PlagiatsvorwürfePlötzlich hat Armin Laschet auch das Baerbock-Problem
Düsseldorf – Armin Laschet hat keinen Medienanwalt eingeschaltet und auch keine „Dreckskampagne“ gewittert. Der Kanzlerkandidat der Union verschickte vielmehr am Freitagmorgen eilig eine schuldbewusste Mitteilung, die Einsicht und Demut vermitteln sollte.
„In meinem Buch ‚Die Aufsteigerrepublik‘ von 2009 gibt es offenkundig Fehler, die ich verantworte: Mindestens ein Urheber des im Buch verwendeten Materials wird weder im Fließtext noch im Quellenverzeichnis genannt“, hieß es darin. Und weiter: „Dafür möchte ich ausdrücklich um Entschuldigung bitten, denn sorgfältiges Arbeiten beim Verfassen von Werken und die Achtung des Urheberrechts sind für mich auch eine Frage des Respekts vor anderen Autoren.“
Etliche Abschnitte ohne Quellenhinweise
Zuvor hatte Plagiatsjäger Martin Heidingsfelder in dem 291 Seiten starken Werk aus dem Verlag Kiepenheuer & Witsch offenbar etliche Abschnitte gefunden, die ohne Quellenhinweise abgeschrieben wurden. An die Öffentlichkeit kam der Fall, weil der Politologe Karsten Weitzenegger bei Twitter darauf hinwies, dass auch eine Passage aus seiner Arbeit überraschend Eingang in das Laschet-Buch gefunden hatte.
Eigentlich schien der nordrhein-westfälische Ministerpräsident schon ausreichend für die „Aufsteigerrepublik“ gebüßt zu haben. Doch die seit Wochen heftig diskutierten Plagiatsvorwürfe gegen die Neuerscheinung „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“ der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock haben den Ton im Streit um sauberes Arbeiten und geistiges Eigentum nun einmal neu gesetzt.
Debatte ums Buch schon im Jahr 2010
Bereits 2010 wurde in Düsseldorf diskutiert, ob Laschet bei dem Buch nicht Privates und Dienstliches unzulässig vermengt habe. Er hatte das Werk als NRW-Integrationsminister verfasst und in die Textarbeit offenbar sein halbes Ministerium eingespannt. Im Nachwort dankt er ausdrücklich einer Reihe von Mitarbeitern für Inspiration und Mithilfe, die auch heute noch zu seinen engsten Vertrauten zählen. So etwa Katrin Kohl, mittlerweile Abteilungsleiterin in der Düsseldorfer Staatskanzlei. Der heutigen NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler. Seinem treuen Organisationsmann Thomas Wallenhorst. Seiner jahrelangen Büroleiterin Justine Schramowski. Oder Mark Speich, inzwischen Staatssekretär für Bundesangelegenheiten und Laschets wichtigster Mann in Berlin.
2015 kam die „Aufsteigerrepublik“ wieder ins Gerede. Laschet hatte den Reinerlös des Buches von 4000 Euro zwar an das Kölner Integrationsprojekt „Coach e.V.“ gespendet, die Spendenquittung jedoch in seiner privaten Steuererklärung geltend gemacht. Dummerweise hatte der Verlag direkt an „Coach e.V.“ überwiesen und Laschet das Geld nie bei sich verbucht. Eine Steuerverkürzung also, die er korrigieren musste. Außerdem hatte er vergessen, die 145 Autorenexemplare im Wert von 1742 Euro als Einnahme zu deklarieren.
„Die Aufsteigerrepublik“ ist Laschets persönlichstes Buch
Dass es sich bei dem Buch jedoch nicht um Laschets eigene Gedanken handeln könnte, erschien bis zum Freitag abwegig. Der 60-jährige CDU-Mann hat nach dem ersten Jura-Staatsexamen als Journalist gearbeitet und eine Reihe von Publikationen herausgegeben. Bis heute schreibt er gern, noch immer am liebsten mit der Hand. „Die Aufsteigerrepublik“ ist sein persönlichstes Buch. Darin findet sich bereits die Geschichte seines Vaters, die beim CDU-Bundesparteitag Anfang des Jahres die gesamte Partei rührte. Heinz Laschet schulte vom Kohlekumpel zum Grundschullehrer um und ermöglichte seinen vier Söhnen ein Studium. Vor allem aber buchstabiert Laschet dort seine Idee vom liberalen Einwanderungsland Deutschland aus. Dafür wurde er CDU-intern lange als „Türken-Armin“ verhöhnt.
Die Plagiatsvorwürfe treffen Laschet in einer schwierigen Phase. Seine unglückliche Figur in der Hochwasser-Krise, die verrutschte Programmdebatte, die einbrechenden persönlichen Umfragewerte, die wachsende Nervosität der CSU und ein neuer Corona-Herbst vor der Tür – Fußnoten-Debatten über ein zwölf Jahre altes Buch kann er gerade gar nicht gebrauchen. Doch Laschet will anders als zuletzt die Grünen nicht mit maximaler Härte reagieren: „Um zu klären, ob es weitere Fehler gibt, werde ich unverzüglich die Prüfung des Buchs veranlassen“, hat er angekündigt. Wer prüfen soll und wann mit Ergebnissen zu rechnen ist, blieb zunächst unklar.
Im Laschet-Lager herrscht wohl die Sorge, dass von Plagiatsjägern immer neue Textstellen vorgehalten werden könnten. Es würde in der heißen Wahlkampfphase noch schwieriger, „klarzumachen, wofür die Union steht“, wie es CSU-Chef Markus Söder einfordert. Laschet könnte zudem wieder mal als rheinischer Bruder Leichtfuß hingestellt werden. Im Nachwort der „Aufsteigerrepublik“ dankt er seinem Büroteam für die Übersicht beim Verfassen, „damit das ganze Projekt mit all seinen ungezählten Änderungen und Neuversionen nicht im Chaos endete“.