Spätesten seit Henning Mankell und Arne Dahl sind sie die düsteren Schwergewichte der Spannungsliteratur: Krimis und Thriller aus Schweden.
Krimi-Tipps der RedaktionWarum nirgends sonst so schön gemordet wird wie in Schweden
Mörderisches Halland
In erster Linie muss ein Krimi spannend sein und am besten mit vielen unvorhersehbaren Wendungen überraschen. Aber wenn der Autor so elegant mit Sprache umgehen kann wie Christoffer Carlsson, geht das Lesen über das reine Vergnügen am Nervenkitzel weit hinaus.
In „Wenn die Nacht endet“ schickt Carlsson bereits zum dritten Mal seinen stets zweifelnden Ermittler Vidar Jörgensson los, als es gilt, sich eines alten Falles im südschwedischen Halland zu widmen. Zwanzig Jahre zuvor wird eine Teenager-Clique durch eine Reihe ungeklärter Mordfälle erschüttert.
Im weiteren Verlauf nimmt die Geschichte fast mythische Züge an, als sich ihr Dorf im wahrsten Sinne des Wortes in ein Tolkiensches Mordor verwandelt.
Doch auch wenn hier das Oberste zuunterst gekehrt wird und eine Tabula rasa einen Neuanfang versprechen könnte, bleibt über Jahre vieles im Dunkel und noch mehr ungesagt. Denn während sehr viele in diesem Krimi schweigen, sind es doch diejenigen, die ihre Pflicht zu schweigen verletzten, die die letzten Dramen verschulden.
„Richtig und falsch fallen nicht vom Himmel. Sie werden auf Erden gemacht, um Katastrophen zu verhindern.“ Viele von Christopher Carlssons Sätzen beginnen vielleicht wie Kalendersprüche, um sich dann mit scharfen Krallen in den Nacken zu fräsen. „Wie ein unsichtbares Band legen die Verstorbenen sich um die Zurückgeblieben und führen sie zusammen. Anderenfalls reißen die Toten sie auseinander.“ Es verwundert nicht, dass genau das passiert.
Christoffer Carlsson: Wenn die Nacht endet. Kriminalroman, deutsch von Ulla Ackermann, Kindler Verlag, 464 S., 24 Euro.
Düstere Zukunft für Stockholm
Nein, eine „Paradise City“ ist Stockholm in der von Jens Lapidus nach Orwell-Vorbild skizzierten Zukunft nicht mehr, schon gar nicht jener mittlerweile von Mauern umgebene Vorort Järva, dem seine Bewohnerinnen und Bewohner diesen zynischen Spitznamen verpasst haben.
Denn um ihn verlassen zu dürfen, darf man sich nichts zu schulden kommen lassen. Und wer vor Gericht viermal verurteilt wird, kommt lebenslänglich ins Gefängnis. Durch das „geografisch begründete Strafrechtskonzept“, nach dem in Sonderzonen wie Järva die gleichen Verbrechen doppelt so hart bestraft werden, entsteht selbstredend Widerstand.
Auf der anderen Seite versucht eine Machtclique das eh schon ins Wanken geratene Staatsgefüge noch weiter zu destabilisieren.
So ist das Leben des Kleinkriminellen Emir ein täglicher Kampf zwischen dem eigenen Überleben und dem Versorgen seiner kleinen Tochter. Bis die ambitionierte Innenministerin Eva Basarto Henriksson meint, mitten in diesem Problemviertel einen öffentlichen Wahlkampfauftritt absolvieren zu müssen und Emir in eine ausgemachte politische Intrige katapultiert wird.
Jens Lapidus setzt auf Überwältigung in Sachen Tempo und Plot. Er lässt sein Personal Allianzen schmieden und sich im nächsten Moment gegenseitig an die Gurgel gehen, stellt dabei Fragen nach Recht und Gerechtigkeit, die er allerhöchstens mit einem Hoffnungsschimmer beantwortet haben will.
Jens Lapidus: Paradise City. Thriler, deutsch von Max Stadler, btb Verlag, 456 S., 17 Euro.
Kalter Krieg in Malmö
Die Schwedin Kerstin Signe Danielsson und der Deutsche Roman Voosen sind seit 2013 verheiratet und schreiben gemeinsam – in seiner Muttersprache. Jetzt starten sie eine neue Reihe und lassen nach Stina Forss und Ingrid Nyström nun Svea Karhuu und Jon Nordh zusammen ermitteln.
„Tode, die wir sterben“ erinnert in seinen Grundzügen an grundsolide Krimi-Konfektionsware: Einem grummelig-deprimierten, älteren Polizisten aus Südschweden wird eine junge Kollegin mit familiären Wurzeln außerhalb des Landes zugeteilt, die eher einzelgängerisch unterwegs ist.
Beide schleppen Ballast mit sich herum: Seine Frau starb bei einem Unfall im Auto eines Kollegen, mit dem sie eine Affäre hatte. Ihr droht ein Disziplinarverfahren, da sie bei einem Undercovereinsatz einen Kollegen in Notwehr getötet hat.
Zusammen forschen sie nun in einem Fall, der zunächst nach Bandenrivalität in einem der sogenannten Problemviertel Malmös aussieht, sich aber dann als perfider Rachefeldzug entpuppt, der seine Wurzeln im Kalten Krieg hat. Erst diese überraschende Wendung macht das Buch lesenswert, ab diesem Zeitpunkt aber auch richtig.
Voosen/Danielsson: Tode, die wir sterben – Ein Fall für Seva Karhuu & Jon Nordh. Kriminalroman, Kiepenheuer & Witsch, 400 S., 17 Euro.