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StabwechselNeue Chefärztin will den Kreißsaal im Mechernicher Kreiskrankenhaus vergrößern

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Dr. Tatjana Klug übernimmt die Leitung der Gynäkologie und Geburtshilfe von Prof. Matthias Winkler. Die Geschäftsführer Martin Milde (l.) und Thorsten Schütze (r.) gratulierten.

Wechsel im Kreiskrankenhaus Mechernich: Dr. Tatjana Klug übernimmt die Leitung der Gynäkologie und Geburtshilfe von Prof. Matthias Winkler. Die Geschäftsführer Martin Milde (l.) und Thorsten Schütze (r.) gratulierten.

Prof. Matthias Winkler geht nach knapp 21 Jahren als Chefarzt in Mechernich in den Ruhestand. Dr. Tatjana Klug übernimmt.

„Es war mir eine Freude. Ich habe es nie bereut.“ Fast 21 Jahre hat Prof. Matthias Winkler die Geschicke der Gynäkologie und Geburtshilfe im Kreiskrankenhaus geleitet. Unter seiner Regie erblickten um die 14.000 Babys das Licht der Welt, vielen Müttern und Kindern hat er das Leben gerettet. Und bevor er am Freitag in den Ruhestand geht, ist es neben dem hochzufriedenen Fazit auch Zeit für ein Geständnis des scheidenden Chefarztes: „Ich wusste vorher nicht mal, wo Mechernich ist.“

Prof. Matthias Winkler: „In zehn Minuten von Zuhause bis in den OP“

Das hat sich nachhaltig geändert. Dass Winkler und seine Familie in Kommern heimisch geworden sind, ist auch eng mit seiner Arbeit als Geburtshelfer verbunden, die eine Residenzpflicht eigentlich unumgänglich macht. Stehe etwa nachts ein Notkaiserschnitt an, zähle jede Minute, um das Leben von Mutter und/oder Kind zu retten.

Maximal 20 Minuten stehen dann laut Winkler zur Verfügung, in Mechernich schaffe man es in etwa 13 Minuten. „Zehn Minuten von Zuhause bis in den OP“ seien in all den Bereitschaftsdiensten – irgendwas zwischen 1000 und 2000 werden es wohl gewesen sein – nichts Außergewöhnliches gewesen. Ja, anstrengend sei das schon, aber: „Die Freude überwiegt. Sonst würde man es keine 20 Jahre durchhalten.“

Und: „Ich bin glücklich, nicht eine Mutter während einer Geburt verloren zu haben“, sagt Winkler. Das entspricht auch der Statistik von etwa vier Todesfällen je 100.000 Geburten. Dass ein Kind schon im Mutterleib sterbe und tot geboren werde, komme schon mal vor. Auch, dass ein Kind während der Geburt sterbe – etwa binnen einer Minute infolge eines Nabelschnurrisses verblute. Dies sei jedoch sehr selten, von etwa einem Fall alle zehn Jahre spricht Winkler.

Der Kaiserschnitt ist längst keine Hochrisiko-Operation mehr

Den Kaiserschnitt nennt er auch als ein Beispiel, wie sich die Behandlungen verändert haben. Als er 1984 in Leipzig angefangen habe, sei der für die Mütter eine Hochrisiko-Operation gewesen, vor der stets der Chefarzt zurate zu ziehen gewesen sei. Heute sei die Methode deutlich sanfter. Das Gewebe werde nicht geschnitten, sondern gerissen, wodurch es besser heile und das Risiko für die Mutter deutlich geringer sei: „Heute gehen die Mütter oft auch nach einem Kaiserschnitt nach zwei, drei Tagen mit dem Kind im Arm nach Hause.“ Dafür sprechen auch die Zahlen: Rund 30 Prozent der Geburten finden per Kaiserschnitt statt – zu Beginn seiner Karriere seien es fünf Prozent gewesen.

Sowohl in der Geburtshilfe als auch in der Gynäkologie, wo sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten vor allem im Bereich der minimalinvasiven Eingriffe viel getan habe, hinterlässt Winkler seiner Nachfolgerin Dr. Tatjana Klug ein gut bestelltes Feld.

