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FachkräftemangelMechernicher Unternehmen baut Containerdorf für 125 Facharbeiter aus China

Lesezeit 4 Minuten
Mechatronics-Geschäftsleiter Jürgen Carl steht vor den Container-Unterkünften für rund 125 chinesische Kollegen, die in der Peterheide entstehen.

Auf dem Mechatronics-Firmengelände in der Peterheide in Mechernich sind für die Kollegen aus China 56 Wohncontainer auf zwei Ebenen errichtet worden.

Zur Realisierung eines Großprojekts hat die Deutsche Mechatronics GmbH aus Mechernich vergeblich nach Fachkräften aus der Region gesucht.

Vor wenigen Tagen erst ist Jürgen Carl aus dem chinesischen Shanghai zurückgekehrt. Der Geschäftsleiter Vertrieb der Deutschen Mechatronics GmbH (DTMT) steckt momentan noch mitten in den Vorbereitungen für ein Großprojekt, das für den Betrieb aus Mechernich eine ganz besondere Bedeutung hat. Doch damit dieses Projekt umgesetzt werden kann, ist eine enge Zusammenarbeit mit den chinesischen Kollegen aus Firmen der „Tri Star“-Gruppe, zur der auch die DTMT gehört, notwendig.

„Ich darf immer noch nicht sagen, um was für ein Projekt es sich dabei genau handelt, aber es wird eine Weltneuheit und die Branche revolutionieren“, sagt Carl.

Stolz ist er darauf, dass dieses Projekt vom Standort Mechernich aus für die dortige Produktion akquiriert werden konnte. „Es ist das größte Einzelprojekt in der Geschichte des Unternehmens. Wir verfügen über ein Alleinstellungsmerkmal im Engineering, in der Produktion und in der Montage, so dass wir hier am Standort ein schlüsselfertiges, sehr innovatives System herstellen können“, sagt Carl selbstbewusst.

Fachkräftemangel: Mechernicher Unternehmen macht ungewöhnlichen Schritt

Aber es gibt ein Problem: den Fachkräftemangel. „Wir haben in den vergangenen Monaten immense Anstrengungen unternommen, um hier vor Ort Personal zu finden“, unterstreicht Carl: „Wir haben zunächst über Kampagnen versucht, Menschen für unser Unternehmen zu begeistern – über alle Kanäle, so wie man das heute macht“, so der Mechatronics-Geschäftsleiter.

Mechatronics-Geschäftsleiter Jürgen Carl in einem der Wohncontainer, die mit zwei Betten, Schränken und Tisch ausgestattet sind.

Die Wohncontainer sind für jeweils zwei Mitarbeiter ausgelegt. Sanitäreinrichtungen, Aufenthaltsräume und eine eigene Küche gehören auch zum Gebäudekomplex.

Da das nicht zum Erfolg führte, wurde die Agentur für Arbeit eingeschaltet. Vier Vor-Ort-Termine mit jeweils rund 50 Arbeitssuchenden wurden durchgeführt, mit Besichtigung der Produktion und der möglichen Arbeitsplätze. „Doch von den etwa 180 Teilnehmern kam lediglich eine Handvoll an Bewerbungen, die letztlich zu drei Einstellungen geführt haben“, berichtet Carl.

Auch entsprechende Anfragen bei Personal-Leasing-Agenturen und den europäischen Unternehmen der „Tri Star“-Gruppe führten nicht zum Erfolg. „Die Rettung kam dann aus China“, so Carl weiter. Durch eine besondere Regelung des Aufenthaltsrechts ist es möglich, dass Unternehmen, die ihren Sitz außerhalb der EU haben, für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren Fachkräfte nach Europa entsenden können.

Jürgen Carl: „Kollegen aus China sind keine Billigkräfte“

„Die Kollegen aus China werden jedoch nur ein Jahr lang mit uns an dem Großprojekt arbeiten“, sagt Carl. In chinesischen Fabriken der Unternehmensgruppe fand dann ein Bewerbungsverfahren statt.

