Die Toten Hosen live in KölnDas alte Fieber ist noch da

Campino von den Toten Hosen auf der Bühne
Copyright: Thomas Brill
Köln – Eigensinnig war er ja schon immer, der Andreas Frede. Schon 1982, als er zusammen mit Andreas von Holst, Andreas Meurer, Michael Breitkopf, Trini Trimpop und Walter Hartung, im Ratinger Hof eine Band gründete, die nach dem klang, was sonst allenfalls leblos überm Gartenzaun hängt. Und sich selbst als Künstlernamen ein Lutschbonbon für Kinder erkor. 35 Jahre später hat sich daran nichts geändert. "Heute ist kein Dienstag, heute ist Samstag", verkündet Campino, und die Parole für diesen Dienstag, der kein Dienstag ist, schickt er gleich hinterher: "Lasst uns durchdrehen!"
16 500 Fans muss man das nicht erst zweimal sagen. Für sie ist jedes Konzert der Toten Hosen ein Samstagskonzert. Und diese Woche in Köln, in der Arena, gibt's derer gleich zwei hintereinander. Was, unterm Strich 33 000 Besucher macht. Mit 22 Stücken plus zwölf Zugaben in knapp drei Stunden fürwahr kein schlechter Schnitt.
Punk in Deutschland partyfähig gemacht
In mehr als drei Jahrzehnten ist die Combo, die einst antrat, den Punk in Deutschland partyfähig zu machen, kein bisschen leiser, langsamer oder lustloser geworden. Gepaart mit politischer Stellungsnahme ("Nazis raus"), sozialem Engagement, Streichern, Dudelsäcken, der wunderbaren deutsch-koreanischen Pianistin Esther Kim, gefühlvoller vorweihnachtlicher Beschallung ("Auld Lang Syne") und Stücken vom "Urknall" (2017) bis zurück zur "Opel-Gang" (1983) wird daraus ein epochales Erlebnis.
Auch das Publikum erweist sich als kein bisschen abgeschlafft. Heisere Kehlen, abgetanzte Körper, glückliche Gesichter. Und eine Security-Besetzung, die neue Rekorde im Heben klatschnass geschwitzter Leiber von der Absperrung in den Graben aufstellen kann.
Würde man von oben mit der Kamera draufhalten, auf den durch einen Wellenbrecher in zwei Hälften geteilten Innenraum, man hätte das Gefühl, dass sich hier wirbelnde Kornkreise im Menschenmeer ständig neu formieren. Wer geglaubt hat, dass der Pogo tot ist, wird eines Besseren belehrt.
Vom ersten wild begeisterten "Ey - oh - let's go!"-Publikums-Schlachtruf bis hin zum Abspann "Kein Grund zur Traurigkeit" für den verstorbenen Drummer Wolfgang "Wölli" Rohde ist alles drin. Der Schublade, auf der "Mehr Spaß ins Glas"-Band stand, sind die Hosen längst entwachsen.
Mozart, AC/DC und Tränen
Klar. Das "Alte Fieber" ist noch da. Es gibt sie noch: "Tage wie diese", "Das Mädchen aus Rottweil" wird nie aufhören scharf zu sein (mit Streichern noch schärfer), und das "Altbierlied" lässt sich auch beim hellen Obergärigen ganz vorzüglich mitgurgeln. Aber bei "Nur zu Besuch", mit dem die Band an ihren Manager Jochen Hülder erinnert, der nur 57 Jahre alt wurde, kullert dann doch das ein oder andere Tränchen.
Mozart gibt's auch noch an diesem Abend, AC/DC und "ein kleines bisschen Horrorshow". Zeit für Alex. Zeit für Sasha und seinen Schäferhund. Aber auch für ein bisschen Nachdenklichkeit. "Wie viele Jahre kann das noch so weitergehen?", fragt Campino. "Was ist das eigentlich gewesen, in 35 Jahren?"
Eine großartige Leistung. Und live immer wieder eine Lust.