AboAbonnieren

Streamingstart am 8. Mai„Feud: Capote vs. The Swans“ beleuchtet eine legendäre Fehde in Hollywood

Lesezeit 5 Minuten
Eine Szene aus der Serie „Feud: Capote vs. The Swans“.

Erst Freunde, dann Feinde: Babe Paley (Naomi Watts) und Truman Capote (Tom Hollander).

Die Serie „Feud“ stammt aus der Schmiede von Ryan Murphy („American Horror Story“, „Glee“), der in der ersten Staffel die Hollywood-erprobte Feindschaft zwischen Joan Crawford und Bette Davis verewigte.

Selten bringt ein Vorspann den Serieninhalt so auf den Punkt: In leicht dahin geworfenen Zeichnungen lockt und lotst ein Mann eine Gruppe von Schwänen mit Futter durch eine Stadt – um sich schließlich mit einer ihrer Federn und Blut als Tinte ans Schreiben zu machen. Und schon ist man mittendrin in „Feud: Capote vs. The Swans“, einer neuen Serie, die ab jetzt auf Deutsch beim Streamingdienst Disney+ zu sehen ist.

„Schwäne“ nannte der Autor Truman Capote eine Gruppe reicher bis extrem reicher New Yorker Society Ladys, denen er Freund und Vertrauter war – bis er ihre Geheimnisse zu Papier brachte und veröffentlichte. Daraufhin brach eine bis heute legendäre Fehde aus, die sich gewaschen hatte – und an deren Ende es nur Verliererinnen und einen Verlierer gab.

Aus der Schmiede von Ryan Murphy

Die Serie „Feud“ stammt aus der Schmiede von Ryan Murphy („American Horror Story“, „Glee“), der in der ersten Staffel die Hollywood-erprobte Feindschaft zwischen Joan Crawford und Bette Davis verewigte. Auf der Basis des Buches „Capote's Women“ von Laurence Leamer breitet nun Drehbuchautor Jon Robin Baitz acht Folgen lang den Streit rund um Capote aus, der in den 1970er Jahren die Klatschspalten beschäftigte. Dabei hatte alles doch so gediegen angefangen.

Alles beginnt 1955: Capote (Tom Hollander) beginnt sich als erfolgreicher Schriftsteller durchzusetzen. Doch er will mehr, will nicht nur Teil einer kulturellen Bohème sein, sondern auch zu den Reichen und Schönen gehören. Und sie öffnen ihm die Türen – zu ihren Anwesen, gewähren ihm einen Platz an ihren reichgedeckten Tischen. Allen voran Babe (Naomi Watts), die mit dem CBS-Chef William S. Palay (Treat Williams in seiner letzten Rolle) verheiratet ist. Doch wie auch ihre Freundinnen Slim Keith (Diane Lane), C.Z. Guest (Chloë Sevigny) oder Jackie Kennedys Schwester Lee (Calista Flockhart) läuft es in ihrer Ehe nicht gut: Vom Ehemann permanent betrogen, versucht Babe mit Makellosigkeit und Perfektion die Fassade aufrecht zu halten.

Capote nimmt eine Doppelfunktion ein: Bei Tisch unterhält er mit amüsanten, aber durch und durch bösartigen Klatschgeschichten die feine Gesellschaft. Dabei ist er sich voll und ganz bewusst nur ein „schwuler Hofnarr“ zu sein. Im Boudoir hat er mehr als nur ein offenes Ohr, wenn ihm das Herz ausgeschüttet wird. Zu Hause notiert er das Gehörte fein säuberlich – wer weiß, wofür man es mal brauchen kann ...

Schreibblockade bremste Capote aus

Wobei: Capote weiß sehr genau, wofür er all die Notizen mal gebrauchen kann. Nachdem Erfolg seines Tatsachenromans „Kaltblütig“ bremst ihn eine Schreibblockade aus, den Veröffentlichungstermin für „Answered Prayers“ (Erhörte Gebete) schiebt er immer wieder hinaus. 1975 schließlich erscheinen einige Kapitel in der Zeitschrift „Esquire“ und schlagen im wahrsten Sinne des Wortes ein wie eine Bombe, und kein Stein bleibt auf dem anderen.

Kaum verhüllt erzählt er in der Geschichte „La Côte Basque 1965“ vom Ehedrama rund um Babe und Bill. Und er tritt noch einmal die Geschichte von Ann Woodward (Demi Moore) breit, die angeblich ihren Ehemann absichtlich erschossen haben soll. Das hatte Capote schon früher gerne rumerzählt, doch als die Geschichte nun in gedruckter Form in der Welt ist, nimmt sich die damals 59-Jährige das Leben.

In der Folge wird der Autor zur Persona non grata und gerät in einem Sumpf von Drogen, Alkohol und Beziehungen zu zum Teil sozial unter ihm stehenden Männern. Und: Das Buch „Answered Prayers“ wird nie veöffentlicht. Bis heute ranken sich Gerüchte über den Verbleib des Manuskripts — und viele sagen, es habe nie existiert.

Üppig ausgestattet hätte eine solche Geschichte zu einem überkandidelten TV-Spaß werden können. Doch die Regie von Indie-Ikone Gus van Sant oder Jennifer Lynch (die Tochter von David Lynch) setzt inmitten der von Kristalllüstern beleuchteten Szenerie mehr auf düstere Töne und lässt dem Ensemble sehr viel – bisweilen fast ein wenig zu viel – Raum, die psychologischen Untiefen zu erkunden.

Naomi Watts ragt heraus

Tom Hollander agiert als Capotes Wiedergeburt, Manierismen und die nölig schleppende Sprechweise inklusive. Das haben schon andere vor ihm gemacht, am besten sicherlich Philip Seymour Hoffman im 2005er Film „Capote“ — neben dem sich Hollander aber nicht zu verstecken braucht. Denn auch Hollander verliert nie den Mut, den Autor als Unsympathen durch und durch zu verkörpern.

Aus dem bis in Nebenrollen hochkarätig besetzen Cast (etwa Jessica Lange als Capotes Mutter oder Molly Ringwald als seine letzte verbliebene Freundin) ragt jedoch Naomi Watts heraus.

Ihr zuzusehen bei der Wandlung von der Frau mit der auf Hochglanz getrimmten Schale zu einem Menschen, der an der Enttäuschung fast zerbricht, zu beobachten, wie Watts das Zerbröckeln der Fassade spielt, ohne dass man auf die Idee kommt, das hier eine Schauspielerin am Werk ist – das allein macht diese Serie über Außenseiter, Einsamkeit und verlorene Freundschaft zum Ereignis.


Der Autor

Gleich zwei Gedenktage gibt es in diesem Jahr für Truman Capote. Am 30. September wäre er 100 geworden und sein Todestag jährt sich am 25. August.

Zu seinen bekanntesten Werken gehören „Frühstück bei Tiffany“, das durch den Film mit Audrey Hepburn noch berühmter geworden ist, und der Tatsachenroman„In Cold Blood“ („Kaltblütig). Darin erzählt er von zwei Männern, die eine vierköpfige Familie ermordert haben und zum Tode verurteilt werden.

Capote war schwul und ging damit, für seine Zeit ungewöhnlich, sehr offen um. Von 1950 an war er mit dem Autor Jack Dunphy zusammen, die beiden führten jedoch eine offene Beziehung. (HLL)