Tag 1 nach dem Wahlerfolg eines AfD-Kandidaten in Sonneberg: Ampel und Union diskutieren über ihre jeweilige Verantwortung. Aber sind nicht erstmal die Wahlberechtigten in dem thüringischen Mini-Kreis verantwortlich?
AfD-Triumph in SonnebergDenn sie wissen, was sie tun
Natürlich. Die Ampel ist es schuld, besonders Robert Habeck mit seinem verpatzten Heizungsgesetz. Und auch natürlich: Die Union ist es schuld. Sie hat den Wahlerfolg der AfD im Kreis Sonneberg mit zu verantworten. Mit der Hau-Drauf-Strategie von Parteichef Friedrich Merz und mit ihrem Nein zu einer Koalition mit der Linken. Also: Alle sind es schuld, sie schimpfen auf den politischen Gegner, gestehen vielleicht auch wie SPD-Chefin Saskia Esken eigene Mitverantwortung ein.
Und die Wahlberechtigten? Sind die nicht für ihre Entscheidung verantwortlich? Greifen sie in der Wahlkabine nur daneben, weil Orientierung durch die etablierten Parteien fehlt?
Kein Fehler der Herren Habeck, Merz, Olaf Scholz oder Christian Lindner kann rechtfertigen, was fast 53 Prozent der Wählerinnen und Wähler im Kreis Sonneberg bewusst getan haben. Und was gut 40 Prozent der Wahlberechtigten dort durch ihre Nichtteilnahme möglich machten. Sie alle haben dem Kandidaten einer Partei ins Amt verholfen, die in Thüringen (zu Recht!) als gesichert rechtsextremistisch geführt wird.
Nun könnte man sagen, das sei arg viel Aufregung um einen Mini-Kreis, der weniger als ein Zehntel der Einwohner etwa des Rhein-Sieg-Kreises hat. Sonneberg – Arbeitslosenquote unter Bundesschnitt, 18 Minuten per Regionalexpress zum nächsten ICE-Bahnhof – ist kein Fall für Mitleids-Diagnosen (ebenso wenig wie Schwerin oder Greifswald). Was dort aber studiert werden kann, ist die Erosion von Demokratie. Wenn Bürger kein Problem mit Rechtsextremismus haben, sollten wir darauf nicht mit der biblischen Entschuldigung reagieren, sie wüssten nicht, was sie tun. Alle konnten wissen, um was es geht.