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Interview

Vivi Vassileva spielt im Kölner Gürzenich
„Wir Schlagzeuger haben einfach diesen Entdeckergeist“

Lesezeit 5 Minuten
Die Schlagzeugerin Vivi Vassileva spielt im Familienkonzert des Gürzenich-Orchesters.

Die Schlagzeugerin Vivi Vassileva spielt im Familienkonzert des Gürzenich-Orchesters.

Die Schlagzeugerin Vivi Vassileva (30) wird ab Freitag mit dem Konzert „Trommelwirbel“ den 25. Geburtstag der Musikvermittlung „Ohrenauf“ mit dem Gürzenich-Orchester feiern.

Die aus Bulgarien stammende Künstlerin gilt als junge Wilde und war wiederholt in der Philharmonie zu erleben.

Über junges Publikum sagte der gerade verstorbene Dirigent Seiji Ozawa: „Sie hören uns ganz intensiv zu. Aber wenn es langweilig ist, dann schießen sie mit Gummibändern auf uns. Wir müssen unser Bestes geben, sonst kriegen wir Gummibänder ab.“ Können Sie solche Sorgen nachvollziehen?

Ich bin da ohne Sorgen, weil ich einfach überzeugt davon bin, dass die Art von Musik, die ich mache, und die Schlagzeuginstrumente die Kinder total in den Bann ziehen. Aber ich bin absolut einverstanden mit Ozawa. Denn Kinder sind das ehrlichste Publikum und wenn man sie erreicht, ist es ein extrem erfüllendes Erlebnis.

Im Familienkonzert „Trommelwirbel“ mit dem Gürzenich-Orchester in der Philharmonie geht es um Nachhaltigkeit. Was schlagen Sie Eltern und Kindern vor. Wie lässt sich mit wenig Mitteln ein Schlagzeug bauen?

Es gibt kaum einen Schlagzeuger, der nicht als Kind sein erstes Drumset aus Töpfen gebaut hat. Die Deckel kann man aufhängen. Und ein paar Sticks kann man jedem Kind mal schnell kaufen.

Am Frühstückstisch ist bestimmt kein Marmeladenglas vor Ihnen sicher?

Ich weiß schon, wie mein Geschirr klingt. Aber es stimmt, wir Schlagzeuger haben einfach diesen Entdeckergeist. Wir lieben es, neue Instrumente, neue Klänge zu entdecken und zu kombinieren. Und wenn ich mich in einer neuen Situation sehe, mit neuen Materialien, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich das ausprobieren werde. Aber vieles in meiner Umgebung kenne ich natürlich schon.

Auf dem Schlagzeug ist ja sogar ein Schlaflied spielbar.

Mit unseren Instrumenten kann man sehr sanft umgehen. Das Tolle ist die dynamische Bandbreite, die meines Wissens kein anderes Instrument in dieser Amplitude hat. Das Vibrafon lässt sich so leise spielen, dass man eine Nadel im Publikum fallen hört.

Was ist ihre Erfahrung, wenn Sie mit ganz jungen Menschen zusammenarbeiten?

Es ist einfach schön, weil bei der Trommel hat man sofort ein Erfolgserlebnis. Man hat einen Schlegel in der Hand und haut einfach drauf und sofort ist ein Klang da, der einen erfüllt. Und deswegen gibt es auch nicht diesen riesen Respekt und die Angst. Der Rhythmus ist einfach in unserer DNA, wahrscheinlich war er schon da, bevor wir angefangen haben zu reden. Unsere Vorfahren haben schon in die Hände geklatscht und Rhythmen geklopft, auf ihren Herzschlag gehört.

Sie haben zuerst Geige gespielt, die aber gegen das Schlagzeug getauscht, als Sie Volksmusikern an der Schwarzmeerküste zugehört haben. Was war das für ein Moment?

Meine Familie hat ein Haus am Schwarzen Meer. Da haben wir in meiner Kindheit jeden Sommer verbracht. Der Strand war einer der letzten unverbauten Strände in Bulgarien. Damals gab es immer diese Trommler, die mit ihren Darbukas im Kreis saßen. Ich fand das total cool und habe mich irgendwann getraut zu fragen, ob ich probieren darf. Sie haben mich sofort in ihren Kreis geholt und ich habe gleich mit ihnen musiziert. Mit der Geige spielt man ja meist allein, im besten Fall mit einem Pianisten. Es war eine tolle Erfahrung, wie spontan Musik sein kann.

Und wo lernt man es überhaupt, so hervorragend, die Marimba zu spielen?

Es ist wie bei allem die Übung. Als ich mit dem Schlagzeug angefangen habe, kannte ich die ganze Welt der Percussion und der zeitgenössischen Musik noch gar nicht. Als ich mich für meinen ersten Wettbewerb bei „Jugend musiziert“ vorbereitete, habe ich ein Bachmenuett auf dem Xylofon geübt, ich konnte es auswendig. In der Musikschule hatten wir keine Marimba. Als ich dann das erste Mal bei meinem damaligen Lehrer in der Wohnung auf einer solchen spielen durfte, kam mir sofort dieser warme, erdige Klang entgegen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Und ich durfte mit tollen Leuten zusammenspielen. Nicht zuletzt mit Martin Grubinger, der mir gezeigt hat, wie man Klang aus diesem Instrument herausholt.

Ihre Eltern sind Musiker, ihr Bruder ist Konzertmeister am Londoner Royal Opera House. Spielen Sie zusammen, Percussion und Geige?

Ja, wir haben ein superschönes Programm entwickelt, das wir im vergangenen Jahr auf dem Schleswig-Holstein Musikfestival gespielt haben und in diesem Jahr im Wiener Konzerthaus aufführen.

Worauf freuen Sie sich im Familienkonzert „Trommelwirbel“ in der Kölner Philharmonie besonders?

Ich freue mich auf das Gürzenich-Orchester und die Dirigentin Ustina Dubitsky. Das sind einfach Vollblutmusiker und es macht unheimlich viel Spaß, mit ihnen zu spielen. Und ich freu mich auf die Philharmonie, die einer der besten Konzertsäle ist, die wir haben.

Mit den Konzerten „Trommelwirbel“ am 8. Und 10. März. Für die Familienkonzerte am 10. März um 11 und 14 Uhr macht das Gürzenich-Orchester den Auftakt zum 25. Geburtstag der Musikvermittlungsabteilung „Ohrenauf!“. Es gibt noch Restkarten.

Anfangs richtete sich das Musikvermittlungsprogramm, das zu en ältesten in Deutschland zählt, an Kinder und Jugendliche. Doch mittlerweile ist es an alle Altersgruppen vom Kindergarten bis zu den Senioren gerichtet. Mal vor Ort als Unterwegskonzerte in den verschiedenen Einrichtungen, mal in der Philharmonie. Seit Einführung des Bürgerorchesters und des Bürgerchors besteht auch für Hobbymusiker die Möglichkeit gemeinsam mit den Musikern des Orchesters auf der Bühne des Philharmonie zu stehen.

Im Jubiläumsjahr wird es viele Sonderveranstaltungen geben. Darunter die Aufführung von Bernhard Ganders „Melting pot“ mit Kölschen HipHop-Künstlern und großem Orchester sowie die Kooperation mit dem Hänneschen Theater im Herbst Weitere Informationen dazu gibt es online.