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SchauspielhausHumanitäre Katastrophe aus der Sowjetzeit im Depot 2 inszeniert

Lesezeit 3 Minuten
Szene aus dem Theaterstück "Die Revolution lässt ihre Kinder verhungern" des "Theaterkollektivs Futur3".

Das "Theaterkollektiv Futur3" inszeniert im Depot 2 "Die Revolution lässt ihre Kinder verhungern".

Das "Theaterkollektiv Futur3" inszeniert in Zusammenarbeit mit dem Kölner Schauspielhaus das Stück "Die Revolution lässt ihre Kinder verhungern" und erinnert damit an die humanitäre Katastrophe der in der Ukraine ausgelösten Hungersnot "Holodomor" (Mord durch Hunger).

Der Auszeichnung des „Theaterkollektiv Futur3“ mit dem Kölner Ehrentheaterpreis 2022 für sein Engagement für Kulturschaffende in der Ukraine und seine kontinuierliche Arbeit an gesellschaftspolitischen Themen, folgte nun ein weiterer „Ritterschlag“: Das bisher auf kleine, freie Bühnen angewiesene Kollektiv durfte bei den „Großen“ spielen.

Ins Gedächtnis gerufen

In Koproduktion mit dem Kölner Schauspielhaus entstand "Die Revolution lässt ihre Kinder verhungern" - die theatralische Aufarbeitung einer der größten humanitären Katastrophen des 20. Jahrhunderts: Der von Stalin 1932/33 in der Ukraine verübt "Holodomor" (Mord durch Hunger), der jetzt wieder durch den Angriff Putins ins Gedächtnis gerufen wird. Damals verhungerten Millionen Menschen durch die von den Bolschewisten befohlene Kollektivierung der Landwirtschaft.

Im aus drei Leinwänden bestehenden, minimalistischen Bühnenbild von Michaela Muchina, das lediglich durch farbenfrohe Kostüme bisweilen aus seiner visuellen Tristesse erlöst wird, lässt Regisseur André Erlen sein sechsköpfiges Ensemble antreten.

Doch in der bebilderten Lesung kommt das Schauspiel nur selten zu seinem Recht. Es beginnt mit einem alten Fotoalbum mit historischen schwarz-weiß Aufnahmen aus jenen schrecklichen Jahren, die ein Sidekick (Valerij Lisa) mit einer digitalen Kamera abfilmt und auf die Leinwände im Bühnenhintergrund projiziert. Auf denen erscheinen im Lauf der quälend langen 90 Minuten nun immer an sowjetische Wochenschauen erinnernde Dokumentaraufnahmen, internationale Zeitungsausschnitte zum damaligen – weitgehend ignorierten oder geleugneten – Holodomor.

Interviews aus der heutigen Ukraine

Und es erscheinen von einem ukrainischen, in die Theaterproduktion eingebundenen Team gefilmte Videoaufnahmen und Interviews aus der heutigen Ukraine. Diese künstlerische Solidarität setzt sich auch auf der Bühne fort, wo neben den beiden hauseigenen Protagonisten (Stefko Hanushevsky, Anja Jazeschann) und dem „Futur3“-Mitbegründer Stefan H. Kraft auch drei ukrainische Künstler (Oleksii Dorychevskyi, Mariana Sadovska, Yasia Yenko) ihre Texte zum Geschehen aufsagen.

Das erinnert mehr an eine szenische Lesung, als an eine dramatisierte Bühnenfassung – aber offensichtlich hatten weder Regie noch Dramaturgie (Lea Goebel) da eine zündende Idee, um aus dem sich immer mehr im Kreise um sich selbst drehenden, politischen Krippenspiel herauszufinden.

Kampf mit dem Teppich

Anja Jazeschann versuchte es mal mit einem emotionalen Wutausbruch, Stefko Hanushevsky gab mal kurz den „Großen Diktator“ und zog seinen Mitspielern slapstickartig den Teppich unter den Füßen weg, um dann mit diesem in Chaplin-Manier zu „kämpfen“. Stefan H. Kraft skizzierte prägnant einen britischen Journalisten und Politikberater, der 1933 zwischen die diplomatischen Fronten geriet – und offenbarte damit das - leider ungenutzte – dramatische Potenzial des Stücks.

Oleksii Dorychevskyi hielt mit seiner beeindruckenden Bühnenpräsenz dagegen, während Mariana Sadovska und Yasia Yenko – von der Regie alleingelassen – doch etwas verloren „mitschwammen“. Dafür durften sie ein Loblied auf den Weizen singen und dafür für Momente das elektronische Sound-Gejammer („Musik“: Jörg Ritzenhoff & Mariana Sadovska) aus dem Hintergrund vergessen lassen.

Der Beifall zum Schluss klang mehr nach einer Solidaritätsgeste für die ukrainischen Künstler und ihr geschundenes Land, denn für eine letztlich unausgegorene Produktion. 90 Minuten ohne Pause, wieder 26. November, 20 Uhr, Schanzenstraße 6-20, Karten-Tel.: 0221-22128400 oder tickets@buehnen.koeln