt sich nicht einschüchtern. Der Vater der iranischen Kurdin Mahsa Amini, die am 16. September vorigen Jahres in der Gewalt der Religionspolizei in Teheran starb, will trotz Drohungen des Staatsapparates eine Gedenkfeier für seine Tochter organisieren. Aminis Tod hatte die schwersten Proteste in der Geschichte der Islamischen Republik ausgelöst. Zum Todestag befürchtet die Führung in Teheran neue Unruhen, verstärkt die Polizeipräsenz in den großen Städten und lässt Aktivisten festnehmen, darunter einen Onkel von Mahsa Amini. Doch das Regime kann weder Aminis Familie noch die Protestbewegung aufhalten: Die Proteste haben aus dem Iran ein anderes Land gemacht.

Ohne Kopftuch auf der Straße unterwegs

Wie groß die Veränderung seit Aminis Tod ist, zeigt sich im Alltag. Hunderttausende iranische Frauen gehen ohne Kopftuch auf die Straße und verstoßen damit bewusst gegen die gesetzlich vorgegebene Verhüllungspflicht, Demonstranten verschicken in sozialen Medien Videos mit dem Lied „Roosarito“ – Nimm dein Kopftuch ab. Die Parole „Frauen – Leben – Freiheit“ ist weltbekannt geworden.

Nun wird der 16. September für die Protestbewegung und den Staat zu einer Machtprobe. Dass Amjad Amini auf eine Feierstunde für seine Tochter besteht, macht das Regime nervös: Zu einem Gedenken 40 Tage nach dem Tod der jungen Frau im vorigen Oktober kamen Zehntausende in ihre Heimatstadt Saghes. Amjad Amini sagte dem persischen Dienst des US-Sender VOA, er wolle seine Tochter ein Jahr nach ihrem Tod ehren. Er könne zwar keine Gäste zu der Feier für seine Tochter einladen, aber er werde die Leute auch nicht an einer Teilnahme hindern.

Viele Frauen halten sich nicht an die Kopftuchpflicht.

Viele Frauen halten sich nicht an die Kopftuchpflicht.

Die 22-jährige Mahsa Amini wurde am 13. September vorigen Jahres während eines Besuchs in Teheran von der Religionspolizei festgenommen, weil ihr Kopftuch angeblich nicht streng genug gebunden war. Drei Tage später starb sie in der Haft. Aminis Familie und Augenzeugen warfen den Polizisten vor, die junge Frau totgeprügelt zu haben; die Behörden erklärten dagegen, Amini sei an Herzversagen gestorben. Nach Aminis Tod wurde der Iran monatelang von Massendemonstrationen erschüttert, bei denen Hunderttausende die Abschaffung der Kopftuchpflicht und der islamischen Theokratie forderten. Die Staatsgewalt schlug die Straßenproteste nieder. Mehr als 500 Menschen starben, über 20000 wurden festgenommen, sieben hingerichtet.

Iran: „Neustart“ der Massenproteste

Doch auch nach dem Ende der Großdemonstrationen hielt sich in der Bevölkerung der Unmut über die Repression im Iran, die Macht der Mullahs und die Korruption der Islamischen Republik. Nun ruft ein Bündnis aus acht Organisationen zu neuen Kundgebungen auf. An Aminis Todestag solle es einen „Neustart“ der Massenproteste geben, erklärten die acht Gruppen nach einer Meldung des Exil-Oppositionssenders Iran International. Vom amerikanischen Exil aus ermuntert auch Kronprinz Reza Pahlavi, der Sohn des letzten Schahs, die Iraner zu Demonstrationen.

Weil das Regime die Protestbewegung genau beobachtet, werden viele Aufrufe zu Kundgebungen in Bussen und Bahnen mündlich oder per Handzettel verbreitet, wie die Exil-Aktivistin Masih Alinejad in einem Interview der Denkfabrik Washington Institute for Near East Policy sagte. Die Taktik der Protestbewegung habe sich geändert. Nachdem die Großdemonstrationen leichte Ziele für Polizei und regimetreue Milizionäre gewesen seien, würden jetzt kleinere und dezentrale Proteste organisiert, die für die Einsatzkräfte schwerer zu kontrollieren seien, sagt Alinejad.

Harte Maßnahmen des Regimes

Die Regimegegner seien aber nicht weniger entschlossen als voriges Jahr, meint die Aktivistin. Die Demonstranten hielten die Islamische Republik für nicht reformierbar und wollten sie abschaffen.

Das Regime versucht, neue Proteste im Keim zu ersticken. Menschenrechtler berichten von Festnahmen, Durchsuchungen und Verhören. Iran International meldet unter Berufung auf Informanten im Iran, in einigen Städten des Landes baue die Polizei nachts Straßensperren auf, um Demonstranten daran zu hindern, sich zu versammeln. Die Zivilpolizei fahre verstärkt Streife. Vor dem Jahrestag drosseln die Behörden auch den Zugang zum Internet, um es der Protestbewegung schwerer zu machen, Demonstrationen zu organisieren.

Zudem sind neue Strafen bei Verstößen gegen die Kopftuchpflicht geplant. Das Parlament in Teheran berät in einem Geheimverfahren über ein neues Kopftuch-Gesetz, das bis zu zehn Jahre Haft für Frauen vorsieht, die in der Öffentlichkeit ihre Haare nicht vollständig verhüllen.

Auch General Hossein Salami ahnt, was kommen könnte. Zum Jahrestag des Todes der 22-jährigen Mahsa Amini stehe der Iran möglicherweise vor einer neuen Welle von Protesten, sagte der Kommandant der mächtigen iranischen Revolutionsgarde vor kurzem. Dabei seien die landesweiten Demonstrationen nach Aminis Tod voriges Jahr bereits die „schwerste und gefährlichste“ Prüfung für die Islamische Republik seit deren Gründung im Jahr 1979 gewesen, meint der General im Rückblick zu den weltweit beachteten Protesten.