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Zweieinhalbstündiges FeuerwerkAbschlussfest zur Intendanz von Stefan Bachmann – „Sommernachtstraum“ in Köln

Lesezeit 4 Minuten
Die Darsteller stehen vor einem bunten Partybus.

Ein Sommernachtstraum.

Zum Abschluss soll es noch mal richtig krachen, das Fest der Feste zum Ende der Intendanz von Stefan Bachmann.

Regisseur Jan Bosse liefert ab. Sein „Sommernachtstraum“, der Freitag Premiere am und im Depot feierte, ist ein zweieinhalbstündiges Feuerwerk, getragen vom Spaß am Spiel des achtköpfigen Ensembles, von denen viele auch ihre Kölner Abschiedsvorstellung geben, bevor sie sich mit Bachmann gen Wien aufmachen.

Los geht’s draußen vor der Tür: Ein bunter Partybus fährt vor, das Personal erscheint einem feuchten K-Pop-Traum entsprungen (Kostüme: Kathrin Plath). Es gibt Musik, fast wie für ein Musical haben Carolina Bigge und Arno Kraehahn die Original-Shakespeare-Texte so vertont, dass die Resultate sich auch gut auf Alben von Billie Eilish oder Taylor Swift machen würden.

Köln: Publikum soll sich Ensemble anschließen und trifft auf imposantes Bühnenbild

Aus diesem ersten Getümmel schält sich einer der vielen Handlungsstränge: Egeus will seine Tochter verklagen, da die Demetrius nicht heiraten will, den ihr Vater für sie vorgesehen hatte. Wenn sie sich weigert, drohen ihr Kloster oder Tod. Also flieht sie mit Lysander, den sie wirklich liebt, im geklauten Bus. Der verschmähte Demetrius und die von diesem verschmähte Helena nehmen die Verfolgung auf.

Der Weg dorthin führt durch einen Wald. Das Publikum wird aufgefordert, sich anzuschließen, und betritt das Depot 1 durch den Seiteneingang.

Und wird konfrontiert mit einem Szenenbild (Bühne: Moritz Müller), wie es nur in dieser ehemaligen Werkshalle möglich ist: Riesige Baumstämme sind aufgetürmt, wie das Klettergerüst eines Abenteuerspielplatzes, auf dem ein Wirbelsturm gewütet hat. Darunter verbirgt sich ein Tunnelsystem, das via Videoprojektion sichtbar wird.

Shakespeares „Sommernachtstraum“: Darsteller überzeugen auf ganzer Linie

Und weiter geht’s mit der Geschichte: Nach einem Streit mit seiner Frau Titania sinnt Elfenkönig Oberon auf Rache: Kobold Puck soll ihm eine Blume besorgen, deren Saft, „im Schlaf auf’s Augenlid getropft, lässt Mann wie Frau verrückt vor Liebe werden nach dem ersten, besten Lebewesen, das sie sehn“. So soll Titania bestraft und aus Helena und Demetrius ein glückliches Paar werden. Das geht natürlich schief, das Zaubermittel landet nur zum Teil dort wo es soll.

Als wären das nicht schon genug Komplikationen baut Shakespeare eine weitere Ebene ein: Ein Schwung Handwerker probt ein Theaterstück – und wird unfreiwillig in die amourösen Elfen-Intrigen hineingezogen.

Jan Bosse und Gabriella Bussacker haben den Text nicht nur vorzüglich neu übersetzt, sondern auch beherzt gekürzt, ohne dabei die Äxte im Walde zu geben. Jede und jeder im Ensemble spielt verschiedene Rollen und liefert noch einmal richtig ab: Bruno Cathomas als eitler Möchtegerne-Schauspielstar Bottom, Marek Harloff als verführerische Titania, Peter Knaack als überforderter Regisseur des Stücks im Stück. Rebecca Lindauers wunderbar quengelnde Titania trifft auf Justus Maiers semi-tumben Lysander.

Und kaum jemand verkörpert Ungemach so anrührend wie Katharina Schmalenberg. Stefko Hanuschevskys Puck ist das Sahnehäubchen auf seine Zeit in Köln: Ab seinem ersten Auftritt 2013 im „Guten Mensch von Sezuan“ gelangen ihm immer wieder selbst mit Nebenrollen „Showstopper“-Momente. Hanushevsky mittelmäßig oder gar langweilig? Kein einziges Mal.

Theater in Köln: Zwangsverheiratung und elisabethanische Partydroge gehen unkommentiert über die Bühne

Ja, dieser „Sommernachtstraum“ ohne Frage ist eine Komödie, ein großer Spaß, und doch von vielen dunklen Tönen durchsetzt. Bisweilen fragt man sich: Kann man vieles des hier gezeigten anno 2024 unkommentiert über die Bühne gehen lassen? Wenn sich Hermia der vom Vater geplanten Zwangsverheiratung durch ihren Vater nicht beugt, drohen Verbannung oder Tod – und das nicht nur als familieninterne Sanktion, sondern qua staatlichem Gesetz.

Der Saft der Blume, „im Schlaf auf’s Augenlid getropft“ und mit der Shakespeare den Liebesreigen kräftig durcheinanderwirbelt, kommt wie eine elisabethanische Partydroge daher, die alle die, denen sie verabreicht wurde, zu willenlosen Sexobjekten werden lässt. Und bei all den klugen Streichungen, die Jan Bosse und Gabrielle Bussacker vorgenommen haben: Wären nicht auch die plumpen Gags über Loch und Spalte in der Mauer verzichtbar gewesen? Und warum erinnert das Bühnenbild aus Holzstämmen an einen Scheiterhaufen? Dass dieser Wald von Müll übersät ist, erscheint dagegen fast schon zu plakativ.

Aber, ach egal. Am besten man wischt alle dunklen Gedanken beiseite, folgt dem hellleuchtenden Mond und lässt sich in diesem Traum von einer Sommernacht einfach nur zum Amüsement verführen. Trübe Tage gibt es noch genug.


140 Minuten (keine Pause). Wieder am 19./26.5., 16 Uhr, 21./23./25./31.5, 19.30 Uhr, 29.5., 19 Uhr, weitere Termine im Juni.