Zum 80. Geburtstag von Markus Lüpertz„Malerei und Bildhauerei sind in der Krise“
- „Ich bin der Prophet meiner Profession“, sagt der gerne als Dandy auftretende Markus Lüpertz, der am Sonntag 80 wird.
- Mit dem Künstler sprach Thomas Kliemann.
Der neue Intendant des Meininger Staatstheaters, Jens Neundorff von Enzberg hat Sie eingeladen, „La Bohème“ zu inszenieren. Was fasziniert Sie an der Bohème?
Ich bin grundsätzlich Opernfan. Ich liebe Puccinis Musik unheimlich, er war ein sehr künstlerischer Mensch. Er nennt „La Bohème“ eine Oper in vier Bildern. Das reizt mich: Eine Oper so zu inszenieren, dass man auf vier Bilder schaut. Ich denke an bewegte Bilder. Wir treten in ein Bild ein.
Was genau werden wir sehen?
Zur Person
Markus Lüpertz wurde 1941 in Reichenberg (Liberec/Tschechien) geboren. 1947 zog die Familie nach Rheydt (Rheinland).
Lüpertz war von 1988 bis 2009 Rektor an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf. Neben Malerei schuf er Skulpturen, Bühnenbildentwürfe, Kirchenfenster. (t.k.)
Da müssen Sie sich überraschen lassen. Ich arbeite daran. Es wird ein Lüpertz sein.
Auch in Ihrem künstlerischen Werk ist eine Affinität zur Musik spürbar. Sie haben etwa für Salzburg ein Mozartdenkmal, für Bonn eine Hommage an Beethoven geschaffen...
Beethoven ist ein Musikgott. Komischerweise bin ich aber nicht der große Beethovenfan. Aber er ist unumstritten, einmalig. Alles, was er machte, ist gut und richtig. Der „Fidelio“ ist eine der albernsten Opern, die ich kenne, und musikalisch fantastisch. Mozart stirbt mit 35. Der musste sterben, mehr war da nicht drin. Beethoven ist über eine lange Distanz gegangen, musste sich viel mehr quälen und ist deswegen auch der genialere Musiker. Mozart hatte die von Gott gegebene Begabung, musste sich nicht quälen; Beethoven aber musste um jeden Ton ringen. Die Qual des Lebens hat mich fasziniert.
Beide Skulpturen zogen auch viel Kritik auf sich, Mozart wurde als pummelig und beleidigend empfunden, Beethoven als pathetisch und Provokation. Hat man Sie falsch verstanden?
Eine Hommage ist eine Interpretation, damit ist jede Freiheit gegeben. Ich versuche, Musik zu illustrieren. Dass das so wenig verstanden wird! Bei Beethoven zeige ich ein Porträt-Kopf und dahinter den gebrochenen Orpheus. Und alle sehen Beethoven in Orpheus!
Man könnte beide Skulpturen dahingehend interpretieren, dass es Ihnen auch um die Last geht, ein Genie zu sein.
Genau, so ist es. Und wenn alles gut geht, kommt noch eine Schumann-Skulptur in Düsseldorf dazu.
Verspüren Sie auch diese Last? In vielen Interviews haben Sie sich als Genie bezeichnet.
Ich habe mich nie als Genie bezeichnet. Ich habe immer gesagt, dass Malerei und Bildende Kunst ein Handwerk sind. Ich kann das Handwerk nur mit Genie besiegen. Jeder Maler braucht Genie, um das Handwerk zu überwinden. Wenn er das nicht schafft, bleibt er ein mittelmäßiger Maler. Diesen Krieg führen wir täglich als Künstler. Große Kunst können Sie nur im Vergleich feststellen. Sie müssen sich ständig mit dem, was an Malerei entsteht, vergleichen. Wenn Sie da kein Genie haben, machen Sie keine gute Kunst.
Ende dieser Woche werden Sie 80 Jahre alt. Ist das eine Zäsur?
Ich weiß es nicht. Durch die Pandemie kann nichts stattfinden. Ich werde keine 80, weil ich nicht feiern kann.
Sind Sie noch täglich im Atelier?
Na sicher, was soll ich sonst machen?
An was arbeiten Sie aktuell?
Ich arbeite gerade an 14 Platten aus Keramik für die U-Bahn in Karlsruhe mit einer Interpretation der Genesis und Fenster für St. Andreas in Köln, Taufe Christi und Auferstehung.
Spielt der Begriff Alters- oder Spätwerk eine Rolle?
Dafür müsste man akzeptieren, alt zu sein Ich habe keine Idee vom Spätwerk, weil mich nicht interessiert, was ich gemalt oder gebildhauert habe. Mich interessiert, was ich gerade mache. Ich bin aktuell, habe keine Vergangenheit und keine Zukunft.
Unlängst gaben sie Walter Smerling ein Interview zum Thema Corona. Nach zwei Minuten brachen Sie das Interview ab! Was macht Corona mit Ihnen?
Keiner weiß etwas, Wissenschaftler und Politiker widersprechen sich, ich tue das, was man mit sagt: Geh zur Impfung, zieh die Maske an. Ich begreife es nur nicht. Man muss es einfach überleben. Was mich irritiert ist, mit welcher Leichtigkeit Demokratie übergangen wird.
Das Thema hieß „Kunst und Krise“. Wie kommt sie da raus?
Die Kunst ist nicht in der Krise. Nur die Malerei und Bildhauerei sind in der Krise.
Wie meinen Sie das?
Sie werden abgeschafft. Das Neueste ist, dass man van Gogh in einen dunklen Raum steckt, und dann kann man durch die Bilder gehen. Jemand aus der High-Tech-Welt sagte mir, da könne man die Bilder ganz neu erleben. Er vergisst, dass man den Leuten mit solchen Methoden das Denken abnimmt. Ein Bild ist eine Herausforderung, die Fantasie des Betrachters zu mobilisieren. Van Gogh virtuell zu erleben, ist die Beerdigung der Malerei. Erst wenn Sie einen Sonnenuntergang gemalt sehen, können Sie begreifen, wie schön er ist. Der liebe Gott hat die Maler in die Welt geschickt, um den Menschen die Welt zu erklären. Das ist der Auftrag der Maler und das ist nicht mehr en vogue.
Daher die Krise?
Solche Krisen hat es immer gegeben. Früher hatten wir eine Gesellschaft, die wurde durch die Kunst hochgezogen, heute wird die Gesellschaft gar nicht mehr hochgezogen, weil sie keine Forderungen stellt, sie will nur noch unterhalten werden. Mal sehen, ob die Malerei und Bildhauerei das überleben. Ich habe das Gefühl, dass ich in einer Götterdämmerung lebe.
Die legendäre Generation der Malerfürsten und Titanen mit Gerhard Richter, Georg Baselitz und Ihnen bald, Jasper Johns und David Hockney ist in den 80ern oder jenseits davon. Was bietet die nächste Generation?
Es gibt großartige jüngere Kollegen, ich denke an Peter Doig, Neo Rauch, Daniel Richter. Es gibt immer wieder Maler, Talente, Sehnsucht zu malen. Ich fürchte nur, dass die dann nicht mehr malen wollen, weil sie keinen Erfolg mehr damit haben, kein Geld verdienen können. Der Hype des Digitalen wird durch die Pandemie befördert. Ob die Leute davon wieder runterkommen, wenn das alles vorbei ist, halte ich für ein Gerücht.