Carl betont, dass es sich bei den insgesamt 125 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ab Mitte Januar in Mechernich eintreffen werden, nicht um Billigkräfte handelt: „Schweißer, Monteure, Elektriker: Das sind alles gut ausgebildete Facharbeiter“, so der Mechatronics-Chef. „Die Entsendung nach Deutschland ist trotz der Trennung von ihren Familien für die Kollegen sehr attraktiv, weil sie hier zu den gleichen Konditionen wie die Stammbelegschaft beschäftigt werden“, erläutert Carl: „Inklusive freier Wochenenden und Urlaubsanspruch.“

Um die Mitarbeiter aus dem Reich der Mitte unternehmensnah zu beherbergen, ist in den vergangenen Monaten auf dem Mechatronics-Firmengelände in der Peterheide ein Containerdorf entstanden. „Wir haben 56 Wohncontainer auf zwei Ebenen errichtet“, sagt Carl, weil es rund um Mechernich nicht genügend Hotelzimmer oder andere Unterkunftsmöglichkeiten für mehr als 120 Personen gab.

Vorhut aus China war bereits in Mechernich zu Gast

Sanitäreinrichtungen, Aufenthaltsräume und eine eigene Küche gehören natürlich auch zum Gebäudekomplex. „Das Thema Essen ist ganz wichtig“, hat Carl erfahren. Als unlängst eine Vorhut aus China vor Ort war, wurde eine Liste mit mehr als 70 Einzelpositionen erstellt, die es jetzt für Carl und sein Team abzuarbeiten gilt: vom Gas-Wok über spezielle Gewürze bis hin zu Steckdosenadaptern in ausreichender Zahl. Frische Lebensmittel werden von Asia-Spezialisten aus Köln und Düsseldorf angeliefert. „Wir wollen ja schließlich, dass sich die Kollegen hier bei uns wohlfühlen.“

Gedanken machen sich die Mechatronics-Verantwortlichen auch um die Zusammenarbeit mit der Stammbelegschaft. So soll zum Beispiel ein Paten-System mit festen Ansprechpartnern etabliert werden. „Wir arbeiten Hand in Hand mit den chinesischen Kollegen zusammen. Damit das alles klappt, wurden die Kollegen in China bereits entsprechend geschult, sprachlich, aber auch im Hinblick auf Themen wie Arbeitssicherheit und gesellschaftliche Gepflogenheiten. Anfang Februar soll die Produktion starten“, freut sich Carl.


Erst Lahmeyer, heute Deutsche Mechatronics

Die Geschichte der Deutschen Mechatronics GmbH am Standort Mechernich begann im Jahr 1947, als die „Elektrizitäts AG vorm. W. Lahmeyer & Co.“ dort eine Reparaturwerkstatt für Transformatoren erwarb.

In den 60-er Jahren wurden von Lahmeyer kompakte Transformator-Stationen entwickelt und gebaut. 50.000 Stück wurden bis zum Jahr 2000 ausgeliefert und sind bis heute weltweit im Einsatz. 1985 kam die technische Dienstleistung hinzu, und das Unternehmen spezialisierte sich auf Automatisierungs- und Steuerungstechnik.

Ein neues Kapitel der Firmengeschichte markierte Mitte der 1990-er Jahre der Einstieg in die Verfahrenstechnik mit Entwicklung und Fertigung von OEM-Modulen: Maschinenteilen in Erstausrüsterqualität, zum Beispiel für Druckmaschinen.

Im Jahr 2005 wurde das inzwischen aus der Lahmeyer AG ausgegliederte und in RWE Mechatronics umfirmierte Unternehmen zur Deutsche Mechatronics GmbH.

2013 rutschte das Unternehmen   in die Insolvenz, woraufhin ein Jahr später die „Tri Star“-Gruppe aus Shanghai als Mehrheitsgesellschafterin einstieg. „Das war ein echter Glücksfall für uns“, sagt Geschäftsleiter Jürgen Carl heute.

Am Standort Mechernich werden aktuell rund 280 Mitarbeiter beschäftigt, die zuletzt einen Jahresumsatz von rund 50 Millionen Euro erwirtschafteten. „In den drei vergangenen Jahren haben wir hier sehr profitabel gearbeitet“, so Carl weiter. (thw)