In Sachen LiebeMein Vater ist rassistisch, soll ich den Kontakt mit ihm abbrechen?
- Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
- Im wöchentlichen Wechsel beantworten die erfahrenen Psychologen Désirée Beumers und Peter Wehr sowie Urologe Volker Wittkamp und Schauspielerin Annette Frier Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex, Kindererziehung und alles, was Paaren begegnet.
- Diesmal beantwortet Peter Wehr die schwierige Frage, was man tun kann, wenn krumme Aussagen und Ansichten drohen, die eigene Familie zu entzweien.
Köln – Bei einem Treffen mit meinen Eltern kamen wir auf das Thema Flüchtlinge. Mein Vater hat krass ausländerfeindliche Bemerkungen gemacht, nicht zum ersten Mal. Ich hatte ihn schon öfters gebeten, das in unserem Beisein nicht zu tun. Aber jetzt hat mein Partner gesagt, er will ihn nicht mehr bei uns im Haus sehen. Er findet, es geht nicht, in der eigenen Familie Dinge zu dulden, die man sonst verurteilt. Ich teile seine Kritik, aber ich fühle mich jetzt zwischen allen Stühlen. Frage von Leserin Stefanie, 38
Als ich mir Gedanken über Ihre Frage gemacht habe, sind mir viele Szenarien durch den Kopf gegangen, die im Vorfeld dagewesen, möglicherweise zu einer solchen Polarisierung in der Debatte mit Ihrem Vater beigetragen haben könnten. Es scheint, als wollten Sie den entstandenen Riss kitten, der jetzt durch die Familie geht. Doch kann dies gehen?
Die Konflikteskalation könnte mit tiefer liegenden Themen zu tun haben. Welche Geschichte haben Sie mit Ihrem Vater? Welche Geschichte hat Ihr Vater als Nachkriegskind? Welche Erfahrungen hat Ihr Mann in seiner Familie gemacht? Und welche Rolle spielt Ihrer beider Beziehung? Das alles ist hypothetischer Natur. Hinzu kommt, dass Ihr Streitfall in einem gesellschaftlichen Kontext zu sehen ist, in dem das Thema „Flüchtlinge“ ebenfalls polarisierend diskutiert wird. Jedenfalls gebe ich zu bedenken, dass sicherlich viele Aspekte in das Geschehen hineinwirken, die ich nicht kenne. Trotzdem können wir überlegen, wie Sie einen Weg finden, der Ihren Bedürfnissen gerecht wird.
Die Pole gut und schlecht verfestigen sich
Polarisierungen werden durch Debatten befördert, in denen jeder nur seinen Standpunkt als den einzig richtigen darstellen möchte und gleichzeitig kein Interesse daran hat, andere Positionen zu verstehen, geschweige denn zu erfahren, wie es zu diesen Positionen gekommen ist. Im Zuge solcher Debatten kann es zu Beschimpfungen kommen, es können Feindbilder entstehen. Die Pole gut und schlecht verfestigen sich. Was eben noch als sachliche Diskussion begonnen hatte, wird jetzt personalisiert. Nicht nur die sachliche Aussage des Gegenübers wird abgelehnt, sondern in einem Tunnelblick gleich die ganze Person. Die Beteiligten tendieren dann dazu, alles andere auszublenden, was die Person sonst noch ausmacht.
Leseraufruf
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Vielleicht ist genau das in Ihrer Familie passiert. Während Ihr Partner Ihren Vater und dessen Aussagen mit dessen Persönlichkeit gleichsetzt, nehmen Sie vermutlich neben den abgelehnten Aussagen auch noch andere, vielleicht liebenswerte Seiten an ihm als ihrem Vater wahr. Ist das so stimmig für Sie? Dann suchen Sie Ihren eigenen Weg im Umgang mit Ihrem Vater. Für ein Gespräch mit ihm sollten Sie eine dialogische Haltung einnehmen, um Polarisierungen entgegenzuwirken. Dazu kann es im Vorfeld hilfreich sein, sich in seine Position hineinzuversetzen, um herauszufinden oder zu phantasieren, was ihn antreibt. Sie könnten sich fragen: Wie hat sich seine Einstellung entwickelt? War sie es schon immer? Welche Ängste könnten dahinterstehen? Ist es grundsätzlich, auch bei anderen Themen, schwierig, mit ihm zu diskutieren?
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Vielleicht macht ihr Partner vor dem beschriebenen Hintergrund mit. Gehen Sie dann mit Ihrer eigenen Wertehaltung ins Gespräch mit Ihrem Vater. Teilen Sie ihm mit, wie erschreckend und wie abstoßend Sie seine ausländerfeindlichen Äußerungen finden. Sagen Sie ihm, dass Sie verstehen möchten, wie es dazu gekommen ist. Dass Sie einander zuhören möchten. Teilen Sie auch mit, was alles auf dem Spiel steht; dass Sie sich grundsätzlich weiterhin Kontakt mit ihm wünschen und auf diese Weise mit ihm einen Weg dafür suchen möchten. Und dann schauen Sie, was passiert. Auf keinen Fall aber sollten Sie sich den Gleichklang mit Ihrem Partner kaputt machen lassen.