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Gewerkschaft alarmiertViele Lehrer in NRW sind stark überlastet

Lesezeit 3 Minuten
Eine Lehrerin schreibt in einer Grundschule an eine Tafel.

Lehrer haben unter anderem mit übergroßen Klassen zu kämpfen, in denen die Schüler meist über unterschiedliche Leistungsniveaus verfügen.

Die GEW ruft nach einer Belastungsumfrage unter Lehrkräften Alarmstufe Rot aus. Die Schulministerin mahnt zur Geduld.

Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfalen fühlen sich einer Umfrage der Bildungsgewerkschaft GEW zufolge zu einer übergroßen Mehrheit enorm belastet oder sogar extrem überlastet.

Das ergab eine repräsentative Online-Befragung unter allen Schulformen, an der sich im Oktober und November 2023 knapp 24.000 Lehrkräfte beteiligt hatten, wie die GEW-Landesvorsitzende Ayla Çelik am Donnerstag in Düsseldorf berichtete. Auf einer Skala von 0 (keine Belastung) bis 10 (extreme Überlastung) ordneten 92,4 Prozent der Befragten ihre Arbeitsbelastung bei 7 oder höher ein.

GEW-Chefin ruft die „Alarmstufe Rot“ aus

Das Ergebnis sei in seiner Deutlichkeit erschreckend, bedeute „Alarmstufe Rot“ und erfordere sofortige Gegenmaßnahmen der Landesregierung, sagte die GEW-Chefin. Çelik zufolge belegen die Ergebnisse: „Unser Bildungssystem ist in einem desolaten Zustand.“ Der Lehrkräftemangel sei eklatant, viele Leitungsposten an Schulen weiter unbesetzt. Die Beschäftigten seien am Limit.

Immer mehr Arbeit müsse von immer weniger Personal geschultert werden. Die Lehrkräfte, die angesichts der Mangelsituation über ihre Belastungsgrenzen hinausgingen, um Bildung für die Kinder sicherzustellen, seien zudem oft demoralisiert, weil sie ihrer Bildungs- und Erziehungsarbeit trotzdem nicht gerecht werden könnten.

Rund 7000 Lehrkräfte fehlen

Zunehmend verlassen Lehrkräfte der GEW-Chefin zufolge den Job, weil die Belastung so hoch sei, dass sie den Beruf nicht mehr als sinnstiftend erlebten. „Die schlechten Arbeitsbedingungen, die Überlastung und das Gefühl, dass ihre Not bei den politischen Verantwortlichen kein Gehör findet, treibt Lehrkräfte aus dem Beruf.“

Bei derzeit rund 7000 fehlenden Lehrern sei aber keine einzige Kraft verzichtbar. Das Land müsse die Ausbildung ausbauen, besser gestalten und zugleich dafür sorgen, dass Lehrkräfte im System blieben. Schulministerin Dorothee Feller (CDU) betonte, die Landesregierung arbeite Schritt für Schritt daran, dem Lehrpersonal die Arbeit zu erleichtern.

„Die Richtung stimmt, aber wir sind noch lange nicht am Ziel“

„Das mit Abstand größte Problem für unsere Schulen ist der Lehrkräftemangel, der nicht von heute auf morgen entstanden und leider genauso wenig von heute auf morgen zu beheben ist.“ Seit Ende 2022 habe man mehr als 5000 Personen zusätzlich für die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern gewinnen können.

„Die Richtung stimmt, aber wir sind noch lange nicht am Ziel“, sagte die Ministerin der Deutschen Presse-Agentur. Langfristig würden auch spürbar mehr Grundschullehrkräfte ausgebildet, wofür gemeinsam mit dem Wissenschaftsministerium und den Hochschulen zusätzliche Studienplätze eingerichtet worden seien.

NRW: Jede Woche fallen 180.000 Unterrichtsstunden aus

Die SPD-Opposition kritisierte, die schwarz-grüne Regierung habe keine Idee, wie sie den Beruf der Lehrkraft attraktiver gestalten könne. 2023 hätten 930 Lehrkräfte ihrem Beruf den Rücken gekehrt - noch 130 Personen mehr als im Jahr davor. Schon jetzt fallen jede Woche etwa 180.000 Unterrichtsstunden in NRW aus, monierte die schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Dilek Engin.

Grundschulleiter Holger Thrien schilderte bei Vorstellung der GEW-Umfrage, der Alltag sei geprägt von übergroßen Klassen mit Kindern, die über unterschiedliche Leistungsniveaus verfügten, mitunter keine Deutschkenntnisse hätten und mit traumatischen Fluchterfahrungen kämpften.

Neues Dialogformat zwischen Schulleitungen, Lehrkräften und Eltern soll Abhilfe schaffen

Lehrkräfte seien verbalen und körperlichen Angriffen ausgesetzt, andauernden Unterrichtsstörungen - und teilweise unangemessenem Verhalten mancher Eltern, was auch zu hohem emotionalen Druck führe. Hinzu kämen unter anderem noch zeitraubende Verwaltungstätigkeit. Dass es schwerer gemacht worden sei, in Teilzeit zu arbeiten, sei falsch. Selbst unter langjährigen Lehrkräften, die ihren Beruf liebten, würden Kündigungen erwogen.

Schulministerin Feller wies darauf hin, dass sie angesichts der besonderen Belastung vieler Schulen gerade in dieser Woche ein neues Dialogformat für Schulleitungen, Lehrkräfte und Eltern gestartet habe. Zum Auftakt in Gelsenkirchen hätten am Mittwochabend rund 100 Mitglieder der Schulkonferenzen aus örtlichen Schulen die Gelegenheit genutzt, sich mit ihr über mögliche Lösungen auszutauschen.

Dieser direkte Dialog mit den am Schulleben vor Ort Beteiligten werde in den kommenden Wochen und Monaten intensiviert. (dpa)