Vor seinem Wechsel ans Burgtheater zieht Schauspiel-Intendant Stefan Bachmann im Rundschau-Gespräch Bilanz.
Abschiedsinterview mit Stefan BachmannWas der Schauspiel-Intendant aus Köln mit nach Wien nimmt
Zum Abschied werden Sie ja förmlich mit Lob überschüttet. Macht Sie das nicht bisweilen misstrauisch?
Nö, das ist schön. Das nehme ich jetzt einfach mit. Nach elf Jahren Köln, finde ich, ist das auch mal okay. Und ich weiß auf der anderen Seite, dass ich jetzt am neuen Arbeitsplatz wieder komplett von vorne anfange.
Kein Bonus in Wien
Da gibt es also keinen Bonus „Die Kölner mögen ihn“?
Nein, das haben auch alle Kolleginnen und Kollegen von mir immer so erfahren: Man zieht von der einen Stadt in die nächste, und dann ist alles anders. Neues Spiel, neues Glück.
Das Depot war zunächst kein leichter Ort, um Theater zu machen. Wann hatten Sie das Gefühl, es in den Griff zu bekommen?
Lustigerweise passierte das direkt nach dem nicht stattgefundenen Umzug, mit der Inszenierung „Geschichten aus dem Wienerwald“. Das war für mich ein Durchbruch.
Wie haben Sie das geschafft?
Dadurch, dass Olaf Altmann eine Drehbühne hineingestellt hat, wir die Seitenwände zusammengerückt und einen roten Vorhang aufgehängt haben, haben wir die Halle zum Theater erklärt. Wir sind jetzt zwar nicht im Theater, aber wir holen das Theater jetzt zu uns. Für mich hat auch eine Reise begonnen, im formalen Umgang mit Körperlichkeit, Sprache und Musik. Und das hat die Inszenierung kräftiger werden lassen, sodass wir damit in dieser Halle prägnant waren.
Das Etablieren des Depots als Theaterort und vor allem dessen Erhalt gehört sicher zu den größten Erfolgen der Ära Bachmann. Wo, würden Sie sagen, sind Sie gescheitert? Welche Pläne haben Sie nicht umsetzen können?
Gelernt, ein Intendant zu sein
Es haben sich immer nur Pläne entwickelt, die mit der Situation kohärent gewesen sind. Insofern habe ich da eigentlich gar nicht so eine Enttäuschung erlebt. Aber eine bestimmte Form von Projekten, von Stücken oder von Ästhetiken haben sich sehr stark in der Auseinandersetzung mit diesem Raum und dem Ort Mülheim ergeben.
Was haben Sie in der Kölner Zeit für sich gelernt?
Ich habe gelernt, Intendant zu sein. Das ist vielleicht das Wesentlichste. Und Verantwortung zu übernehmen. Es ist kein Ausbildungsberuf, das kann man nur lernen, wenn man es ist.
Tipps für den Nachfolger?
Welche Tipps geben Sie Kay Voges mit auf den Weg?
Keine.
Keine?
Ich finde, das verbietet sich einfach. Ich gäbe sie ihm nur, wenn er sie abfragt.
Und das hat er noch nicht?
Wir haben schon das ein oder andere Gespräch gehabt, und er ist auch sehr, sehr aufgeschlossen. Aber ich respektiere, wenn jemand sich sein eigenes Bild machen will.
Haben Sie seinerzeit mit ihrer Vorgängerin Karin Beier gesprochen?
Nicht großartig, auch wenn wir damals eine freundliche Übergabe hatten. Und natürlich gab es den einen oder anderen Hinweis, da tauscht man sich schon aus. Ich finde ja gerade toll, dass jetzt etwas Neues dann entsteht und dass Kay Voges dieses Theater noch einmal komplett neu erfinden wird. Ich muss loslassen. Das fällt mir nicht ganz leicht. Aber ich bin gut beraten, wenn ich das tue.
Das große Herz des Kölner Publikums
Ist das Kölner Publikum empfänglich für eine bestimmte Art von Theater, für andere nicht?
Es hat ein sehr großes Herz für soziale Themen, angefangen von „Die Lücke“, über „Kleiner Mann, was nun?“ oder „Früchte des Zorns“ bis hin zu „Akins Traum“. Dass das so ein Erfolg geworden ist, das hätte ich nicht im Traum vermutet. Und die Kölner sind begeisterungsfähig und sie können ihre Liebe sozusagen unbefangen zeigen. Das ist der große Unterschied zu meiner Heimatstadt Zürich, da war das immer verklemmt und verhalten.
Mit welcher Art von Theater braucht man den Kölnern nicht zu kommen?
Vielleicht ist es eine bestimmte Form von Bildungsbürgerlichkeit, die gar nicht so gut ankommt. Es ist hier eher emotional als intellektuell.
Kein großes Büro in Wien
Was nehmen Sie aus Köln mit nach Wien?
Wir haben hier in unseren Büroräumen ein Atrium, in das wir einen sehr großen Tisch gestellt haben, und das ist zu einer Art Meetingpoint geworden, wo man sich zwanglos begegnen kann. Die Konstellation der Mitarbeitenden ist so gewachsen, dass wir einen Arbeitsstil entwickelt haben, der also mit der Zeit unglaublich professionell, aber gleichzeitig auch sehr, sehr zwanglos geworden ist und sehr kommunikativ.
Das hat dazu geführt, dass ich mein Direktorenbüro in Wien nicht beziehen werden, sondern es ein Gemeinschaftsraum wird. Es ist sehr groß, hat einen der zwei Balkone der Burg zum Rosengarten hin, der jetzt für die Mitarbeitenden zugänglich ist. Mal schauen, was das für Effekte hat. Ich glaube, es kam schon sehr gut an, als ich das verkündet habe.