Auf seiner Homepage bietet André Schnura Saxophonstunden aus Leichlingen an, dazu wird er aber aktuell kaum Zeit haben.
„Typ mit Saxophon“Ein Musiklehrer aus Leichlingen wird zum gefeierten EM-Helden
Da ist ein Däne, der nach dem Achtelfinalspiel schreibt: „Der einzige Grund, warum ich froh bin, dass Deutschland gewonnen hat, ist, dass ich weiter diesem Typen zuhören kann.“ Und ein Engländer, der schreibt: „Ich brauche Deutschland im Finale, damit dieser Typ weiterspielt.“
Die Fußball-Europameisterschaft hat gerade erst ihre Halbzeit erreicht, den ersten Star hat sie aber schon jetzt hervorgebracht. Der „Typ mit dem Saxophon“, ist André Schnura, der in seinem Leben vor der Fußball-EM an der Musikschule Hilden gearbeitet und von Leichlingen aus Saxophon-Stunden angeboten hat. Der Spitzname wird ihm gefallen, denn genau das möchte Schnura sein: Einfach ein Typ, der Musik macht und diese für sich sprechen lässt.
Selbst spricht Schnura auch auf Anfrage hin nicht öffentlich. „Er kommt, rockt und verschwindet wieder“, sagt sein Management. „Macht mich bitte nicht größer, als ich bin, denn es geht hier um viel mehr als meine Person“, schreibt er selbst auf Instagram. So sehr er das Bad in der Menge offensichtlich liebt, so wenig möchte er seine Person dafür in den Mittelpunkt stellen. „Ihr Fans habt diese unglaubliche Euphorie und Liebe in diesem Land wieder entfacht.“ Er liefere nur den Soundtrack dazu.
Vor drei Wochen noch war Schnura weitgehend unbekannt, jetzt gehen die Bilder von ihm und seinem mattschwarzen Musikinstrument über sämtliche Social-Media-Kanäle um die Welt. Mehr als eine halbe Million Menschen folgen ihm plötzlich auf Instagram. Zum Achtelfinale der deutschen Nationalmannschaft in Dortmund war Schnura sogar als offizieller Programmpunkt beim Fanfest vor Tausenden im Westfalenpark geladen.
Auf der Bühne hält es ihn dort nicht lange, der 31-Jährige stürzt sich lieber mitten in das Getümmel und bringt mit Fußballklassikern wie „Samba de Janeiro“, „Zeit, dass sich was dreht“ und – natürlich – „Major Tom“ die Massen zum Tanzen. Völlig losgelöst.
Frust über Kündigung
Der Anfang dieser Geschichte klingt, als sei er aus Aschenputtel entliehen. Nach sechs Jahren als Lehrer an der Musikschule sei er wegen einer neuen Regelung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst gekündigt worden, schreibt Schnura auf seinem Profil. Weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte und eben gerade EM im eigenen Land ist, habe er sich ein altes Trikot von Rudi Völler übergeworfen und sei mit seinem schwarzen Tenorsaxophon auf eine Fanmeile gegangen.
Zwei Wochen später ist er der meist gefeierte Saxophonist Deutschlands, plant sogar jetzt eine eigene Tour im Herbst. Es gibt eine offizielle Petition, die einen Auftritt beim EM-Finale fordert. Menschen aus aller Welt ernennen ihn im Internet zum Mann des Turniers, Held einer neuen deutschen Einheit und Friedensbotschafter für Europa. Auch wenn das alles ein wenig überzogen sein mag: Der Musikschule wird er gerade nicht mehr nachtrauern, andersrum ist das womöglich schon so.
Botschaft für Liebe und Frieden
Dass das nicht immer so bleiben wird, ist Schnura wohl bewusst. „Hallo, ich bin der EM-Typ mit dem Saxophon und möchte meine 5 Minuten Fame nutzen, um euch an etwas Wichtiges zu erinnern“, schreibt Schnura in seinem jüngsten Post. Nämlich daran, einander zu lieben und zu vergeben. „Wir alle haben Sorgen, Ängste und Unsicherheiten. Niemand ist ohne Grund böse. Lasst euer Ego sterben und zeigt Verständnis für eure Mitmenschen.“
Er trägt stolz die deutschen Farben, ob nun im Völler-Retro-Stil oder dem neuen pink-lila-Trikot. Mit seiner fröhlichen und mitreißenden Musik trage er dazu bei, das Bild von Deutschland im Ausland zu verbessern und die Deutschen unter ihrer Fahne zu vereinen, sind sich seine Fans einig. „Unser wertvollster Spieler trägt keine Fußballschuhe, sondern ein Saxophon“, steht als oberster Kommentar von mehr als 1000 Kommentaren unter dem Post.
Und die Party geht weiter: Natürlich ist Schnura am Freitag in Stuttgart zugegen, wenn Deutschland im Viertelfinale auf Spanien trifft. Und ob Deutschland ausscheidet, das Turnier gewinnt oder was auch immer mit seinem plötzlichen Ruhm passiert. „Was bleibt, ist die Liebe“, schreibt Schnura.