Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Zum 100.GeburtstagPeanuts-Fans feiern Charles M. Schulz

Lesezeit 4 Minuten
HANDOUT - 21.11.2022, USA, Santa Rosa: Rerun Van Pelt (hinten, l-r), Franklin, Sally Brown, Charlie Brown, Snoopy, Lucy van Pelt, Peppermint Patty, Marcie, sowie Beethoven-Fan Schröder am Klavier und Vogel Woodstock - die berühmten Peanuts-Figuren von Schöpfer Charles M. Schulz.

Die berühmten Peanuts-Figuren von Schöpfer Charles M. Schulz. 

Seine Bilder sagen mehr als tausend Worte: „Peanuts“-Schöpfer Schulz würde heute 100. Eine gute Gelegenheit auf sein Leben und sein Werk zurückzublicken.

Ob in Büchern, Filmen oder Comics: Helden werden verehrt und bewundert, aber geliebt werden vor allem die ewigen Pechvögel. Der neben Donald Duck wohl berühmteste Verlierer ist Charlie Brown, ein kleiner Junge mit einem klassischen Durchschnittsnamen, dem absolut nichts gelingen will. Trotzdem lässt er sich nicht unterkriegen. Sein heroischer Trotz erinnert an Samuel Becketts berühmten Zeilen aus dem Spätwerk „Aufs Schlimmste zu“: „Immer versucht. Immer gescheitert. Einerlei. Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.“ Allerdings mit dem Unterschied, dass Charlie Brown selbst das bessere Scheitern nicht vergönnt ist.

Der Schöpfer dieser Figur, mit der sich seit dem ersten Erscheinen des Comicstrips unter dem Titel „Die Peanuts“ im Oktober 1950 ganze Generationen identifizieren konnten, wäre am heutigen Samstag 100 Jahre alt geworden.

HANDOUT - 21.11.2022, USA, Santa Rosa: Charles M. Schulz Schöpfer der berühmten Peanuts-Figuren, steht neben Aufstellern, die Hund Snoopy und den kleinen gelben Vogel Woodstock darstellen.

Santa Rosa: Charles M. Schulz Schöpfer der berühmten Peanuts-Figuren, steht neben Aufstellern, die Hund Snoopy und den kleinen gelben Vogel Woodstock darstellen.

Wie nur ganz wenige Zeichner hat es der Amerikaner Charles M. Schulz dank seines meisterlichen Talents zur Reduktion verstanden, komplexe Sachverhalte in wenigen Bildern und mit sparsamen Sprechblasen auf den Punkt zu bringen. Seine größte Leistung aber bestand womöglich darin, den Unglücksraben Charlie Brown all seinem Pech zum Trotz zu einem Vorbild werden zu lassen: Anders als der zu einer gewissen Großmäuligkeit neigende Donald Duck ist Charlie stets höflich, freundlich und hilfsbereit; und er lässt trotz seiner hartnäckigen Selbstzweifel nicht unterkriegen.

Anti-Helden als Helden der Geschichten

Beispielhaft für diese Beharrlichkeit, die regelmäßig an Realitätsverweigerung grenzt, ist eine Gemeinheit, die Schulz mehrere Dutzend Male erzählt hat: Obwohl die fiese Lucy jedes Mal im letzten Moment den Fußball wegzieht, so dass seine Kraft ins Leere verpufft und er schmerzhaft auf dem Rücken landet, nimmt Charlie immer wieder aufs Neue Anlauf. Ähnlich kläglich enden seine Versuche, einen Drachen steigen zu lassen. Erschütternd ist auch seine Bilanz als Baseball-Manager: Sein Team wird permanent geschlagen, dennoch lässt er es immer wieder antreten. Dabei vermasselt er die „Big Points“ meist selbst und muss sich dann regelmäßig „Holzkopf“ schimpfen lassen.

