Nach der FlutSchleidener Polizei kehrt in ihre Wache zurück
Schleiden – Nein, solch einen Termin lässt er sich nicht nehmen. Das bringt NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) unmissverständlich zum Ausdruck, als Landrat Markus Ramers (SPD) ihn mit den Worten „Schön, dass Sie wieder da sind“ an der Polizeiwache begrüßt.
Im September ist Reul an gleicher Stelle gewesen, um die Containerwache zu inspizieren. Nun ist der Anlass ungleich erfreulicher: Die Flutschäden sind beseitigt und der Minister kann „seine“ Polizisten in ihrem neuen, alten Domizil besuchen.
Die Polizei liegt Innenminister Reul am Herzen
Reul macht keinen Hehl daraus, dass die Polizei ihm besonders am Herzen liegt. Vor fünf Jahren habe er das nicht gedacht, gibt er zu: „Polizisten sind Realisten, keine Traumtänzer. Mit ihnen arbeite ich ganz besonders gerne.“
Baerbock kommt nach Vogelsang
Zahlreiche Minister sind in diesen Tagen im Kreis Euskirchen zu Gast – es ist Wahlkampf und der Wiederaufbau nach der Flut läuft. Und am Sonntag, 8. Mai, jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 77. Mal.Außenministerin Annalena Baerbock ist aus diesem Anlass zu Gast in Vogelsang. Um 9.30 Uhr wird sie am Kino erwartet. Nach einem kurzen Rundgang ist für 10.30 Uhr an der Wechselausstellung „Die Cellistin von Auschwitz“ neben dem Gedenken ein Statement geplant. (rha)
Und diese Wertschätzung, das wird nicht nur bei diesem Besuch in Schleiden deutlich, beruht auf Gegenseitigkeit. Polizisten, die viele Innenminister haben kommen und gehen sehen, sagen, dass Reul sich sehr für die Polizei und technische Verbesserungen eingesetzt habe – wenn auch der Bürokratismus immer noch nicht geringer geworden sei.
Seine Ansprache zur Wiederinbetriebnahme der Wache hätte Reul sehr, sehr knapp halten können. „Das ist der Hammer. Schön. Toll. Wunderbar“, sagt er nach einem kurzen Blick ins Innere. Eigentlich sei damit alles gesagt, befindet der Minister.
Die Solidarität in den Fokus gerückt
Um dann doch auf die Katastrophe und vor allem auf das zu sprechen zu kommen, was die Menschen danach geleistet haben und immer noch leisten. Angesichts der Debatten im und rund um den Untersuchungsausschuss des Landtags ist es Reul ein Anliegen, die Solidarität in den Vordergrund zu rücken: „Die Menschen in unserem Land stehen zusammen.“
Neben den 24.000 Helfern in den unterschiedlichen Organisationen, die im Einsatz waren, dürfe man auch die unzähligen nicht Organisierten nicht vergessen: „Es hieß: Schöppen ins Auto, ab die Post in die Eifel und helfen.“
Polizei hat die Menschen nicht alleine gelassen
Dieses Engagement und das gemeinsame Anpacken, das betonen Reul und Ramers, schließe auch die Polizei ein. Unmittelbar nach der Katastrophe sei es allen wichtig gewesen, vor Ort zu bleiben. Für die Menschen im so hart getroffenen Schleidener Tal ein Zeichen zu setzen, dass die Polizei bleibt und sie nicht alleine lässt. Und das, obwohl die Wache ebenfalls überflutet worden war.
Nach Wochen in der mobilen Wache zogen die meisten der rund 70 Polizisten, die in Schleiden Dienst tun, im September in die Containerwache. Nun sind sie zurück in dem Gebäude, das die Polizei bereits seit 1977 nutzt. Einzig die Beamten des Kriminalkommissariats unter der Leitung von Lothar Ademes, die zwischenzeitlich von Euskirchen aus ihren Dienst verrichtet haben, sind noch nicht alle zurück in Schleiden.
