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Schauspiel KölnDramaturgin Lea Goebel über die Digitalversion von „Vögel“

Lesezeit 4 Minuten
LeaGoebel

Lea Goebel hofft, dass Online-Formate auch nach der Pandemie das analoge Theater ergänzen.

Köln – Lea Goebel ist Dramaturgin am Schauspiel Köln mit einem speziellen Fokus auf digitale Formate. Hat sie sich ausmalen können, dass die mal so wichtig würden wie jetzt? „Hätten Sie mich das vor einem Jahr gefragt, hätte ich nein gesagt.“

Doch Online-Präsentationen boomen gerade, weil kaum etwas anderes möglich ist. Oft beeilen sich Theaterleute, zu ergänzen, dass diese das physische Erlebnis vor Ort nicht ersetzen könne. „Im Moment werden die digitalen Formen eher wie ein Lückenfüller oder ein Plan B behandelt, ich würde mir wünschen, dass sie langfristig als Bereicherung des analogen Theaters empfunden würden.“

Perspektivwahl dank Split-Screen-Technik

Es habe einen „enormen Wendepunkt“ zwischen den Arbeiten des ersten und des jetzigen Lockdowns gegeben. „Im März hat es ausgereicht, ein paar SchauspielerInnen von zu Hause aus Gedichte lesen oder private Videos zeigen zu lassen. Das Höchste war dann einmal eine Zoom-Inszenierung. Nun stehen die Theater vor der Herausforderung, auch Experimentelleres zu wagen und sich innovative Formen zu überlegen.“

Zur Person

Lea Goebel ist 1994 in Siegen geboren. Während ihres Studiums war sie Gründungsmitglied des Theaterkollektivs „neverendingstory“. Seit der Saison 2018/19 ist sie feste Dramaturgin am Schauspiel Köln und setzt sich im Kernteam des „dramaturgie-netzwerks“ für faire Arbeitsbedingungen am Stadttheater ein. (EB)

Das hat man mit dem „Schwarzwasser“-Film, dem Live-Tanzabend „All for one and one for the money“ und der Webserie „Walküre“ schon geboten, „aber nun gehen wir mit der neuen Version von Stefan Bachmanns Inszenierung ,Vögel’ einen weiteren Schritt. Wir haben uns bewusst gegen einen Live-Stream entschieden. Das Ergebnis wird sehr filmisch wirken, es gibt allein fünf Wochen Post-Produktion.“

Ästhetischer Clou: „Wir arbeiten mit Split-Screen, was man aus Filmen und Serien, aber weniger vom Theater kennt.“ Tatsächlich war die in mehrere Sektionen und Perspektiven unterteilte Leinwand etwa in den 60ern in Hollywood populär („Thomas Crown ist nicht zu fassen“). Nun überträgt Andreas Deinert, der auch für Frank Castorf (zuletzt in „Heldenleben“) die Videos macht, diese Technik ins Hier und Jetzt.

Das Ziel formuliert Lea Goebel so: „Der subjektive Blick der ZuschauerInnen soll nicht verloren gehen. Im normalen Theaterfilm ist der Blick durch Close-Ups oder Totalen vorgegeben, hier hat man manchmal 15 kleine Split Screens und kann selbst entscheiden, was man sehen möchte.“

Alles ab Handy aufwärts funktioniert gut

Auf dem Handy macht sich dieses aufgesplitterte Bild weniger gut. „Beamer wäre ideal, aber am Laptop geht es auch gut.“ Mit sechs Kameras und einer Drohne werden auch verschiedene Stile möglich, „Schwenks als natürliche Suchbewegung oder das Spiel mit Schärfe und Unschärfe“.

Und wie sieht ihre dramaturgische Vorbereitung aus? „An den drei Probentagen vor dem Dreh habe ich meine Rückmeldung an die SchauspielerInnen nicht auf Basis eines Bühnenschauspiels gegeben, sondern aufgrund der beiden Monitore vor mir. Da merkt man sehr schnell, dass die Spielweise für einen Bildschirm ganz anders sein muss als für einen 30 Reihen langen Depot 1-Raum: psychologischer, leiser, direkter.“

Auch der Schnitt in der Post-Produktion sei „eine Art von Dramaturgie. Andreas Deinert schneidet das Material vor und schickt Stefan Bachmann und mir verschiedene Korrekturfahnen. Wir überlegen, wo der Schnitt einen Tick früher oder später kommen sollte, welche Kameraperspektive sich narrativ anbietet und spielen das dann zurück.“

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Lea Goebel glaubt nicht, dass das mit „babylonischem Sprachgewirr“ behaftete Stück von Wajdi Mouawad durch die Split-Screen-Technik komplizierter wird, „es gewinnt vielmehr Dynamik und Rhythmus“. Und dies, obwohl die Inszenierungslänge von über zwei Stunden nicht eingekürzt wurde. Bei den Untertiteln können sich die Betrachter zwischen deutsch und englisch entscheiden, „was uns vielleicht ein internationaleres Publikum ermöglicht…“

Die Dramaturgin ist auch am eigentlich analogen Heidelberger Stückemarkt beteiligt. Letzterer wird diesmal in der neuen Rubrik „Netzmarkt“ drei digitale Beispiele zeigen. „Da schlage ich gerade eine Longlist von Inszenierungen vor, deren digitale Qualität mich besonders beeindruckt hat.“ Kölner Produktionen lässt sie aus Befangenheitsgründen außen vor…

Zwar kann sie gut verstehen, „dass sich Theaterschaffende wieder nach unmittelbarem Publikumskontakt sehnen“. Dennoch sei gegenüber den neuen Formaten auch eine neue Offenheit entstanden, im Ensemble wie bei den Adressaten: „Bei Rafael Sanchez’ ,Früchte des Zorns’ hätten am Premierenabend 220 Plätze besetzt sein dürfen, da waren wir mit dem Stream weit drüber.“ Und die zahlenden Gäste geben oft deutlich mehr als das Minimum.

Premiere des „Vögel“-Streams: 20. Februar, 19.30 Uhr. Tickets unter www.schauspiel.koeln.