Die Galerie Van der Grinten zeigt in „The Schuh Show“ 60 Exponate von 37 Künstlern und Künstlerinnen. Eine Ausstellung mit viel Esprit, von Boots bis Pumps.
Van der GrintenKölner Ausstellung zeigt, was Schuhe über Menschen verraten
Die Begegnung mit der Kunst erzeugt mitunter neue Kunst. Bei einem Besuch der ART Cologne entdeckten die New Yorker Künstlerin Ruth Marten und der Galerist Franz van der Grinten eine Zeichnung von Rudolf Schlichter aus den 1920er Jahren, auf der ein Paar elegante Herrenschuhe und ein darunter liegender Schatten zu sehen waren. Ein makabres Bild, da es sich bei dem Träger der Schuhe offenbar um einen Erhängten handelte.
Funde vom Flohmarkt
Plötzlich muss Ruth Marten die Dimension dessen bewusst geworden sein, was Schuhe über uns Menschen aussagen können. Ihre Fantasie begann mit dem Sujet zu spielen. In der Übermalung einer Landkarte erinnert sie uns daran, dass Italien dem Stiefel eines Musketiers zum Verwechseln ähnlich sieht.
Die entblößten Beine einer jungen Frau mit Pumps fand sie in einer historischen Fotografie und drapiert einen geschwungenen Holzrahmen in Form eines Hasen um die delikate Szene. Schuhe werden zu Objekten, die weniger ihrer Funktion als dem Zündfunken der Inspiration dienen.
Im Kreise ihrer Freunde und Freundinnen der New Yorker Kunstszene begann Ruth Marten Arbeiten zum Thema zu sammeln. Die Aktion entwickelte einen Sog der Begeisterung. Immer neue Beiträge wurden gefunden, produziert, auf Flohmärkten entdeckt und von Sammlern ausgeliehen. So entstand „The Schuh Show“, eine Ausstellung voller Esprit, die 60 Exponate von 37 Künstlern und Künstlerinnen in der Galerie Van der Grinten zeigt.
Vorbild fürs Möbeldesign
Der mediale Charakter von Schuhen tritt hier offen zutage. Ob sie eine Bekleidung für männliche oder weibliche Füße sind, lässt sich oftmals nicht sagen. Das Genderthema scheint hier anhand dieses Sujets schon immer kommuniziert worden zu sein. So mischen sich etwa in die bestrapsten Beine auf den erotischen Fotografien von Pierre Molinier weibliche und männliche Exemplare fast ununterscheidbar miteinander.
Es fehlt nicht an skurrilen Objekten, wie einem Schuh für zehn Zehen, der von Alexander Gorlitzki in Maßarbeit hergestellt wurde. René Magritte hätte an ihnen seine wahre Freude gehabt. Surrealismus fühlten sich von Schuhen ebenso angezogen wie Architekten von der Konstruktion des Beinkleids. Möbeldesigner finden die Form des Schuhs in Entwürfen voluminöser Sessel wieder.
Erotik und Fetischismus
Einen Barockschuh in Form einer mit vollen Segeln ausgestatteten Fregatte zeigt Timothy Horn. Ohne den sozialen Aspekt des Schuhwerks ließe sich ein solches Panorama nicht realisieren, daher findet sich unter den Exponaten ein Video von Deborah Luster, auf dem ein Paar Steppschuhe und gestreifte Hosenbeine zu sehen sind.
Ein zu lebenslänglicher Haft verurteilter Gefangener aus einer US-Haftanstalt tanz darauf einen Moment der Freiheit. Schuhe öffnen die Tore der Imagination für Erotik und Fetischismus. Sie verlocken zur Entblößung des Fußes oder zu seiner wohligen Umhüllung. So kreierte Janet Stein aus Barcelona ein Paar pelzgefütterte Damenschuhe, die subtil die „Pelztasse“ von Meret Oppenheimer zitieren. Nicht nur hier zeigt sich treffend, wie die Betrachtung dieser Objekte unmittelbar taktile Gefühle auszulösen vermag. Bis 11. Februar. Preise auf Anfrage. Geöffnet Mi bis Fr 11 –18 Uhr, Sa 12–18 Uhr. Gertrudenstraße 29
Arbeit mit Haut und Haaren
Als eine der ersten Frauen überhaupt arbeitete Ruth Marten in den 1970er Jahren als Tätowiererin in ihrer Heimatstadt New York. In den 1980er Jahren illustrierte sie für Modemagazine, Zeitschriften, Buch- und Musikverlage. 2006 begann sie nach intensiver Auseinandersetzung mit dem Thema „Haar“ damit, Druckgrafiken aus vergangenen Jahrhunderten zu bearbeiten. Ihr Werk ist eine Mischung aus Traum und Fantasiewelt. Sie amüsiert sich über die Welt – so wie sie war und wie sie ist. Marten lebt und arbeitet in New York. (EB)