Rund 1000 Kinder werden pro Jahr in Mechernich geboren

Als sie 2018 Leitende Abteilungsärztin geworden sei, sei das ein besonderer Schritt gewesen, sagt Klug. Doch die ausgemachte Kronprinzessin sei sie keinesfalls gewesen. Das bestätigt Geschäftsführer Thorsten Schütze. Bei einem ersten Vorfühlen sei Klug noch unsicher gewesen. Doch irgendwann habe sie um ein Gespräch mit der Geschäftsführung gebeten: „Danach war das Thema für uns durch – im positiven Sinne. Sie ist eine tolle, charismatische Person. Wir sind froh, dass sie gesagt hat, es machen zu wollen.“

Für große Veränderungen in Gynäkologie und Geburtshilfe mit knapp 40 Mitarbeitern sieht Klug, die ab Samstag eine von zwei Chefärztinnen (bei 17 Chefärzten) am Kreiskrankenhaus ist, keinen Anlass: „Es ist eine florierende Abteilung mit neuestem Standard.“ Die Führungsaufgaben, sagt sie, verändern sich jedoch.

Personal-Akquise und -Bindung gewinnen enorm an Bedeutung: „Jede Klinik kämpft um gutes Personal.“ Den Bereich der minimalinvasiven Operationen möchte sie erweitern und verfeinern: „Es kommen ständig neue Methoden. Die gilt es hier zu etablieren.“

Ein großes Thema hat die neue Chefärztin dann doch: „In der Geburtshilfe muss sich etwas verändern. Wir haben in der Region eine Unterversorgung.“ Die sei etwa durch die Schließungen der Geburtshilfen in Adenau, Daun und auch Bad Neuenahr entstanden. Die Mütter aus dem Raum Prüm/Hillesheim steuerten inzwischen die Klinik in Mechernich an. Rund 1000 Kinder werden dort pro Jahr geboren.

Da der Standort Mechernich so wichtig sei für die Region, müsse er ausgebaut werden. Das sei, so Klug, nicht nur eine personelle Frage, sondern auch eine räumliche. In den jetzigen Räumen im Altbau gebe es nicht viele Optionen, doch der Kreißsaal müsse vergrößert werden. Dann könne auch der Trend zur Hausgeburt, die in der Corona-Zeit wieder an Bedeutung gewonnen habe, aufgegriffen werden: „Mit einem hebammengeführten Kreißsaal und einem privaten Setting“, wie es Klug formuliert – wo im Notfall kurze Wege sind und schnell Hilfe bereitsteht.


Aufstieg für Dr. Tatjana Klug

Dr. Tatjana Klug ist 47 Jahre alt, stammt aus Hellenthal, hat in Schleiden die Schule besucht, in Bonn studiert. Als studentische Aushilfe hat sie das Kreiskrankenhaus kennengelernt. Zur Geburtshilfe sei sie eher durch Zufall gekommen. 2001 sei es noch schwer gewesen, eine Stelle als Assistenzärztin zu finden – das Fachgebiet habe man erst recht nicht auswählen können. Eigentlich habe sie in die Chirurgie gewollt und sei in die Gynäkologie gerutscht. Seit 2009 ist sie Oberärztin, seit 2018 Leitende Abteilungsärztin.

Für einen Ortswechsel habe sie nie einen Anlass gesehen – und Prof. Winkler habe ihr auch keinen geboten. Von Leidenschaft und Passion spricht Klug, wenn sie über ihre Arbeit in Mechernich spricht. Und durch das wissenschaftlich orientierte Behandeln unterscheide sich das an der Peripherie gelegene Krankenhaus in Mechernich nicht von einer Uniklinik. Die Liebe ist auch ein Punkt für Mechernich. Dort hat sie ihren Mann kennengelernt: Dr. Alexander Klug ist heute Chefarzt der Gefäßchirurgie. (rha)


Abschied für Prof. Matthias Winkler

Prof. Matthias Winkler stammt aus Leipzig. Nachdem dort seine erste berufliche Station war, führte sein Weg 1990 nach Aachen an die Universitätsfrauenklinik, bevor er 2002 nach Mechernich wechselte. Ein klarer Schnitt sei das gewesen, da er bedeutet habe, seine „nicht erfolglose“ (Winkler) Arbeit in der Wissenschaft zu beenden: „Mit Mitte 40 haben Sie die besten wissenschaftlichen Jahre hinter sich.“

Mit dem Ruhestand ab dem 1. April steht ein weiterer Einschnitt in seinem Leben an. „Ich habe fertig“, sagt er lachend: Weiterhin als Arzt arbeiten werde er nicht. Stattdessen will er sich der Familie widmen: Wandern mit seiner Ehefrau. Und mit seinem siebenjährigen Enkel an der Modelleisenbahn bauen. Nachdem seine Töchter und die beiden Enkelinnen diese Leidenschaft nicht teilen, freut Winkler sich darauf, sie an den Enkel weiterzugeben. Und der Junge scheint sich auch mächtig zu freuen. Mehrfach habe er gefragt, wann der Opa denn endlich in Rente gehe und Zeit dafür habe. (rha)