Die „One Love“-Armbinde sollte ein Symbol für Vielfalt bei der WM 2022 werden. Nun hagelt es Kritik für die Fifa aus Sport, Politik und Gesellschaft.
Reaktionen auf „One-Love“-ArmbindeWehrle verurteilt Fifa-Eklat – FC-Präsident: „Würden Sanktionen mittragen“
Die „One Love“-Armbinde, die Kapitäne bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar tragen sollten, wird zum Politikum. Schon vor dem WM-Start gab es Streit um die Binde. Am Montag kam für viele Fußball-Fans die Ernüchterung: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) beugt sich den Vorgaben des Fußball-Weltverbands Fifa. DFB-Kapitän Manuel Neuer wird die Armbinde nicht tragen.
Die Armbinde sollte eigentlich als Zeichen für Vielfalt und Toleranz stehen. Die weiße Binde, die ein Herz mit einer Eins und dahinter versteckt eine Regenbogenflagge zeigt, war bereits ein Kompromiss - ursprünglich war eine Armbinde komplett in Regenbogenfarben angedacht.
Nach der Absage des DFB am Montagmittag gibt es im Netz massive Kritik gegen den Deutschen Fußball-Bund, die Vorgaben der Fifa sowie Fifa-Präsident Gianni Infantino. Ein Auszug.
Thomas Hitzelsberger: Infantino denkt, ihm gehöre das Spiel
Laut wurde die Kritik unter anderem vom ehemaligen Fußball-Profi Thomas Hitzlsperger. Der 40-Jährige äußerte sich in einem Interview 2014 als erster prominenter deutscher Fußballer zu seiner Homosexualität und stieß damit eine Debatte über Schwule und Lesben im Profi-Fußball an.
Für die Entscheidung des DFB und der Fifa hatte er Kritik übrig: „Gianni Infantino denkt, er ist größer als Virgil van Dijk, Manuel Neuer und Harry Kane und die vielen anderen Top-Stars des Fußballs. Er denkt, ihm gehöre das Spiel. Er kann sich sogar schwul, arabisch und so viele andere Dinge fühlen“, sagte er mit einem Verweis auf Infantinos Rede, die für viel Aufsehen sorge. Hitzlsperger schickte hinterher: „Traurig, dass wir an diesen Punkt gekommen sind“
Hitzlsperger äußerte sich in mehreren Statements zur Fifa- und DFB-Entscheidung auf Twitter. Er brachte auch einen neuen Vorschlag als Alternative für die „One-Love“-Armbinde auf den Weg: „Wie wäre es mit Regenbogen-Schnürsenkeln?“ – ein Vorschlag, um die Fußball-Profis selbst mehr in die Verantwortung zu nehmen?
Der DFB wettert derweil gegen die Fifa: „Das Verhalten der FIFA ist frustrierend. Diese Eskalation führt dazu, dass es nicht mehr um den Sport geht. Es fühlt sich schon stark nach Zensur an“, sagte DFB-Direktor Oliver Bierhoff.
FC-Präsident Wolf und Ex-FC-Geschäftsführer Wehrle zur Armbinde
Werner Wolf, Präsident des 1. FC Köln, äußerte sich ebenfalls zu der Entscheidung rund um die One-Love-Armbinde: „Haltung steht über jeder Regel. „Lebe wie du bist“ ist für den 1. FC Köln unverhandelbar. Wir würden das Tragen der Regenbogen-Binde oder der One-Love-Binde unterstützen und jede Sanktion gegenüber unseres Verbandes mittragen. Wir haben zudem großen Respekt vor der Symbolik iranischer Spieler während ihrer Nationalhymne, die für ihre Werte viel riskieren.“
Auch der frühere Geschäftsführer des 1. FC Köln, Alexander Wehrle sprach über die Entscheidung des DFB, was beachtlich ist, da Wehrle selbst Aufsichtsratsvorsitzender des Fußball-Bunds ist: „Die FIFA hat letztlich kurz vor den Spielen über einen Eingriff in den Wettbewerb ein Zeichen für Diversität und Einhaltung der Menschenrechte verboten. Werte, die sie in ihren eigenen Statuten hat und die nicht verhandelbar sind. Das ist ein einmaliger Vorgang, einfach nur peinlich. Ich verurteile dieses Vorgehen der Fifa aufs Schärfste. Es bestätigt einmal mehr, warum es richtig ist, in die Opposition zu der Wiederwahl von Gianni Infantino zum Fifa-Präsidenten zu gehen“, heißt es in einem Statement von Wehrle.
Der frühere FC-Geschäftsführer sagte außerdem: „Wichtig ist, dass wir nicht verstummen, uns nicht unterkriegen lassen. Die Iraner haben gezeigt, wie mutig man sein kann, wenn man sich bewusstmacht, worum es für sie geht. Davor habe ich allerhöchsten Respekt. Dass dann am selben Tag die FIFA so agiert, ist unfassbar. Wir müssen und werden als DFB und als deutscher Fußball weiter für unsere Werte einstehen und stehen dabei komplett hinter unserer Mannschaft.“
Kritik nach Entscheidung zu One-Love-Armbinde: „Today I feel idiot“
In sozialen Netzwerken machten auch viele andere Nutzerinnen und Nutzer ihrem Ärger über die Entscheidung von Fifa und DFB Luft.
Eine Nutzerin warf dem DFB fehlendes Rückgrat vor, man hätte sich den Vorgaben der Fifa gebeugt, da für das deutsche Team Punktabzug und Sperren drohten.
In die Reihe der Kritikerinnen und Kritiker reihte sich auch Talkmasterin Anne Will ein. Die Moderatorin schrieb: „Schlechter hätte man es wirklich nicht machen können. Das ist so unfassbar peinlich, beschämend, schädlich“, so Will via Twitter.
Ein anderer Nutzer nahm Gianni Infantino direkt ins Visier. Der Fifa-Präsident hatte noch am Samstag bei einer Aufsehen erregenden Rede erklärt, dass er sich „schwul fühle“, genauso wie er sich „arabisch“, „körperlich beeinträchtigt“ oder als „Arbeitsmigrant“ fühle. Viele Kritiker warfen ihm schon bei der Rede Doppelmoral vor. Nun griff ein Nutzer die Rede auf und schrieb: „Today, I feel idiot“– heute fühle ich mich idiotisch.
Ärger um die One-Love-Armbinde gibt es auch in England: Dort hat sich die Football Association, der englische Fußballverband, ebenfalls der Vorgabe der Fifa gebeugt. Daher lief auch Englands Kapitän Harry Kane beim Auftaktspiel gegen den Iran ohne Protest-Binde auf.
Als Reaktion zeigte sich die frühere Profi-Fußballerin Alex Scott, die nun für den britischen Sender BBC moderiert, während der WM-Berichterstattung am Montag mit der One-Love-Armbinde. Offenbar wollte sie ein Zeichen gegen die Absage des englischen Verbands und die Vorgaben der Fifa setzen.
Bereits vor der Fußball-WM gab es viel Kritik und Wirbel um die Regeln des Gastgeberlandes Katar. So steht Homosexualität und das Zeigen von Homosexualität in der Öffentlichkeit unter Strafe. Der katarische Botschafter nannte Homosexualität einen „geistigen Schaden“ und wurde dafür vielfach kritisiert.
Dass nun auch das Zeichen für Toleranz und Vielfalt mit der One-Love-Armbinde bei dieser WM wohl verschwinden wird, dürfte die Debatte um die ohnehin schon vielfach kritisierte Weltmeisterschaft weiter anheizen. (mit LW)