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VorpremiereDe Kölsche Fledermaus gewinnt die Herzen im Flug

Lesezeit 5 Minuten
Blumenballett mit Bienchen im  Divertissementchen „De Kölsche Fledermaus“ im Staatenhaus.

Blumenballett mit Bienchen im Divertissementchen "De Kölsche Fledermaus" im Staatenhaus.

Die Vorpremiere des Divertissementchen im Staatenhaus wird frenetisch gefeiert.

Mit dem neuen Divertissementchen „De kölsche Fledermaus“ legt die Cäcilia Wolkenburg ein Musical vor, das vom ersten Moment an mitreißt. Multiple Krisen sind im musikalischen Rausch für drei Stunden vergessen. Dank eines atemberaubenden Potpourris von Karel Gotts Schlager „Maja“ über Kasallas Song „Dat Beste an mir bes du“ bis zum Kindersong „Schnappi, das kleine Krokodil“.

Kein braunes Konfetti

Auf der Bühne herrscht Begeisterung pur, der ganze Saal geht mit. Auch beim Bekenntnis, viel Konfetti in allen Farben zu schmeißen. Nur nicht braun. Zeitlich passt das alles wunderbar in die 1920er Jahre mit großer Inflation, in der ein Liter Milch 280.000 Mark kostet.

Es ist zum Mäusemelken, was dem rauschenden Lebensgefühl aber keinen Abbruch tut. Tom Grasshofs Bühnenbild und Judith Peters Kostüme fangen die Goldenen Zwanziger kongenial ein. Die Bühnenspielgemeinschaft im Kölner Männer-Gesang-Verein hat in bewährter Manier wieder einmal rasant die Kurve zur Klassik genommen.

Diesmal zur meistgespielten Operette von Johann Strauss (Sohn). „Die Fledermaus ist so alt wie wir, die Uraufführung fand 1874 in Wien statt. Im gleichen Jahr gründeten unsere Vorfahren die Bühnenspielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg im KMGV“, schreibt Baas Simon Wendring im Programmheft.

Das Meisterwerk der meistaufgeführten Straußoperette ist ja sowieso irgendwie in der Domstadt verortet, schon rein genetisch: Denn Richard Genée, der neben Carl Haffner damals das Libretto der „Fledermaus“ schrieb, wechselte 1854 als Theaterkapellmeister nach Köln. Strauss wiederum begründete ausgehend von den satirischen Parodien des berühmten Sohns der Stadt, Jacques Offenbach, die klassische Wiener Operette. Das ganze Wiener Blut – alles urkölsch.

Schlüsselszene versetzt

Reife Harmonik, unerschöpflicher melodischer Einfallsreichtum und die mitreißende Rhythmik stellten Strauss an die Seite jedes seriösen Opernkomponisten. In der kölschen Version geht es gleich los mit dem Fauxpas des als Fledermaus kostümierten Prinz Karneval am Kölner Rheinufer. Dass man im „Zillcher“, wie es die Kölnerinnen und Kölner liebevoll nennen, aus dramaturgischen Gründen nun die Schlüsselszene, die im Original nur nacherzählt wird, gleich an den Anfang nimmt, stört im Staatenhaus niemanden.

Autor und Regisseur Lajos Wenzel hat den wilden Reigen ja zum 200. Geburtstag von Johann Strauss Sohn arrangiert. Und bei Geschenken, mäkelt man bekanntlich nicht rum. Da gäbe es aber auch keinen Grund. Auf der Bühne entfacht das Männerballett, begleitet von den Bergischen Sinfonikern und den Westwood Slickers unter der Leitung von Bernhard Steiner , einen tänzerischen wie musikalischen Furor.

Gute Laune, großes Drama und Protagonisten, die es faustdick hinter den Ohren haben, bestimmen die Story, die nicht immer ganz schlüssig, aber virtuos getaktet ist und daher ganz authentisch rüberkommt.

