Reporterin „Birte Schneider“ ist raus: Prayon erklärt, dass sie die Zusammenarbeit mit der „heute-show“ beendet hat. Eher nicht im Einvernehmen.
„Stimmung gegen Andersdenkende“Christine Prayon verlässt „heute-show“ und rechnet mit ZDF-Satire ab

War als Birte Schneider zu sehen: Christine Prayon.
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Mehr als zehn Jahre lang bereicherte Christine Prayon als Reporterin Birte Schneider die „heute-show“ im ZDF. Tatsächlich hatte sie im vergangenen September dort ihren letzten Auftritt, wie der Branchendienst „dwdl“ berichtet. Nun hat sie in einem Interview mit dem in Stuttgart erscheinenden „Kontext Wochenmagazin“ erklärt, dass sie die Zusammenarbeit mit der „heute-show“ beendet hat. Eher nicht im Einvernehmen.
„Ich habe mit der Art, wie die großen gesellschaftlich prägenden Themen seit Corona behandelt werden, zunehmend Bauchschmerzen bekommen“, sagt Prayon. Sie habe auch mit den Verantwortlichen geredet und betont, dass sie sich nicht daran beteiligen wolle, „Andersdenkende der Lächerlichkeit preiszugeben“.
Prayon: „Die heute-show hat sich geändert“
Satire darf sich nach Meinung der Kabarettisten nicht daran beteiligen, den Diskurs zu verengen. „Und jetzt findet genau dies wieder statt beim Krieg in der Ukraine. Da werden Narrative und Positionen von Gruppen, die gesellschaftlich in der Hierarchie weit oben stehen, unablässig wiederholt, und gleichzeitig wird Stimmung gegen Andersdenkende gemacht. Das hat nach meinem Dafürhalten nichts mehr mit Satire zu tun.“ In der „heute-show“ sei sie wegen einer Post-Vac-Erkrankung, also einer Erkrankung infolge einer Impfung, lange nicht aufgetreten. Verpasst habe sie deswegen jedoch keine Sendung.
„Die heute-show hat sich geändert“, so Prayon. „Ich bin seit 2011 dabei gewesen und habe das sehr gerne gemacht. Aber ich muss mich identifizieren können mit einer Rolle, das ist eine politische Satiresendung und keine Rolle wie im Tatort. Und das muss sich schon mehr oder weniger mit dem decken, was ich als Christine Prayon auf der Bühne mache“, so die Kabarettistin.
Eine Rückkehr ist wohl eher ausgeschlossen. „Die Tür wurde mir offen gelassen, falls ich das mal wieder anders sehen oder mich wohlfühlen sollte. Das finde ich auch schön. Aber ich habe diesen Schlussstrich für mich gezogen“, betonte Prayon im „Kontext Wochenmagazin“.
Keine Freundin mehr von Satiresendungen
„Nein, und offiziell sind auch bei der ,Anstalt’ im ZDF keine Türen zu. Aber man wird halt immer weniger gefragt, bis man irgendwann nicht mehr gefragt wird, und das hat Gründe. Ich habe mich wohl erfolgreich mit meinem Programm und meinen Ansichten aus vielen Sachen rauskatapultiert. Ich glaube zum Beispiel auch, wenn man das große Fass Kapitalismuskritik aufmacht und das wirklich ernst meint, ist man draußen.“
Sie sei überhaupt keine Freundin mehr von Satiresendungen, egal ob Böhmermann, „Anstalt“ oder anderen. Angesprochen auf den ZDF-Satiriker Jan Böhmermann, erklärt Prayon, dass auch er „die gängigen Narrative verstärkt“ habe. „An eine Sendung kann ich mich noch gut erinnern. Da ging es um Nichtgeimpfte, und dann lehnte er sich zurück und zeigte zwei Stinkefinger. Ich dachte, wie kann man das machen?“ Christine Prayon sieht darin keine Provokation, sondern Spaltung. „Corona hat tatsächlich gespalten wie S 21 damals in Stuttgart. Und die Fernseh-Satire hat dabei keine rühmliche Rolle gespielt. Da finde ich mich nirgendwo mehr wieder.“
Prayon: „Das ist ein Simulieren von Freiheit“
Die Verunmöglichung eines Diskurses verschärft nach Prayons Ansicht nur die Spaltung. „Wie wenig bedarf es mittlerweile, um als rechts gebrandmarkt zu werden. Wann bin ich rechts, wann bin ich eine Verschwörungstheoretikerin, eine Schwurblerin? Ich habe Fragen, ich habe Kritik, ich möchte mich äußern dürfen, ich möchte auch zuhören dürfen, ich möchte auch den hören, der für das Letzte gehalten wird.“ Prayon könne mit Satire, die das verunmögliche, nichts mehr anfangen. „Das ist ein Simulieren von Freiheit“, so die Kabarettistin.
In dem Interview besteht Prayon auf ihrer „Redefreiheit“, egal ob sie Beifall von der rechten Seite bekommt oder nicht. Sie betont: „Hört man auf zu reden, weil man eventuell falsch verstanden wird? Natürlich werde ich falsch verstanden, ich werde ganz bestimmt falsch verstanden, also wenn ich mich auf eins verlassen kann, dann darauf. Aber es ist bedenklich, wenn ein Klima herrscht, wo man so schnell verurteilt wird für das, was man sagt.“
Dieser Artikel ist zuerst im „Tagesspiegel“ erschienen.