Ein Gespräch mit Viggo Mortensen über den Western „The Dead Don't Hurt“, dessen Hauptdarsteller, Regisseur und Drehbuchautor er ist.
Viggo Mortensen über „The Dead Don't Hurt“„Ich wollte einen klassischen Western mit eleganter Fotografie“
Als „Aragorn“ im „Herrn der Ringe“ wurde Viggo Mortensen berühmt. Nun hat der 65-Jährige zum zweiten Mal Regie geführt und auch das Drehbuch verfasst. Bevor der Western „The Dead Don't Hurt“ nächste Woche ins Kino kommt, hat Dieter Oßwald mit ihm gesprochen.
Herr Mortensen, üblicherweise sind Sie bekannt dafür, bei Interviews barfuß und mit Kräutertee aufzutauchen. Was ist passiert?
Nicht dieses Mal. Ich sitze hier mit einem Glas Apfelsaft. Gutem deutschen Apfelsaft. Der schmeckt sehr gut.
Welches Etikett würden Sie für Ihren Film vorschlagen? Feministischer Western? Oder lieber Soul-Western?
Ich weiß nicht, es ist eine Geschichte über eine Frau, vielleicht ein weiblich geprägter Western. Es ist eine Liebesgeschichte im Western, in der die Hauptfigur eine Frau ist. So könnte man es sagen.
Gemeinhin geht es in diesem Genre eher ruppig als sensibel zu. Und Frauen sind Nebensache…
Es gab einige Western, in denen eine Frau die Hauptrolle spielt, aber das sind fast immer außergewöhnliche Frauen, große Landbesitzerinnen, reiche Frauen, Salonbesitzerinnen oder außergewöhnliche exotische Schönheiten. Man denkt an Barbara Stanwyck, Marlene Dietrich oder Claudia Cardinale. Man hat normalerweise keine gewöhnliche Frau als Hauptfigur, und man bleibt nie bei der Frau, wenn der Mann in den Krieg zieht. Das ist also auch ungewöhnlich.
Wie würden Sie Ihren Helden, den Sie auch selber verkörpern, beschreiben?
Er ist ein Mann, der weit gereist ist, aber ihm gefällt das Leben im nordamerikanischen Westen, wo er Wurzeln geschlagen hat. Er hat sich so weit in das dortige Leben gefügt, dass man fast sagen könnte, er ist ein skandinavischer Cowboy. Von Natur aus ist er ein Einzelgänger, ein respektabler Schreiner und Schriftsteller – und auch ein ehemaliger Soldat. Er mag ein wenig faul erscheinen, weil er dazu neigt, nur das zu tun, was ihm Spaß bereitet, und sich nicht allzu viele Gedanken um Geld macht.
Sie sind auch literarisch tätig, betreiben einen eigenen Verlag. Rührt daher die Erzähllust im Drehbuch, das die Geschichte mit Zeitsprüngen und Rückblenden erzählt?
Diese Geschichte hat sich organisch entwickelt. Ich mag diese Struktur, wie sie geschrieben und im Film erzählt ist. Um sicherzugehen, haben wir eine Variante in chronologischer Reihenfolge geschnitten, aber die ursprüngliche Form war interessanter. Man lernt die Charaktere besser kennen und versteht ihre Handlungen und Motivationen besser. Die nicht-lineare Erzählweise gibt den Charakteren und ihren Geschichten mehr Tiefe. Es erlaubt dem Publikum, in gewisser Weise den Figuren voraus zu sein, was ich mochte.
Sie schreiben nicht nur, sondern sind zudem Fotograf. Welche Auswirkungen hat das auf den Look des Films?
Ich wollte einen klassischen Western mit einfacher und eleganter Fotografie. Unser Ziel war es, die Landschaften und Menschen so authentisch und unaufdringlich wie möglich darzustellen.
Dabei konnte ich mich auf unseren exzellenten Kameramann Marcel Zyskind verlassen, mit dem ich schon „Falling“ gedreht habe. Marcel ist technisch sehr versiert und hervorragend im Komponieren von Bildern.
Wie lässt man die damalige Zeit authentisch aussehen?
Wenn ich mir Western ansehe, schaue ich mir vor allem an, wie sie reiten. Wie steigen sie auf ein Pferd und wieder ab? Wie halten sie die Zügel? Und wie ist die Umgangssprache, wie sprechen diese Leute? All die Details der Epoche natürlich, und wie sehen die Landschaften aus, in denen diese Menschen leben?
Auf dem Tagesplan beim Drehen stand stets der Hinweis: „Ich hoffe, dass ihr eine gute Zeit haben werdet, aber dass die Erfahrung euch nicht zu sehr schadet.“ Wie wichtig ist die Harmonie am Set?
Diese Harmonie und Effizienz waren entscheidend für den Erfolg der Produktion. Der Film mag aussehen, als habe er doppelt so viel gekostet, und wir hätten 50 Tage gedreht. Tatsächlich waren es lediglich 30 Tage. Trotz des engen Zeitplans und der schwierigen Drehorte haben wir effizient gearbeitet. Wir waren gut vorbereitet und konnten einen Tag früher als geplant und unter dem Budget abschließen.
Hätten Sie gerne in der Zeit des Wilden Westens gelebt?
Ich denke, ich hätte es genossen. Ich mag die Landschaften, die Natur und Pferde. Das Leben im Wilden Westen hätte mir wahrscheinlich gefallen, auch wenn es rau war.
Zeitgleich zur Ihrem Western kommt Kevin Costners „Horizon“ in die Kinos. Wie fühlen Sie sich in diesem Showdown?
Als Showdown mit Costner sehr ich das nicht. Ich kenne Kevin und wünsche ihm viel Glück mit seinem Film. Sein Western hat eine andere Erzählweise und Ambition als meiner. Unser Film ist speziell eine Geschichte über eine Frau und eine Liebesgeschichte, was ihn von anderen unterscheidet. Ich hoffe, dass der Erfolg beider Filme dazu führt, dass mehr Western produziert werden.
Einen Vorsprung gegenüber Costner haben Sie allemal durch Ihre Hauptdarstellerin Vicky Krieps. Was macht deren Qualität aus?
Sie hat eine besondere weibliche Schönheit, wie aus einer anderen Zeit, und sie ist perfekt für unsere Geschichte – nicht nur ihre äußere Erscheinung. Sie hat etwas tief in sich drin, eine bemerkenswerte innere Stärke, die sie aussenden kann und die sehr gut zu dieser Geschichte passt.
Geht es weiter für Sie mit der Regie?
Das hoffe ich. Ich habe noch andere Geschichten, die ich erzählen möchte, es ist nur eine Frage der Finanzierung, was bei originellen unabhängigen Filmen immer schwierig ist.
Die Darsteller
Der Film erzählt die Geschichte von Vivienne Le Coudy und Holger Olsen, die während des amerikanischen Bürgerkrieges versuchen, sich in einer korrupten Kleinstadt im Norden Nevadas ein gemeinsames Leben aufzubauen – und letztlich scheitern.
Schon dreimal wurde Viggo Mortensen (Foto) für den Oscar nominiert: 2008 für „Eastern Promise“, 2017 für „Captain Fantastic“ und 2019 für „Green Book“.
Vicky Krieps (40) wurde in Luxemburg geboren. Hierzulande war sie unter anderem in „Corsage“ (2022) als Kaiserin Elisabeth zu sehen, in „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ (2023) spielte sie die Autorin. Zu ihren internationalen Arbeiten gehören „Der seidene Faden“ (2017) und „The Last Vermeer“ (2019). (EB)