Wenn es da einem also mal nicht ganz flattrig wird: Mätes I. (Rainer Wittig), Karnevalsprinz aus Köln, lässt sich von seinem Freund Anton Adler (Jürgen Nimptsch) aus Düsseldorf (!) verführen, es vor der Hochzeit noch einmal richtig krachen zu lassen. Beide wollen sich am Aschermittwoch trauen und sich vorher nochmal richtig amüsieren.

Denn danach befürchten sie Fesseln der Ehe, aber nicht minder brisant sind die strengen Vorschriften des Festkomitee Kölner Karneval, dessen Präsident (Christian Manthe) keinen Alkohol vor den Auftritten seiner Tollität duldet. Adler gibt Mätes sein Fledermauskostüm für das Inkognito und das Schicksal nimmt seinen Lauf.

Verkaterter Prinz

Als der verkaterte Prinz tags darauf auf der Titelseite einer Lokalzeitung im Delirium mit Fledermauskostüm auf einer Parkbank auf der Schäl Sick überführt wird, ist das erst der Anfang vom tiefen Sturz. Mätes muss erleben, auf einen schlag nicht mehr Majestät zu sein, seine Marie (Markus Becher) verlässt ihn vor der Hochzeit und von seinem Freund Adler fühlt der arme Mann sich verraten, schwört Rache. Die ist bekanntlich süß wie eine Nachspeise. Aber wie bereitet man die zu?

Wäre da nicht die List der Frauen, die allen Filous eine Lektion erteilen und am Ende Versöhnung feiern, wäre das ganze Hin und Her nur halb so schön. Allen voran die Rädelsführerinnen Amalia und Emma als Frosch-Schwestern – benannt nach dem Gefängniswärter in der Operette – sind ein Gespann, das dem fantasievollen Handlungsstrang samt erläuternden Kommentaren (Texte Lajos Wenzel, Simon Wendring, Oper Köln, Liedtexte Johannes Fromm, Manfred Schreier) in breitestem Kölsch die unvergleichliche Würze gibt.

Wolfgang Semrau und Simon Wendring in den Frauenrollen mit Betonfrisur, Handschellen und Schlüsselbund sind hinreißend, aber auch ein bisschen furchteinflößend. Als Mutter und Tante der tieftraurigen Marie trachten sie danach, dass Mätes gleichermaßen eine Lektion erfährt und auch rehabilitiert wird.

Lebensfrohe Wiever

Dass er sie offenbar nicht erkennt, bleibt ein großes Rätsel, hat aber zum Vorteil, dass kein böses Wort über Schwiegermütter fällt. Die Wiever sind keine Kinder von Traurigkeit, auf der Pirsch nach einem Partner ist im Karneval ja schließlich fast jeder einmal. Als zum Schluss eine beeindruckende Szene im Klingelpütz mit Gefangenen in einer dreistöckigen Galerie hinter Gittern zu den Klängen von Edward Elgars „Nimrod“ erklingt, stellt sich schönstes Operngefühl ein. In Dantes Göttlicher Komödie wird die Heldengestalt Nimrods für „Babylonische Sprachverwirrung “ verantwortlich gemacht. Womit man wieder einmal beim Zillcher wäre, nur dass sich dort alles aufklärt.

Die nächsten Wochen bis 4. Märzflattert die Fledermaus durchs Staatenhaus. Bereits am ersten Tag waren die Karten zu 80 Prozent, nach zwei Wochen restlos verkauft. Wer in diesem Jahr leer ausgeht, dem bietet der KMGV an, sich auf der Homepage mit seiner E-Mail anzumelden, um rechtzeitig von dem Start des Vorverkaufs eine Mail mit allen Infos zu erhalten. Vom 18. Januar bis 17. Februar wird dann das Divertissementchen „E Levve för Kölle“ zum 150. Geburtstag von Kölns ehemaligen Oberbürgermeister Konrad Adenauer gespielt. www.infoservice.divertissementchen.de