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Schauspiel KölnIntendant Stefan Bachmann über „Johann Holtrop“

Lesezeit 4 Minuten
Wie schon in „Reich des Todes“ arbeitet Stefan Bachmann bei „Johann Holtrop“ in einem Bühnenbild von Olaf Altmann aus senkrechten elastischen Schnüren.

Hält die Fäden in der Hand: Schauspiel-Intendant Stefan Bachmann.

Sein Wechsel ans Wiener Burgtheater ist eine Theater-Sensation und für Stefan Bachmann sicher die Krönung seiner Karriere. Mit Axel Hill sprach er über schwierige Zeiten in Köln und seine Inszenierung von Rainald Goetz’ Roman „Johann Holtrop“, die am 25. Februar Premiere feiert.

Noch einmal herzlichen Glückwunsch zur Berufung nach Wien! Was hat die Burg, was der Offenbachplatz nicht hat?

Stefan Bachmann: (lacht schallend) Die Stadt drumherum. Das ist natürlich ein gefährlicher Satz.

Auf keinen Fall, denn das muss man einfach neidlos anerkennen!

Es gibt ja wenig schönere Städte in Europa.

Bei der Pressekonferenz in Wien wurde mit harten Bandagen gefragt. Waren Sie darauf vorbereitet, sich zu unerfreulichen Themen zu äußern?

Ich habe schon damit gerechnet. Denn Wien hat ja sowieso die große Lust am Skandal. Man sucht gerne nach dem Bodensatz und wirbelt ihn auf. Das Beste ist, so offen wie möglich damit umzugehen.

Mit den Mobbing-Vorwürfen, die vor ein paar Jahren erhoben wurden.

Ja. Ich habe nach der Pressekonferenz viel positives Feedback bekommen für meine Ehrlichkeit und Offenheit. Es ist ja vielleicht gar nicht so erstrebenswert, sich als strahlende, makellose Figur zu präsentieren. Ein paar Dellen zeugen von Erfahrung.

Hier im Haus herrscht heute, wie von vielen Seiten immer wieder bestätigt wird, ein sehr angenehmes Klima.

Ich will jetzt auch gar nichts kleinreden. Wir hatten damals gerade angefangen, in einer wahnsinnig schwierigen Situation: an einem Spielort, der immer wieder eine große Schinderei war. Die ersten zwei Jahre lagen die Nerven blank, und Theater ist ein emotionales Gewerbe. Und ich habe sicher bestimmte Dinge übersehen. Diese Gemengelage wurde übertrieben ausgestellt. Ich habe meine Schlüsse daraus gezogen und finde, dass wir da alle miteinander sehr viel gelernt haben. Ich habe es auch meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesagt: Es tut mir wirklich aufrichtig weh, jetzt Tschüss zu sagen, weil es gerade so wahnsinnig schön ist, hier zu arbeiten. Das ist einfach eine Traumkonstellation.

Es tut mir wirklich aufrichtig weh, jetzt Tschüss zu sagen, weil es gerade so wahnsinnig schön ist, hier zu arbeiten.
Stefan Bachmann

Wovon handelt „Johann Holtrop“?

Von männlichem toxischen Machtgebaren und Machtstrukturen in der Wirtschaft. Das Buch zitiert ein bisschen die Romantradition des 19. Jahrhunderts – und das ist die Ironie darin: dass es sich in die Tradition der Thomas Mannschen Erzählkunst einreiht und gleichzeitig ein hochmoderner, experimenteller Text ist. Er erzählt vom Aufstieg und Fall eines Wirtschaftsmanagers. Das Vorbild ist Thomas Middelhoff, aber er bekommt in dem Goetzschen Kosmos etwas ganz Eigenes und Fiktionalisiertes.

Gab es ein ausschlaggebendes Moment, dass Sie das Buch auf die Bühne bringen wollen?

Meine erste „Begegnung“ mit Goetz war meine Uraufführung von „Jeff Koons“ 1999. Dann wurde mir auch die nächste Uraufführung versprochen – aber es kam kein Stück. Als dann 2012 der Roman erschien, bekam ich die Fahnen vorab. Viele Theater wollten es machen, aber Rainald Goetz gab die Rechte dafür nicht frei. Daran habe ich ihn erinnert, als ich sein Stück „Reich des Todes“ inszeniert habe – und dann hat er mir von sich aus angeboten: Wenn du das immer noch machen willst, gebe ich dir die Rechte. Natürlich wollte ich.

Stefan Bachmann
Theaterregisseur und Intendant des Schauspiel Köln.

Intendant des Schauspiel Köln Stefan Bachmann.

Wie bringen Sie „Holtrop“ auf die Bühne?

Mit Frauen! Ich versuche das Ganze mit diesem Verfremdungseffekt in eine Künstlichkeit zu übersetzen. Und Frauen können mit dem Abstand und ihrem Blick auf die Männlichkeit diese noch satirischer und unverschämter bloßstellen.

Aber es wird jetzt nicht „Reich des Todes, Teil 2“, wo Sie ja auch mit einem rein weiblichen Ensemble gearbeitet haben?

Ein bisschen. Sie werden viele Ähnlichkeiten entdecken. In „Holtrop“ heißt es: „Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, aber rund laufen sollte es schon.“ Im Ernst: Wir erzählen mit ähnlichen ästhetischen Mitteln eine ganz andere Geschichte. „Holtrop“ hat ja, bei aller Düsternis und Ernsthaftigkeit, eine komische Leichtigkeit.

Frauen können mit dem Abstand und ihrem Blick auf die Männlichkeit diese noch satirischer und unverschämter bloßstellen.
Stefan Bachmann

Genau, wir schauen einem eingebildeten mächtigen Typen bei seinem tiefen Fall zu – das macht immer Spaß!

Ja, wie in „Wolf of Wall Street“. Aber es ist auch toll, wie dieses Phänomen Macht, diese immer noch vom alten Deutschland geprägte Macht, in den Nuller-Jahren beschrieben wird. Nicht umsonst heißt der Untertitel „Abriss der Gesellschaft“.

Und kann man die Geschichte auch zehn Jahre nach Erscheinen immer noch erzählen, weil die Grundstrukturen immer noch dieselben sind?

Es hat sich in der Wahrnehmung, wie Macht ausgeübt werden kann/darf/soll, viel geändert. Aber in der Mechanik hat sich der Kapitalismus natürlich nicht verändert.

Oder haben sich auch die Männer im Verhalten untereinander nicht verändert?

Vielleicht. Ich merke auf jeden Fall gerade bei der Arbeit mit den acht Schauspielerinnen, dass bestimmte Testosteron-gesteuerte Konkurrenzmechanismen nicht existieren und eine andere Form von Kollegialität herrscht. Und die Stutenbissigkeit, die man Frauen gerne nachsagt, erlebe ich gar nicht. Es ist wie eine unausgesprochene Verabredung: Wir müssen zusammenhalten, damit das toll wird.


„Johann Holtrop“ auf der Bühne

Die ersten Vorstellungen von „Johann Holtrop“ am 25. und 28. Februar sind ausverkauft, für den 1. März gibt es noch Restkarten. Für die Aufführungen am 20., 21. und 23. April (jeweils 19.30 Uhr) beginnt der Vorverkauf im März. „Johann Holtrop“ wird von Melanie Kretschmann verkörpert. Neben ihr spielen Nicola Gründel, Anja Laïs, Rebecca Lindauer, Lea Ruckpaul, Cennet Rüya Voss, Luana Velis und Ines Marie Westernströer, die alle verschiedene Rollen spielen.