Beim Wiederaufbau Lehren aus der Flut gezogen
Beim Wiederaufbau der Wache hat man teils Lehren aus der Flut gezogen und etwa den Serverraum in der ersten Etage anstatt im Keller installiert. Doch den Keller leer zu lassen, ist laut Polizeidirektor Harald Mertens nicht möglich gewesen: Umkleideräume – natürlich saniert – befinden sich nach wie vor dort.
Für ein wenig Stirnrunzeln sorgt die Theke im Erdgeschoss bei einigen Polizisten. Natürlich, der 70er-Jahre-Charme der alten Wache ist futsch, die Optik ist hell und modern. Einen Notfallknopf für den Fall der Fälle gibt’s auch unmittelbar an der Theke. Doch ein Schutzglas, etwa mit einer Durchreiche für Dokumente, gibt es nicht.
Schleidener Wache nach aktuellen Richtlinien
Das sei auch nicht vorgesehen, sagt Mertens: Alles sei nach den aktuellen Richtlinien aufgebaut. Durch die verschlossene, aber einsehbare Eingangstür sei eine Schleusenfunktion gegeben. Zudem sei die Theke ob ihrer Tiefe und der abgerundeten Kanten übersprungsicher.
Eintrag ins Goldene Buch
2018 und 2019 hat eine Brandserie das Schleidener Tal in Atem gehalten. Ein Jugendlicher hat unter anderem im Sturmius-Gymnasium einen Millionenschaden verursacht. Schon da hat die Stadt, so Bürgermeister Ingo Pfennings, viel Unterstützung durch die Polizei und das Innenministerium erfahren.Ein Eintrag ins Goldene Buch der Stadt von Minister Herbert Reul soll an diese Zeit erinnern. Bereits vor der Flut sei dies geplant gewesen. Nun hat Pfennings die Gelegenheit genutzt und das vom ehemaligen Bauhofleiter Markus Pauls mit einem aufwendigen Holz-Einband versehene Buch mitgebracht. Den Eintrag – nun ergänzt um die Flut – machte Reul gerne. (rha)
Reul lässt sich derweil die Einrichtung von den Polizisten erklären – und schaut auch bei den Beamten in den Obergeschossen rein, die in Büros sitzen, die von der Flut nicht in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Sie schildern ihre Arbeit.
Und Lothar Ademes nutzt die Gelegenheit, den Minister darauf aufmerksam zu machen, dass die Zahl der Delikte etwa im Bereich Betrug kontinuierlich steige – die Zahl der Polizisten jedoch nicht.
Die Flutregion zu sehen und all die Arbeit, die dort noch zu tun ist, die Geschichten zu hören, die die Menschen in jener schrecklichen Julinacht erlebt haben – das beeindruckt auch Reul bei jedem Besuch aufs Neue. Tief durchatmen muss er, als er von Bürgermeister Ingo Pfennings (CDU) erfährt, dass alleine der kommunale Wiederaufbau in Schleiden die 200-Millionen-Euro-Marke sprengen wird und die Arbeiten kaum in den zunächst vorgesehenen fünf Jahren zu erledigen sein werden.
Spontaner Stopp am Hilfszentrum in Gemünd
Seinen Zeitplan wirft Reul kurzerhand über den Haufen, als Pfennings sowie die CDU-Landtagskandidaten Dr. Ralf Nolten und Klaus Voussem vom Hilfszentrum in Gemünd berichten, in dem auch psychologische Unterstützungsangebote für die Betroffenen vorgehalten werden. „Dann machen wir da noch einen Stopp“, beschließt Reul.
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Um vor Ort in den kurzen Gesprächen mit den Mitarbeitern festzustellen, dass dies kein Thema für eine schnelle Stippvisite ist. Er müsse nochmal kommen, mit mehr Zeit, sagt Reul: „Das Thema ist dafür zu wichtig.“