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Interview

Simin Tander
Album „The Wind“ ist im Kölner Stadtgarten zu hören

Lesezeit 5 Minuten
Die Jazzsängerin Simin Tander schöpft aus dem musikalischen Fundus verschiedener Kulturen.

Die Jazzsängerin Simin Tander schöpft aus dem musikalischen Fundus verschiedener Kulturen.  

Die Kölner Jazzsängerin Simin Tander und ihre Band stellen im Stadtgarten ihr neues Album „The Wind“ vor. Darin verarbeitet sie expressiv ihre Eindrücke, die auch durch die Geburt ihres Kindes geprägt waren. 

Ihr neues Album ist nach dem Wind benannt. Was erzählt er?

Die Elemente haben mich schon immer fasziniert. Es liegt so viel archaische Kraft darin, die auch in der Musik wiederzufinden ist. Der Wind ist ein Symbol für die Freiheit und das Vereinen von Kontrasten, von der zarten Brise bis zum starken Sturm. Er weht durch die unterschiedlichen Sprachen, Stimmungen und Kulturen, die auf dem Album zu finden sind und vereint diese miteinander.

Es switcht zwischen Melancholie und Zuversicht, schweren und hellen Tonarten.

Ja, es sind Stimmungen in allen Farben dabei. Ich wollte die Möglichkeiten ausloten, noch stärker in die unterschiedlichen Dynamik hineinzugehen. Die Energie, die bei einem Liveauftritt ganz unvermittelt im Raum stehen kann, wollte ich auch im Album widerspiegeln. Ich bin stärker in fragile Melodien hineingegangen, bin an anderen Stellen aber auch lauter als bei früheren Einspielungen, gehe noch tiefer ins Groovige.

Sie sagen, das Album sei für Sie ein Meilenstein nach fast fünf Jahren. Was ist auf dem Weg dahin geschehen?

Auf eine Art ist jedes eigene Album ein Meilenstein für mich. Es ist immer eine tiefe Widerspiegelung meines „zu der Zeit“ aktuellen Künstlerinnen-Seins. Dieses Album fühlt sich aber besonders ganzheitlich an, weil es mich in meiner Herkunft, aber auch als Musikhörerin als Heranwachsende bis jetzt reflektiert. Außerdem ist dies das erste Album, das ich als Mutter produziert habe. Der Prozess war dadurch intensiver, da der Raum, den es braucht, nicht mehr so gegeben ist, wie früher.

Sie arbeiten in Ihrer Band mit dem schwedischen Bassisten Björn Meyer, dem schweizerischen Schlagzeuger Samuel Rohrer und der indischen Geigerin Harpreet Bansal zusammen. Was bedeutet Ihnen das Zusammenspiel?

Viel! Es ist eine Traumbesetzung für mich und ein sehr spezieller Sound, der entsteht. Sowohl transparent und stark atmosphärisch, als auch sehr zupackend und groovy. Es sind alles hervorragende Musiker mit sehr eigene „Stimmen“. Sie waren zum Teil sehr stark beim Entstehungsprozess der Stücke beteiligt.

Im Song „Meena“ gehen Sie zu Ihren Wurzeln zurück. Sie waren noch ein Kind, als Ihr Vater, ein afghanischer Journalist, starb. Sie sind in Deutschland aufgewachsen. Wie haben Sie sich Paschtu sprachlich erarbeitet?

Es war wie in einem Puzzle. Meine Mutter ist Deutsche, ich habe afghanische Verwandte hier und in England. Die Sprache zu singen, war meine individuelle Art, mich meinem Vater, meinen Wurzeln zu nähern und diesen Teil in mir auszudrücken. Ich bekomme bei allen Paschtu-Texten immer Hilfe eines guten, alten Freundes meines Vaters, Naqib Zermelwall. Seit 2012 singe ich auf Paschtu und werde es auch weiter tun.

Inzwischen eines Ihrer Markenzeichen.

Ich empfinde Paschtu als eine sehr schöne, fließende und doch auch sehr rhythmische Sprache. Ich habe später erfahren, dass mein Vater auch Dichter war und Gedichte veröffentlichte. Auf meinem zweiten Album habe ich ein Gedicht von ihm vertont. Das Singen auf Paschtu ist seitdem ein wichtiger Teil meiner Musik. Es ist eine ungemein reiche Kultur.

Harpreet Bansal, ist mit der indischen Raga-Tradition aufgewachsen.

Ich liebe ihre leicht verschnörkelten und doch so geerdeten Phrasierungen, die ins Endlose zu fließen scheinen. Unsere Art Melodien zu denken, ist sehr ähnlich.

Das Album hat etwas Hoffnungsvolles, Aufflammendes. Wie schöpfen Sie – als junge Mutter – Hoffnung in einer Zeit, die geradezu beängstigend mit ihren multiplen Krisen wirkt?

Ja, das ist nicht immer leicht. Aber gerade als Mutter sehe ich es als meine Aufgabe optimistisch zu sein beziehungsweise immer wieder dorthin zurück zu kommen. Aber aus der Musik schöpfe ich etwas, das schwer in Worte zu fassen ist, es liegt tief. Es passiert einfach, die Hoffnung ist dann da. Ich schöpfe Kraft aus der Musik.

Entsteht eine Art von Resilienz?

Bestimmt. Meine Art, zu singen, hat, wie ich es zurückbekomme und auch auf einer Ebene spüre, etwas Tröstendes – dies hat sich über die Jahre geformt. Ich reise immer wieder tief ins Innere mit meiner Stimme.

Sie engagieren sich für die Unesco, für Menschenrechte, würden Sie sich als musikalische Botschafterin bezeichnen?

Ja, ich halte es für wichtig, die Chancen, die da sind, zu nutzen und durch die Musik im besten Falle, etwas zu bewegen. Als ich anfing auf Paschtu zu singen, war es mir ein grosses Anliegen zu betonen, dass ich dies nicht aus einer politischen Motivation tue, sondern, weil es mir darum geht die Schönheit der Sprache und Kultur zu teilen. Mittlerweile hat es sich in soweit erweitert, als dass man, wie ich finde, nicht mehr unpolitisch sein kann. Jede Stimme ist wichtig.

Es ist ein norwegisches Label. Wie kam es dazu?

Ich habe schon einige Jahre viele Verbindungen nach Norwegen und zur dortigen Szene, außerdem lebt Harpreet auch in Oslo. Jazzland Recordings ist ein international renommiertes Label von dem auch in Deutschland bekannten Pianisten Bugge Wesseltoft. Das passte einfach direkt, und Bugge reagierte begeistert auf meine Frage einer Zusammenarbeit. Mein Album habe ich in New York von dem Grammy- nominierten Toningenieur Joshua Valleau mischen lassen. Das war eine großartige Zusammenarbeit. Gemastered wurde es dann von dem Grammy-gewinnenden Tonmeister Daddy Kev in L.A. Insofern –ein sehr internationales Projekt. Meine Heimat ist aber Köln und wird es immer sein.

Am Mittwoch, 2. April, 20 Uhr, treten Simin Tander (vocals), Harpreet Bansal (violin), Björn Meyer (bass), Samuel Rohrer (drums) im Konzertsaal des Stadtgartens auf. Einlass ist um 19 Uhr. Karten an der Abendkasse kosten 25/15 Euro, im Vorverkauf 22/12 Euro. Kartentelefon: 0221/ 95 29 940.