HANDOUT - 01.01.1971, USA, Santa Rosa: Charles M. Schulz Schöpfer der berühmten Peanuts-Figuren. Fast 50 Jahre lang zeichnete er die weltberühmte Comic-Serie um Charlie Brown, Snoopy und deren Freunde.

Charles M. Schulz Schöpfer der berühmten Peanuts-Figuren. Fast 50 Jahre lang zeichnete er die weltberühmte Comic-Serie um Charlie Brown, Snoopy und deren Freunde.

Womöglich noch bekannter als Charlie Brown ist sein Hund Snoopy, ein erstaunlicher Beagle, dessen Obsession der „Rote Baron“ Manfred von Richthofen ist, der erfolgreichste deutsche Jagdflieger im Ersten Weltkrieg. Mit ihm liefert sich Snoopy lebensgefährliche imaginäre Luftkämpfe. Ungewöhnliche Hunde bewohnen außergewöhnliche Hundehütten: Neben Fernseher, elektrischer Eisenbahn und Billardtisch beherbergt Snoopys bescheidenes Heim auch einen Whirlpool. Sein ständiger Gefährte ist ein kleiner Vogel unidentifizierbarer Herkunft namens Woodstock; gemeinsam unternehmen sie waghalsige Pfadfinderabenteuer, selbst wenn Woodstock für einen Vogel erstaunlich schlecht fliegen kann. Aber auch Snoopy hat ein Trauma: Als Charlies jüngere Schwester Sally ihn einst zum Thema „Unsere Tiere, unsere Freunde“ mit in die Schule nahm, wurde er für einen kleinen Elch gehalten.

Archetypen menschlicher Neurosen und Phobien

Zum weiteren Personal der Comicstrips gehören unter anderem ein genialer Pianist namens Schröder, der einem Spielzeugklavier mit aufgemalten Tasten virtuose Töne entlockt, Linus mit der Schmusedecke sowie Pig Pen, das Idol aller wasserscheuen Kinder: Der Junge starrt derart vor Dreck, dass er dauernd von Stinkwölkchen umgeben ist. Das Personal repräsentiert perfekt die Archetypen menschlicher Neurosen und Phobien, ausnahmslos projiziert auf gar nicht so unschuldige Kinder (Erwachsene kommen in den Strips grundsätzlich nicht vor). Trotz seines scheinbar simplen Stils ist es Schulz auf unnachahmliche Weise gelungen, in den Gesichtern komplexe Emotionen zum Ausdruck zu bringen. Die psychologisch interessanteste Figur neben dem sanften Charlie Brown ist Lucy, die große Schwester von Linus, ein fast schon soziopathisch veranlagtes Mädchen, das den sanften Charlie zur Zielscheibe ihrer Bosheit erkoren hat. Den Limostand der Kinder hat sie kurzerhand zum psychiatrischen Service umfunktioniert; für ein paar Cents enthüllt sie ihren Freunden schonungslos grausame Wahrheiten.

Todestag von Charles M. Schulz im Februar 2000

Zeichner Charles M. Schulz starb im Februar 2000. Anders als viele seine Kollegen war der Sohn eines deutschen Einwanderers kein Freund von Arbeitsteilung. Jeder einzelne Strich seiner insgesamt rund 18000 Comic-Strips ist original Schulz. Anders als etwa bei „Asterix“ war somit stets klar: Mit ihrem Schöpfer würde auch die „Peanuts“-Ära enden.

Seine Erben können sich aber nach wie vor über sprudelnde Einnahmen freuen: Schon vor fünf Jahrzehnten, als der Unterhaltungsindustrie noch gar nicht klar war, welche gigantischen Umsätze in der Vermarktung populärer Film- und Comicfiguren auf Tassen, T-Shirts oder Schulranzen („Merchandising“) schlummern, setzten die „Peanuts“ bereits umgerechnet 75 Millionen Euro pro Jahr um. Charlie Brown hat Schulz, der ein zurückgezogenes Leben führte, zum Milliardär gemacht.