AboAbonnieren

Zurückgezogen in KölnDie kleinen Lebensfreuden des Alfred Biolek

Lesezeit 4 Minuten
Alfred Biolek in Köln

Der ehemalige Moderator Alfred Biolek in Bio·s Bar im Deutzer Stadtpalais

Köln – Ganz langsam betritt Alfred Biolek den Raum. Sein Adoptivsohn Scott Biolek-Ritchie stützt ihn. Der schmale alte Herr macht winzige Schritte. Vorsichtig lässt er sich in einen Sessel sinken. Zerbrechlich wirkt er und etwas entrückt. Aber dann reicht ihm der Kellner einen kleinen Becher mit Vanillecreme-Pudding. Biolek probiert einen Löffel davon - und sofort geht ein Leuchten über sein Gesicht. „Hmmmm! Lecker!“ Mit einem Mal hat er wieder die gleiche Mimik wie damals in seinen Kochsendungen.

Nach längerer Zeit besucht Biolek an diesem sonnigen Nachmittag mal wieder „Bio's Bar“ in einem Kölner Hotel. Es ist eine Art begehbarer Schrein. Hier sind seine Fernsehpreise ausgestellt, die Bambis und Goldenen Kameras, hier hängen Schwarzweiß-Fotos von seinen großen Show-Momenten an den Wänden: Er mit US-Entertainer Sammy Davis Junior in „Bio's Bahnhof“ oder zusammen mit Modeschöpfer Karl Lagerfeld. Eine Zeichnung von Schauspieler Peter Ustinov, ein Dankesschreiben der englischen Komikergruppe Monty Python.

Talkshow „Boulevard Bio“ als Meilenstein

Ein Vierteljahrhundert war der promovierte Jurist eine feste Größe im Fernsehen, allein die Talkshow „Boulevard Bio“ lief zwölf Jahre. Das Publikum liebte ihn mit all seinen Schrulligkeiten. Der steif durchgedrückte Oberkörper, die Stichwortkärtchen, das Räuspern, die „Ähs“ - all das gehörte zu Bio. Mit „Alfredissimo“ etablierte er 1994 eine der ersten Kochshows.

Mittlerweile kocht er schon seit Jahren nicht mehr. „Ich bin 84, da ist das einfach zu mühsam.“ Aber er hat seine gesammelten Rezepte, 600 an der Zahl, der Nachwelt hinterlassen, in einem dicken Band mit vergoldeten Seiten, einem Werk von nahezu biblischem Gewicht: „Die Rezepte meines Lebens“. Jetzt im Alter habe er eine neue Vorliebe für Desserts und Kuchen entwickelt, erzählt er - und greift zu einem „Amerikaner“ mit Zuckerguss.

Sturz veränderte sein Leben

Ein schwerer Treppensturz hat 2010 sein Leben verändert. Er lag im Koma, wusste danach nicht mehr, wer er war. Scott las ihm seine eigenen Memoiren vor, so kam die Erinnerung zurück. Seitdem lebt Alfred Biolek sehr zurückgezogen. Der einst unermüdliche Reisende verlässt Köln heute nicht mehr.

Sein Tagesablauf ist immer gleich. Er steht nicht vor neun Uhr auf, frühstückt im Morgenmantel. Danach legt er sich noch mal auf die Couch. Mittags schaut Scott vorbei, und er isst ein Häppchen, „was Süßes“. Nachmittags kommt oft ein Freund und nimmt ihn mit raus zum Spazierengehen, etwa in den Stadtgarten, Kölns ältesten Park. Der liegt direkt vor seiner Haustür. Im Moment färben sich dort gerade die Blätter, dann ist es besonders schön.

Alfred Biolek in Köln (1)

Gemeinsame Essen mit Freunden

Abends schaut Biolek fern. „Aber nie eine ganze Sendung. Ich zappe.“ Oder er bekommt Besuch, und sie essen zusammen, schwelgen in Erinnerungen. Plaudern über lang verstorbene Kollegen wie „Rudi“. Rudi Carrell, mit dem er in den 70ern die Spielshow „Am laufenden Band“ produzierte. Diese gemeinsamen Essen mit Freunden sind die schönsten Momente, die er noch hat. Dann ist er zufrieden, vielleicht glücklich.

„Ich esse ja gern Süßes“, sagt er wie zur Entschuldigung und greift noch mal nach dem Vanillecreme-Pudding. Manchmal wird er auf seinen Spaziergängen angesprochen. „Nur die älteren Leute, die jüngeren haben mich ja nie gesehen.“ Wobei, ansprechen: Eher zeigen die Älteren, dass sie ihn erkennen. „Direkt ansprechen, das tun sehr wenige.“ 2003 hatte er seine Talkshow aufgegeben, 2007 die WDR-Kochshow. „Meine Zeit ist jetzt zu Ende“, sagte Biolek damals.

Er stellt den Pudding weg: „Der war gut.“ Bisher war das Treffen eine zwanglose Plauderei, aber jetzt wird es ernst: Es soll noch ein kurzes Video aufgenommen werden. „Okay“, sagt er. Sofort setzt er sich etwas aufrechter hin und schmunzelt in die Kamera. „Mir geht's gut“, versichert er auf Nachfrage, „sehr gut“. Die Antworten kommen jetzt flüssiger, die Stimme ist fester.„Die Kamera liebt dich“, schwärmt Scott anschließend. „Immer noch. Du schaust da durch, und es ist wie vor 20 Jahren.“ Der so Gelobte geht nicht darauf ein.

Stattdessen fragt er: „Darf ich noch was essen?“ „Hau rein!“, feuert ihn Scott an. Wer einen so guten Appetit hat, kann eigentlich noch nicht so bald abtreten. „Es kann sein, dass ich noch 100 werde“, bestätigt er. „Aber irgendwann kommt er, der Tod. Das ist die normalste Sache der Welt. Und dann ist es auch gut.“

Scott hilft seinem Adoptivvater aus dem Sessel. Sie verabschieden sich, und vorsichtig tastend geht es wieder hinaus. Ganz langsam. Aber das macht ja nichts. Alfred Biolek hat Zeit. Und er hat Scott. (dpa)